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1.3Nachhaltigkeit als gesellschaftlicher Impetus

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Als Minimaldefinition kann Nachhaltigkeit mit Langfristigkeit gleichgesetzt werden. In der Managementliteratur wurde und wird oftmals noch Nachhaltigkeit als Ziel „langfristiger Überrenditen“ für ein Unternehmen definiert. Ein derartig reduziertes Verständnis begründet lediglich vordergründige Nachhaltigkeit. Unser heutiges Leben und Wirtschaften belastet die Zukunft. Der Klimawandel ist nur ein Beispiel für die Folgen unseres Handelns. Angesichts der Zerstörung von nicht regenerierbaren Ressourcen hat sich eine erweiterte Definition von Nachhaltigkeit durchgesetzt: heutiges Agieren darf nicht zu Lasten der zukünftigen Generationen erfolgen.

Das Weingut Prinz Salm nutzt in Postings einen Marketingbezug (Claim) auf mehr als 30 Generationen umfassende Weinmachkultur. Damit wird auf Nachhaltigkeit im grundsätzlichen Sinne der generationsübergreifenden Definition Bezug genommen. Die mehr als 800-jährige Unternehmensgeschichte der Familie Salm-Salm wird als Zeitraum kommuniziert, in dem Wissen und Erfahrung gesammelt, aber auch Werte gelebt wurden.


Der Winzer Karl-Heinz Wehrheim interpretiert die Übergabe des Familienweinguts auch in gleichartigem Bezugsrahmen nicht als Vermögensübergabe, er spricht von „… Verpflichtung, damit verbundene Werte für die zukünftige Generation zu erhalten“.

Die Wurzeln des Nachhaltigkeitskonzepts werden dem deutschen Forstwirt von Carlowitz zugeschrieben. Bereits 1713 forderte er, dass nicht mehr Bäume geschlagen werden als nachwachsen. Damit wurde einer ökonomischen Profitsteigerung unter ökologischen Aspekten Einhalt geboten und ein gesellschaftlicher Nutzen durch Vermeidung von Kahlschlag anvisiert. Ende des 20. Jahrhunderts rückten der Ressourcenverbrauch und -endlichkeit in den Vordergrund. Die Angst vor der Endlichkeit des Planeten wurde auch durch die Ölkrise und Hungerkatastrophen befeuert. Ein Bericht des Club of Rome wurde 1972 mit dem Titel „Grenzen des Wachstums“ veröffentlicht, der die Herausforderungen von Populationswachstum und eine Debatte über die Limitierung ökonomisch getriebener Handlungsweise initiierte. Ein weiterer Meilenstein bildete der Brundtland-Report der Vereinigten Nationen, der Nachhaltigkeit unter dem Aspekt der Sicherung einer Perspektive für alle Menschen auf der Welt als Handlungsmaxime fordert. Soziales Engagement hat sich parallel als eigenständiges Managementparadigma unter dem Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) etabliert. Hierbei stellt ein Unternehmen seine sozialen Aktivitäten in den Vordergrund.

Corporate Social Responsibility beschreibt ein freiwilliges, vom Unternehmen getragenes Sozialengagement. Betriebe setzen sich für soziale Aktivitäten ein, Mitarbeiter engagieren sich in gemeinnützigen Projekten, die Unternehmen fördern benachteiligte Gruppen oder finanzieren Projekte zur Steigerung der sozialen Gerechtigkeit.

1992 wurde beim Weltklimagipfel in Rio de Janeiro auf Klimapolitik fokussiert. Mit der „Friday for Future“-Bewegung zeigt sich der Wandel auch durch gesellschaftliche Aktivitäten. In wissenschaftlich unterstützter Darlegung der Handlungsnotwendigkeiten erfolgte eine Verankerung von ökologischem Handeln bei Unternehmen. Der in der Forschung zu Unternehmertum hierfür charakterisierende Begriff des „Ökopreneurs“ (Ecopreneur) wird in der Landwirtschaft anhand einer wachsenden Anzahl von Biobetrieben sichtbar. Sowohl die Ernährungsindustrie als auch damit verbunden die Landwirtschaft sind ein gewichtiger Gestaltungshebel bei der Verfolgung ökologischer Perspektiven. Das von der Bundesregierung kommunizierte Ziel einer Ausweitung der ökologischen Landwirtschaft auf mindestens 25% der Fläche bis 2030 erfordert weitere Umstellung deutscher Betriebe, da erst 10% an ökologisch bewirtschafteter Fläche überschritten wurden. Dies gilt auch für die Weinbranche, die hinsichtlich der ökologischen Flächenbewirtschaftung Aufholbedarf hat. Die EU ist mit dem richtungsweisenden „Green Deal“ und ambitionierten Zielen zur Minimierung ökologischer Auswirkungen in der landwirtschaftlichen Produktion Taktgeber. Nachhaltigkeit verbindet diese Handlungsorientierung als Dreiklang von Steigerung der ökonomischen Leistungsfähigkeit bei Sicherung von sozialer Gerechtigkeit und Wahrung der ökologischen Tragfähigkeit.

Nachhaltigkeit wird als Handeln definiert, bei dem heutige Aktivität die zukünftigen Generationen nicht belastet. Konkretisiert wird dieses Paradigma über eine permanente, parallele und synchronisierte Wahrung von ökologischen, sozialen und ökonomischen Zielen (Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit).

In Anwendung auf nachhaltige Unternehmensführung steht die ökonomische Seite für wirtschaftliche Stabilität und Leistungsfähigkeit, aber auch für Verlässlichkeit und langfristige Orientierung eines Unternehmens.


Abb. 3: Visualisierung des 3-Säulen-Modells der Nachhaltigkeit

Die soziale Dimension betrachtet, ob ein Unternehmen gute Arbeitsbedingungen, sichere Arbeitsplätze, faire Entlohnung bietet und gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Mit der ökologischen Perspektive wird verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen, umweltschonenden Technologien und umweltverträglichen Produkten Augenmerk geschenkt. Bei allen Wertschöpfungsaktivitäten sind die drei Säulen von Relevanz und Unternehmer sind gefordert, die sich ergebenden Implikationen ebenso wie Chancen zur Steigerung der Nachhaltigkeit zu gestalten.

Als Unterzeichner der Agenda 2030 hat sich die Bundesregierung verpflichtet, eine nachhaltige Entwicklung im eigenen Land voranzutreiben und diese durch Umbau von Strukturen sowie verändertes Denken und Verhalten umzusetzen. Hierzu wurden 17 gesellschaftliche Ziele vereinbart, die Nachhaltigkeit konkretisieren und einfordern.


Abb. 4: Die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (BMZ 2021)

Viele Branchen reagieren. So hat beispielsweise die BVE Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie einen Leitfaden zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) veröffentlicht. Auch für die Weinbranche wurde der Kodex handlungsorientiert hinterlegt. Jedes Unternehmen ist gefordert, gegebenenfalls unter Rückgriff auf die Leitfäden, einen aktiven Beitrag zu leisten. Die steigende Relevanz von Nachhaltigkeit manifestiert sich nicht allein in politischen Zielen oder Vorgaben und Leitfäden der Industrie.

Nachhaltigkeit spielt zunehmend bei Verbraucherinnen eine Rolle und beeinflusst die Kaufentscheidung. Entsprechend nutzt der Handel Nachhaltigkeit für Sortimentsentscheidungen. Neuseeland stellt Nachhaltigkeit sogar in den Mittelpunkt der Weinwerbung des gesamten Landes. Politik, Handel und Verbraucher fordern immer mehr Nachhaltigkeit, was die Produzenten fordert, aber auch fördern kann.


Abb. 5: Einfluss von Nachhaltigkeit auf Konsum in Deutschland (in Anlehnung an Handelsblatt 2020)

Die Politik kann Nachhaltigkeit nicht eigenständig sicherstellen. Die Herausforderungen liegen in der Komplexität, limitierter Durchdringung von Handlungsimplikationen, notwendiger Verhaltensänderungen und resultierenden Einschränkungen. Die Sicherstellung von Nachhaltigkeit ist eine langfristige, permanente und sich weiter entwickelnde gesellschaftliche Aufgabe, zu der jeder Einzelne und besonders auch Unternehmen beitragen müssen. Die in diesem Buch positionierte Zentralität von Nachhaltigkeit im strategischen Management fußt auf dem Verständnis, dass viele kleine Schritte hin zu mehr Nachhaltigkeit bedeutsam sind – sowohl von Betrieben als auch von jedem privat. Dabei ist die Verinnerlichung nachhaltigen Handelns nicht abhängig von der Größe eines Unternehmens, nicht von der Industrie und auch nicht von der Lebensphase eines Betriebs. Bestandsunternehmen müssen ihr Geschäftsmodell anpassen und auch bei Unternehmensgründung sollte Nachhaltigkeit nachdrücklich die Unternehmenskonzeption bestimmen. Aber auch Unternehmensübergaben oder -auflösungen müssen Nachhaltigkeitskriterien Stand halten.

Die heute weltweit bekannte Eiscrememarke Ben & Jerry´s wurde von den beiden befreundeten Namensträgern Ben Cohen und Jerry Greenfield 1978 in Burlington im US-Bundesstaat Vermont gegründet. Schon mit den ersten Eiscremekreationen haben die beiden Gründer ‒ bekennende Hippies ‒ das damals noch nicht bekannte Konzept der Nachhaltigkeit zentral verankert und umgesetzt. Als Produktionsstätte wurde eine Tankstelle umgewidmet. Ein Teil des Erlöses der eigens kreierten Eiscreme „Rainforest Crunch“ wurde wie der Name anklingen lässt in die Aufforstung der Regenwälder investiert. Als Vorreiter im Sinne von Corporate Social Responsibility konnte die damals unbekannte Marke im Wettbewerb mit den großen Eiscrememarken Akzente setzen, auch wenn offensichtlich primär intrinsische Bedürfnisse der Gründer Motivationsfaktor für soziales Engagement waren.

One Hope Wines wurde mit dem Anspruch gegründet, die Welt besser zu machen: „… selling wine on a mission to change the world. Disrupting the wine industry. Building a Force for Good“. One Hope Wines realisiert viele karitative Projekte.

Die beispielhafte Weingutsneugründung 17morgen bezieht sich in ihrer Gründungsphilosophie erkennbar auf Nachhaltigkeit mit einem „… Neustart … mit frischen, neuen Ansätzen, im Einklang mit der Natur.“

Nachhaltigkeit bewegt aber ebenso Betriebe mit langer Historie. In fünfter Generation kommuniziert das Weingut Meyer-Näkel:Nachhaltigkeit ist der Schlüsselbegriff unserer Generation, denn nur durch nachhaltiges Wirtschaften … können wir den Weinbau, die Weinkulturlandschaft und damit unsere Existenz und besonders auch die für zukünftige Generationen sichern!

Nachhaltigkeit kann auch aus intrinsischer Motivation heraus zur Neugestaltung von bestehenden Unternehmen oder zur Umsetzung neuer Geschäftsmodelle führen. Das Weingut Grünewald & Schnell lebt Nachhaltigkeit und hat als Vorreiter alle eignen Erfahrungen und Überlegungen auch für andere Weingüter zugänglich gemacht. Das gegründete Netzwerk Nachhaltiger Wein dient nicht kommerziellen Zwecken, sondern der Steigerung von Nachhaltigkeit und dem Vorleben nachhaltiger Unternehmensführung in der Weinwirtschaft.

Nachhaltigkeit ist eine notwendige Managementorientierung, aber gleichzeitig eine Herausforderung in der praktischen Umsetzung, wenn dieser Anspruch als betrieblicher Leitgedanke wirken und nicht in einem Marketingeffekt verkümmern soll. Die Umsetzung von nachhaltigem Unternehmertum ist entsprechend sowohl in der strategischen Ausrichtung zu verwurzeln als auch permanent in der operativen Umsetzung zu gewährleisten – eine ständige betriebliche und persönliche Herausforderung für Unternehmer.

Nachhaltiges Unternehmertum

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