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4 Die zweite Begegnung
ОглавлениеFlanna hörte sich die CD von Cathi Ann MacPhee an und sah abwesend hinaus. Die Stimme dieser stämmigen Sängerin ließ sie gedanklich in schottische Gefilde tauchen. Im nächsten Augenblick erschrak sie. Vor dem Schaufenster standen vier Schotten in alten Kilts. Ein Schauer lief über ihren Rücken. Diese Männer, und, da war auch eine Frau dabei, sie wirkten, als wären sie den Highlander - oder Braveheard - Filmen entstiegen. Unverschämt neugierig starrte sie einer von ihnen an. Er stand so nahe an der Scheibe, als wollte er deren Vorhandensein leugnen. Seine vom Schnee durchnäßten, dunkelbraunen Haare fielen strähnig gewellt bis über seine Schultern und umrahmten sein Gesicht. Ein Gesicht so wohlgeformt, daß es auch einer Frau hätte gehören können, wenn da nicht das kantige Kinn und die starken Wangenknochen gewesen wären. Seine dunkelbraunen Augen musterten sie durchdringend, aufdringlich. Sie fühlte sich ausgezogen und ja, tief berührt.
Und endlich erkannte sie ihn! Sie war sicher, sie hatte ihn vor einigen Jahren schon einmal gesehen! Auf dem Busparkplatz des Bahnhofes! War das ein Zufall!? Er war der Grund, daß sie sich seither noch mehr für Schottland begeisterte, als zuvor. Der Grund, daß sie nicht nur Zuhörerin von gälischen Liedern geblieben war, sondern diese alte Sprache gelernt hatte und, daß sie seitdem als Sängerin auf mittelalterlichen Märken mitwirkte.
Dieser Mann schien ebenso wenig in diese Welt zu passen, wie ein Fisch nicht in die Luft gehörte. Wieder lief ein Schauer durch ihren Körper. Und wie seltsam, daß diese Leute aufgetaucht waren, als sie die CD zu hören begann. Sie zwang sich die Blickverbindung abzubrechen und nahm sich vor weiter nach hinten in den Laden zu gehen. Diese Leute waren ihr unheimlich. Das ganze war ihr unheimlich. Obwohl sie im Grunde ihres Herzens am liebsten zu ihm gegangen wäre, um ihm zu sagen, daß sie ihn schon einmal gesehen hatte, und, daß sie seine Sprache gelernt hatte, um dieses Mal mit ihm reden zu können. Sie hatte sich doch fest vorgenommen ihn anzusprechen, wenn sie das Schicksal ein zweites Mal zusammenführt! Doch jetzt fehlte ihr der Mut.
Der Blickwechsel war so eindringlich. Ich fühlte meine Glieder zucken, um zu ihr in den eigenartigen Wohnraum zu laufen, um nur nah genug bei ihr zu sein. Ich ertappte mich bei dem Gedanken ihr die Kleider vom Leib zu reißen, um ihre nackte Haut fühlen und den Anblick ihres Körpers genießen zu können. Ich stellte mir vor, wie meine Hand ihre wohlgeformte Brust umhüllte und an ihrem Hals hinauf wanderte, um zärtlich ihre Lippen zu berühren. Ich schüttelte den Kopf um die Gedanken loszuwerden. Sie paßte nicht zu den anderen. Gehörte sie nicht hier her, so wie wir?
Gavin zog mich unsanft am Arm, riß mich von ihr los. „Komm!“
Ich sah ihn ärgerlich an, ehe ich mich erneut der Füchsin zuwandte; doch sie war inzwischen weiter nach hinten gegangen und sprach mit einem der Männer in schwarz. Abwägend sah sie von einer silbernen Scheibe zur anderen hinunter. Doch plötzlich drehte sie mir ihr Gesicht erneut zu, als wollte sie sich versichern, daß ich sie beobachtete. Ebenso plötzlich sah sie wieder weg. Widerstrebend ließ ich mich von Gavin weiterziehen. Der Zauber schien gebrochen; die Füchsin beachtete mich nicht mehr. Hatte ich mir ihren durchdringenden Blick nur eingebildet?
Nach einigen Schritten blieb Calum unerwartet stehen, er zitterte. „Seht!“ Bestürzt zeigte er auf schwarze und silberne Kastentruhen, die hinter der Wand auf Ständern standen und auf einer Seite geöffnet waren, sodaß wir hineinsehen konnten.
In diesen Truhen bewegte sich etwas, das hatte ich bereits zuvor wahrgenommen, doch nun erkannte ich, was sich dort bewegte. Menschen! Das Grauen lief mir über den Rücken. In den kleinen Truhen lebten offensichtlich winzige Menschen! Oder handelte es sich um Zwerge? Elfen? Trolle? Ich entdeckte Tiere, konnte Pferde erkennen, welche über die Heide galoppierten. Betroffen trat ich einige Schritte von der durchsichtigen Wand weg. Es war zu ungeheuerlich.
Wie ein Blitz traf mich der nächste Schock; Da waren Scoti. Da ritt tatsächlich ein Scote in den Farben der MacLeods. Ein Scote, fast so wie wir welche waren. Er ritt unmittelbar in eine Schlacht hinein. Ich sah das Blut spritzen, als ein Mann geköpft wurde.
Eithne zog scharf die Luft ein.
Ich legte erschüttert die Hand auf meine Brust. Mein Herz pochte so stark, als wollte es herausspringen. Wie war das möglich? Wie war es bloß möglich, daß Menschen in solch kleinen Truhen lebten? Wie kamen sie dort hinein? Das war der Beweis! Ich war mir plötzlich sicher. Gemmán gaukelt uns das alles vor. Nie und nimmer konnten Menschen oder Tiere so klein gezaubert werden.
Während wir fassungslos beobachteten; und sicherlich nicht nur mir das Herz wild bis hinauf in den Hals schlug, als wollte es meinen Körper sprengen, kamen zwei Männer in schwarz aus dem Inneren des Raumes auf uns zu. Wir konnten den Ablauf der Schlacht und das ganze Schlachtfeld übersehen und trotzdem konnten wir nicht eingreifen! Die Männer gingen geradewegs hinüber zu einer dieser kleinen Truhen, in der sich die Menschen hinmetzelten, doch anstatt einzugreifen, nahm sich einer der Männer einen schwarzen Stab, drückte darauf herum und zeigte auf die kämpfenden Männer, derweil sie herzlich lachten als einer der Scoten von einem Schwert durchbohrt wurde. Unerwartet erschien ein anderes Bild; zwei Menschen die sich leidenschaftlich liebten. Die beiden Männer schenkten dem keine Beachtung.
Ich atmete ein paarmal tief durch, um Geist und Körper wieder in die Gewalt zu bekommen. Wie gebannt starrte ich in die Truhe, in der das Bild wechselte, sobald einer der Männer den flachen Stab berührte. Ich sah die anderen an.
Eithnes Gesicht war leichenblaß. Gavin ging an der Wand entlang. Ich zog die anderen hinterher. Ich zitterte unter meinem Hemd vor unterdrückter Wut und Verzweiflung. Ich spürte, daß es Calum genauso erging. Gavin ging schnell. Wir folgten.
Schließlich erreichten wir einen durchsichtigen, sich auseinander schiebenden Eingang. Menschen gingen ein und aus, ohne Hand anzulegen. Eine unheimlicher Zauber, trotzdem wir gingen mutig hinein.
Gavin hielt sich rechts. Irgendwann mußten wir auf die kleinen Truhen stoßen! Eine Unmenge an Gegenständen, Stoffen und Kleidern stand und hing uns im Weg. Irgendwie gelang es Gavin sich zurechtzufinden. Wir folgten ihm.
Endlich traten wir um die Ecke und vor uns standen die Truhen. Wir liefen zu der Truhe, die wir von draußen gesehen hatten. Doch die beiden Männer waren fort. Irgendwo mußten sie doch sein? Ich suchte den Kasten von vorn und von hinten ab. Da war ein Bild, doch nicht das, was ich suchte. Wo hatten die Kerle die Scoten hingebracht? Ich suchte den Raum nach den Männern ab. Fort, sie waren alle fort!
„Was, was sollen wir tun?“ Eithne schaute zunächst mich, dann die anderen bedrückt an.
„Ich muß hier raus! Vielleicht fangen sie uns?“ sagte Calum leise.
Gavin nickte. „Calum hat Recht. Dann könnten wir den verwunschenen Menschen noch weniger helfen!“
Es mußte doch einen Ausweg geben! Eine Möglichkeit dem Traum zu entrinnen und Gemmán ins Gesicht zu spucken! Was hatte er sich da ausgedacht?
Gavin wandte sich bereits, um zu gehen. „Es hat keinen Sinn, wir müssen gehen.“
„Und wohin?“ fragte Eithne bissig.
„Vater wird uns helfen!“ Gavin war davon überzeugt.
Niedergeschlagen liefen wir weiter, ohne auf den Weg zu achten. Der stramme Schritt kostete mich viel Mühe. Doch ich schmähte die Stiche in meiner Seite und die Trauer in meinem Herzen. Den Schwertknauf fest gegriffen, bis meine Knöchel weiß hervortraten, lief ich weiter. Ab und zu blickte ich zum Himmel, jedenfalls versuchte ich es, doch unter den starken Lichtern und dem wieder fallenden Schnee, konnte ich nichts erkennen, weder ob es dunkel war, noch ob ich einen Stern als Wegweiser hätte nutzen können. Mir blieb nur die Hoffnung, daß Ossian gegebenenfalls einen Weg wußte, um uns zu befreien.
So bedrückt hatten wir noch nie miteinander geschwiegen, doch keinem von uns war nach reden zu Mute. Ich wußte einer fühlte wie der andere. Wir wollten nur wieder nach Hause. Dem Schrecklichen, Unaussprechlichen entfliehen. Ich konnte nicht verstehen weshalb die anderen Menschen uns dermaßen übergingen, uns zum größten Teil nicht einmal ansahen und wenn doch, mit einem so mitleidigen Lächeln, als wären wir nicht mehr klar im Kopf, und das obwohl doch genaugenommen diese Leute eigenartig waren. Immer wieder liefen uns Männer in roten Gewändern mit falschen weißen Bärten über den Weg. Was hatte das zu bedeuten? Ich hatte keine Ahnung. Sicher wußte ich nur eines; wenn mich jetzt einer dumm ansprach, dann würde ich nicht zögern mein Schwert zu ziehen.
Ich wandte mich um. Hatte Gavin es auch bemerkt? Ich wurde das Gefühl nicht los, daß uns jemand folgte. Die ganze Zeit ging es mir so, doch wer sollte uns folgen? Womöglich die Füchsin? Wahrscheinlich nicht.
Wir erreichten einen weiten Platz, in dessen Mitte ein Brunnen mit einem Becken stand. Das Wasser hatte sich gesammelt, und umschloss halbgefroren und eiskalt meine Finger, als ich sie hineintauchte. Ich beugte mich hinunter um einen Schluck zu trinken. Meine Kehle kratzte und war wie ausgedörrt. Ich spuckte; es schmeckte abscheulich.
„Was ist?“ fragte Calum.
„Versuchs lieber nicht!“
„Ich hab‘ Durst.“ Calum griff nach dem Wasserschlauch, der an seinem Gürtel hing: „Vollkommen leer! MacBochra muß das Wasser ausgegossen haben.“
„Er hat an alles gedacht!“
Gavin nickte niedergeschlagen. „Und jetzt?“
Eithne zog ihren Wasserschlauch nach vorne. „Ich habe etwas.“ Sie zog den Riemen über den Kopf und reichte das Wasser herum.
Bedächtig trank jeder ein paar Schlucke.
Ich starrte eine Weile ins vereiste Wasser. Schaute mir die Leute an, die sich in der Nähe des Brunnens aufhielten. Fünf junge Menschen standen in einem Kreis zusammen. Sie hielten seltsame Dinger in den Händen, die beinahe so lang wie die Hände selber waren und tippten mit den Fingern darauf herum. Ihre Gesichter waren befremdlich regungslos, starr auf die Teile gerichtet. Hatten sie sich denn nichts zu sagen? Warum standen sie dann zusammen? Ich fand ihr Benehmen merkwürdig. Sie schauten sich nicht an und sie lachten nicht miteinander, so wie wir das taten, wenn wir mit Freunden im Kreis standen.
Calum berührte mich an der Schulter. Er blickte stur in eine Richtung. Ich sah hinüber. Als hätte ich sie durch meine Gedanken herbeigerufen, schoß es mir durch den Kopf. Eine Gruppe von sechs jungen Männern in schwarzer, enger Kleidung, mit geschorenen schwarzen und bunten, wild abstehenden Haaren trat uns entgegen. In ihren Lippen, Augenbrauen und Ohren steckten Nadeln, Metallringe und Ketten. Der offensichtliche Anführer hielt einen an der Spitze glühenden Stab zwischen den Fingern. Plötzlich steckte er ihn zwischen seine Lippen und zog anscheinend die Luft dadurch ein. Die Glut entfachte, der Mann bekam Rauch in den Mund. Doch er hustete nicht. Statt dessen schluckte er den Rauch herunter und stieß ihn aus der Nase wieder aus. Waren hier alle irrsinnig? Wie konnte er sich freiwillig Rauch in die Lunge ziehen? Es schauderte mich. Waren sie Leibeigene oder Gefolterte? War dies womöglich eine Strafe? So kurzgeschoren wie sie ihre Haare trugen, konnten sie nur Gesetzesbrecher sein oder Leibeigene. Und was maßten sie sich an? Wie konnten sie uns in so herausfordernder Art entgegentreten? Sie mußten doch sehen, daß unsere großen Tücher mehr als drei Farben trugen, daß wir von hoher Geburt waren? Es war nicht schwer, ihrer Körpersprache zu entnehmen, daß sie einen Vorwand suchten, um sich zu prügeln. Ich biß die Zähne fest zusammen, die kamen mir recht! Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen wie Calum und Gavin bereits ihre Schwerter aus den Scheiden zogen, nur ein kleines Stück, doch sie waren so bereit wie ich. Endlich bekamen wir die Möglichkeit in unser Schicksal einzugreifen und nicht nur wie Puppen darin herumzulaufen. Ich sah Eithne entschieden an. Sie sollte nicht wagen sich einzumischen. Sie hielt mir eine Weile stand, doch dann nickte sie schwach, senkte ihre Lider und trat einen Schritt zur Seite.
Der Anführer stellte sich breitbeinig vor uns hin, schnippte gekonnt den glühenden Stab auf den Boden und begann zu sprechen:
„SchmeckteuchunserWassernich? WasseidnihrfürKasper, he? Rollenspielerscheißeroderwas? HalteteuchwohlfürBravehearts?“
Die anderen lachten. Einer warf mutig ein paar Worte ein: „HabteuchwohlinderZeitgeirrt!“
Ich verstand kein Wort. Mir war jedoch klar, daß die Kerle auf eine hitzige Antwort warteten, um loszuschlagen. Beinahe war mir leichter ums Herz. Endlich die Gelegenheit meiner verzweifelten Wut nachzugeben! Ein Kampf machte den Kopf wieder frei und klar. Er würde unsere Gemüter beruhigen. Ich zog mit einem Zug mein Schwert aus der Scheide. Verdammt! Ich sackte mit dem Oberkörper zusammen. Ein schmerzhafter Stich in der Seite zwang mich in die Knie! Wie sollte ich kämpfen, wenn mich womöglich andauernd Stiche quälten?
Calum und Gavin hatten ihre Schwerter fast gleichzeitig gezogen; sie stellten sich schräg rechts und links von mir auf. Eithne trat unwillig einen weiteren Schritt zurück.
Die Kerle beobachteten uns überheblich lächelnd, doch auf den Zügen von dreien konnte ich Unsicherheit erkennen. Sie hatten keine Schwerter. Dafür hatten sie andere Waffen, was beunruhigend war, denn ich kannte sie nicht. Der Anführer zog als erster eine Kette mit einem Stock daran aus seinem Obergewand. Die anderen holten ebenfalls Ketten und Knüppel aus ihren schwarzen, seltsamen Gewändern. Feindselig schlug sich der Kerl mit dem Stock auf die Handfläche. Warum begannen sie nicht einfach?
Da kam der erste Schlag. Ich war vorbereitet, doch nicht auf die Heftigkeit meiner Verletzung. Ich schaffte den Schlag abzuwehren, als bereits der Zweite folgte. Neben mir kämpften Calum und Gavin mit zwei der anderen. Ich riß mich zusammen, verdrängte den Schmerz und schlug zurück. Das Holz krachte laut, ich fühlte wie die Breitseite meines Schwertes auf dem weichen Arm meines Gegners landete. Der schrie auf. Ich holte ein weiteres Mal aus, schlug mit Wucht zu und traf erneut mit der flachen Schwertseite. Mein Gegner jaulte laut und wütend auf, während er seine schmerzende Schulter rieb.
Mit einem Mal erstarb der Kampf, und wir standen uns wie lauernde Wölfe gegenüber. Unsere Gegner hatten wohl nicht mit soviel Wut gerechnet. Allerdings waren auch sie nicht ohne Kampfgeist und sie hatten den Krieg begonnen. Wie durch einen Nebel nahm ich wahr, daß sich um uns herum eine Menschengruppe gesammelt hatte. Überrascht entdeckte ich sie. Die Füchsin! Sie stand abseits der Menschengruppe am Rand, nah genug um zusehen zu können. Ich wunderte mich. Wie fand ich jetzt die Zeit einen Menschen so aufmerksam wahrzunehmen. Wir sahen uns an und es ging mir durch Mark und Bein.
Flanna glaubte nicht was sie sah. Diese drei Kerle kämpften mit Breitschwertern! Eine unsichtbare Faust wütete in ihrem Magen. Woher kamen diese Leute? Das war doch Irrsinn! Sie mußte Runa anrufen, vielleicht wußte die Rat?
Verständnislos hob die Füchsin ihre Hände an die Lippen. Ich schaffte es mich abzuwenden, um mich wieder meinen Gegnern zu widmen. Merkwürdig! Nie bisher hatte ich Schwierigkeiten mich in meinen Gegner zu versetzen, diese Frau jedoch, die uns bereits das zweite Mal über den Weg lief und das trotz der Menschenmassen, warf mich vollkommen aus der Bahn.
Der Anführer fauchte uns an: „Scheißkerle! Warumverpisstihreuchnichteinfach soschnellihrkönnt! IchwerdeEuchnichtmehrschützen!“ er wendete sich seinen Leuten zu, holte mit dem Arm aus: „Losjetztmachenwirsiefertig! Allesisterlaubt!“
Wütend stürmten sie gleichzeitig auf uns zu. Von ehrenhaftem Kampf konnte nicht mehr die Rede sein. Ich drängte weiterhin meine Schmerzen zurück und hieb drauflos.
Ich schrie unseren Clansruf in den Himmel. „Wir sind die MacDougals!“
Calum und Gavin folgten meinem Ruf. „Wir sind die MacDougals!“ wir stürmten den Angreifern entgegen, schwangen mit Wucht unsere Schwerter.
Ich hatte es geschafft meine Schmerzen zu verdrängen, meine Gedanken voll auf den Kampf zu sammeln. Mein Schwert sauste mit ungeheurer Kraft auf den Arm meines Gegners nieder. Das harte Holz des Schlagstockes traf mich wuchtig an der Schulter.
Wieder schlug ich mit dem Schwert zu, bemühte mich, meinen Gegner so empfindlich zu treffen, daß dieser seinen Stock mit der Kette loslassen mußte, doch der Kerl hatte mehr Mumm in den Knochen, als ich dachte. Ein weiteres Mal sauste die Kette mit dem Stock herab. Meiner schnellen Auffassungsgabe verdankte ich, daß mich das Holz lediglich am Hals traf und nicht wie beabsichtigt am Kopf. Doch es war knapp gewesen. In meiner Wut spürte ich den Schmerz nicht mehr. Ich hatte das Gefühl ein Gewitter tobte in mir und entlud sich kraftvoll. Ich schleuderte meinem Gegner die ganze Erbitterung entgegen, die ich gegen die ungastliche Behandlung, den kühlen Empfang und unsere Verbannung durch Gemmán empfand. Diese Kerle, nicht älter als Calum wahrscheinlich, hatten es nicht besser verdient. Und trotzdem, mein Inneres hinderte mich daran, ihm das Schwert tödlich in den Körper zu stoßen. Ich hatte doch nichts gegen sie, warum ließen sie uns nicht in Ruhe?
Plötzlich hörte ich einen lauten Knall! Sogleich spürte ich einen heftigen Schmerz und wurde ein Stück zurückgeworfen. Etwas hatte mich jäh an der Schulter getroffen, wie ein Hammerschlag. Ein dunkelroter Fleck sammelte sich auf meinem Hemdsärmel. Ich suchte einen Pfeil, konnte jedoch keinen entdecken. Woher kam der Schmerz? Ich sah in die Augen meines Gegners und bemerkte den siegessicheren Ausdruck auf seinem Gesicht, ehe er ein schwarzes, handgroßes Stück Irgendetwas in sein Wams schob und seinen Gefährten hinterherlief, die flüchteten wie Hasen.
Ich hielt die Hand auf die blutende Wunde. Mit einem Mal war mir speiübel. Ich sackte nach hinten auf den Brunnenrand. Eithne bewahrte mich vor dem Sturz, ehe Calum und Gavin mich stützten.
Calum fragte bestürzt: „Was war das für ein Knall?“
Ich schüttelte unsicher den Kopf. „Mein Oberarm brennt wie Feuer!“
Die Leute waren inzwischen näher gekommen, drängten sich um uns, neugierig und schaulustig.
Sonderbar, so bemerkten sie uns doch. Ich ließ meinen Blick schweifen, um mich abzulenken. Da! Die Farben der MacBochras in der Menge! Die Füchsin? Schon war nichts mehr zu sehen. Ich suchte den Kreis nach ihr ab.
Ein schrilles Geräusch im Hintergrund wurde lauter, als käme es geradewegs auf uns zu. Es war unangenehm, den Körper durchdringend und rieb meine Nerven auf.
Ich sah die Leute wütend an. Unerwartet sprang Calum auf, fuchtelte wild mit seinem Schwert in der Luft herum und schrie: „Verschwindet! Wir haben euch nicht gerufen!“ er tat einen Ausfallschritt in ihre Richtung. „Grrar! Verschwindet, hab ich gesagt!“
Die Leute zuckten zusammen, traten zurück. Sie hatten sicherlich nicht die Worte verstanden, die Gebärde dafür um so besser. Schließlich zerstreuten sich einige wieder, doch andere blieben in sicherer Entfernung stehen.
Ich sah auf, unmittelbar in die hellbraunen Augen der Füchsin, die sich anscheinend durch Calum nicht hatte einschüchtern lassen. Sie tat ein paar Schritte auf mich zu. Gavin bemühte sich an die Wunde heranzukommen. Das laute Geräusch im Hintergrund zerrte weiter unnachgiebig an meinen Nerven. Konnte es nicht endlich schweigen!
Die Füchsin kam näher. Ich war verwirrt. Eben hatte ich die Farben der MacBochras auf der gegenüberliegenden Seite gesehen, wie konnte sie jetzt hier sein?
Calum sah sie wütend an: „Ich habe gesagt ihr sollt alle verschwinden, das gilt auch für dich!“ sagte er böse.
Ich schob die Hand von Gavin beiseite, da dieser sinnlos an meinem Hemd herumfingerte, ohne wirklich etwas zu erreichen. Sie sollte nicht verschwinden. Nicht die Füchsin!
Flanna wollte so gern mit ihm reden, doch sie traute sich nicht. Eine ungewisse Angst hinderte sie. Was wußte sie denn über diese Leute? Nichts, außer daß einer mit einer Streifschußverletzung am Brunnenrand saß und sie mit großen verwunderten Augen ansah. Und, daß sie ihn bereits einmal gesehen hatte und er ebenso verloren gewirkt hatte wie jetzt. Damals hatte sie sich geschworen ihn anzusprechen! Weshalb tat sie es nun nicht?
Ein grünweißer Wagen mit einem flackernden grell-blauen Licht auf dem Dach, fuhr ohne Umweg auf uns zu. Ich begriff, daß der unangenehme Ton und das Licht zusammengehörten. Ich richtete mich auf. Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf; wie wir alle vier von diesem Wagen und seinen Insassen eingefangen wurden und darauf hin zu Zwergen geschrumpft in einer dieser schwarzen kleinen Truhen gefangen gehalten wurden. Vermutlich fingen sie Fremde hier stets so ein, damit der Nachschub an Zwergen gedeckt war? Ich sah die anderen an und mir wurde klar, daß ihnen die gleichen Gedanken gekommen waren. Sie halfen mir auf.
„Wir müssen weiter.“ Ein letztes Mal sah ich die Füchsin an.
Überraschend lächelte sie und dieses Lächeln wärmte mich. Es war so herzlich, daß mir für wenige Augenblicke heiß wurde und weder die Kälte, noch der Schnee, der stetig fiel, oder meine Schmerzen mir etwas anhaben konnten. Es war widersinnig, doch ich fühlte mich durch dieses Lächeln für all die Härte der letzten Stunden entschädigt.
„Komm!“ drängte Gavin.
Mit einem eiskalten Schauer wurde ich mir plötzlich wieder der Gefahr bewußt, die uns bedrohte und ich sah ängstlich die grünweißen Wagen an, die lärmend nahten. Unerwartet erstarb das Geräusch. Während die Dinger unweit des Platzes hielten und ihnen grün gekleidete Männer entstiegen, klingelte das schrille Geräusch in meinen Ohren nach. Sie wirkten alles andere als freundlich oder einladend. Ich war sicher, daß nur die Flucht uns vor schrecklicherem bewahren konnte. Wohin sollten wir fliehen? Alles in mir drängte fortzulaufen. Ich spürte wie sich meine Nackenhaare Gefahr witternd aufstellten. Ich sah die Füchsin ein letztes Mal an, während sie irgendwie verloren am Rande der Menschengruppe stand und meinem Blick begegnete, als habe sie darauf gewartet, daß ich sie noch einmal ansehe. Trotzdem floh ich so schnell es mir möglich war in die entgegengesetzte Richtung.
Es war einfacher als ich dachte, denn die Menschen ließen uns ängstlich, bereitwillig durch die Reihen schlüpfen. Wir liefen in die dunkelste Gasse, die wir fanden; den wenigen Schatten nutzend, den diese bot. Hatte ich mich getäuscht? Hatte ich nicht. Ich war sicher die Farben der MacBochras in der Menge gesehen zu haben, nur kurz. Und es war nicht die Füchsin gewesen. Das Gefühl, daß uns jemand folgte, verließ mich nicht mehr.