Читать книгу Nachhaltiges Unternehmertum - Marc Dreßler - Страница 18
2.3.2Weinproduktion
ОглавлениеWeltweit wird mit ungefähr 260 Millionen Hektolitern mehr Wein produziert, als der durchschnittliche jährliche Konsum von 240 Millionen Hektolitern verbraucht. Aus einem Teil des Anbaus werden Weinnebenprodukte (z.B. Essig, Desinfektionsmittel)
hergestellt. Da in Deutschland aufgrund höherer Erträge pro Hektar mit der gegebenen Rebfläche mehr Wein produziert wird als in vielen anderen Ländern, platziert man sich mit durchschnittlich zwischen 8 und 10 Millionen Hektolitern bei der globalen Weinproduktion an neunter Stelle.
Abb. 15: Globale Rebflächen und Weinproduktion 2018 (Top 15) (DWI 2021)
Neben Stillweinen, die als Weiß-, Rot- oder Rosé-Wein produziert werden, ist die Sektproduktion ein maßgeblicher Produktionszweig. Sekt unterscheidet sich im Produktionsverfahren und in der das Produkt prägenden Kohlensäure („Schaumwein“). Weinmixgetränke (z.B. mit Säften oder Likören), mit hochprozentigen Alkoholen angereicherte Weine (Portwein- oder Sherry-ähnliche Produkte), Perlweine („halbschäumend“ – geringerer Kohlensäureüberdruck als beim Sekt) und weitere kreative Weinprodukte bereichern die Produktvielfalt von aus Trauben produzierten Getränken.
Die Weinproduktion beginnt in Anschluss an die von der Reifeentwicklung abhängige Weinlese im Herbst. Es schließt sich der Prozess des Kelterns an. Die Beeren werden entrappt (Trennen von Beere und Stiel) und zu Most gepresst. Hierbei gewinnt vornehmlich Rotwein bei einem längeren Kontakt des Saftes mit den Beerenhäuten an Farbe und charakteristischen Gerbstoffen (z.B. Tannine). Die alkoholische Gärung wird in Abhängigkeit vom Qualitätsanspruch und der Weinstilistik in vielen sich anschließenden Prozessschritten gestaltet. Hefen setzen die Gärung in Gang, ebenso mit Einfluss auf das Aroma des Endprodukts. Beim Weinausbau eröffnen verwendete Behältnisse in Material (z.B. Edelstahl, Holz, Beton, Kunststoff, Glas) und Größe („Barriquefässer“ mit 225 Litern Fassungsvermögen oder Edelstahltanks von auch mehr als 100.000 Litern Fassungsvermögen), Lagerdauer, Stabilisierung, Filtrierung und viele andere Aktivitäten Möglichkeiten zum Weindesign. Besonders der Einsatz von Holz (Holzart, Provenienz der Hölzer, Toasting) oder der Verschnitt von mehreren Weinen in eine Cuvée erfordert Kompetenz und Geschick, um außergewöhnliche, gewinnende Weine zu kreieren. Im letzten Produktionsschritt werden die fertigen Weine abgefüllt. Neben den charakteristischen 0,75 oder 1-Liter Glasflaschen werden auch großformatige Flaschen oder andere Gebindearten (z.B. Bag-in-box) verwendet. Mit der Etikettierung wird sowohl die Marke herausgestellt als auch den rechtlichen Anforderungen an Produktinformationen (z.B. Herstelleridentifikation, Alkoholdeklaration, Allergene) entsprochen.
Trotz einer gleichartigen Produktionsabfolge, die lange erprobt und auch über die Technologien bestimmt wird, unterliegt der Weinausbau Trends und Veränderungen. Die Digitalisierung hält ebenso im Keller Einzug, neue Ansätze werden erprobt und kreative Überlegungen befruchten permanente Produktweiterentwicklung. Der jüngst beobachtbare Trend zu Naturweinen entspricht einer Rückbesinnung auf eine Produktion mit alten Produktionsmitteln (z.B. Tierhäute oder Amphoren) und minimalistischem Eingriff. Hieraus entstehen auch neuartige Weinprodukte, was sich beispielsweise in Natur- oder „Orange-Weinen“ offenbart, die durch eine längere Maischestandzeit von Weißweinen eine charakteristische und namensgebende Farbgebung zur Folge hat.
Die Produktionsschritte sind betriebswirtschaftlich von Relevanz. Neben Investition in den Anbau, zur Produktion notwendiger Infrastruktur oder Kauf von Traubengut ist hervorzuheben, dass viele Weine eine Reifezeit bedingen, so dass der monetäre Umsatz durch einen Verkauf erst mit Verzögerung und weitreichender Vorleistung durch die Produzenten erfolgt. Subskription bezeichnet den Vorverkauf von nicht vollends produzierten Weinen, was besonders für hochwertige Bordeauxweine eine charakteristische Vermarktung darstellt.
Drei Erzeugermodelle sind für die deutsche Weinproduktion charakteristisch:
Unabhängige Winzer, die vornehmlich die gesamte Wertschöpfung vom Anbau über die Produktion bis hin zur Vermarktung abdecken oder sich auf Trauben- oder Fassweinproduktion konzentrieren.
Genossenschaftlich organisierte Produzenten, die ihre Trauben an die zugehörige Genossenschaft abliefern, die die gemeinschaftliche Produktion und Vermarktung übernimmt.
Kellereien, die Trauben oder Fassweine kaufen und hieraus Weine produzieren und vermarkten.
In Deutschland wird die Weinproduktion jeweils zu ungefähr einem Drittel von unabhängigen Winzern, Genossenschaften und Kellereien verarbeitet, wobei die Erzeugeranteile nach Weinregionen stark differieren. Während die Stillweinproduktion durch eine Vielzahl von kleineren Produzenten mit mehr als 10.000 Anbietern charakterisiert wird, zeigt sich die Sektproduktion in Deutschland stark konzentriert. Bei Sekt kann ein Produzent (Rotkäppchen-Mumm) mehr als die Hälfte des Marktanteils für sich beanspruchen, obwohl mehr als 1.000 Produzenten aktiv sind.
Abb. 16: Schematische Darstellung der Erzeugerstruktur von Wein in Deutschland
In Deutschland unterliegt die Weinproduktion wie auch die gesamte Landwirtschaft einem massiven Strukturwandel. Seit 1980 hat sich die Anzahl der Erzeuger mehr als halbiert. In diesem Verdrängungsmarkt sind aber auch stark wachsende Betriebe und Neueinsteiger aktiv und es werden zunehmend, neue innovative Geschäftsmodelle realisiert, was sich auch in Verschiebungen in der klassischen Wertschöpfungskette zeigt.
Mutige Neugründungen von Weingütern sind zahl- und facettenreich, was charakterisierende Geschichten erlaubt. Praxisbeispiele reichen von kapitalintensiven Gründungen mit beeindruckenden Neubauten wie Chat Sauvage im Rheingau oder einer aufwändigen Revitalisierung von herrschaftlichen Gebäuden und Historie (Château Schembs, Griesel & Cie.), über Start-up-charakteristische und obligate „Garagengründungen“ (z.B. Garagenweingut Betz) bis hin zu Neugier auslösenden Geburtsstätten neuer Weingutsideen ‒ die Shelter Winery wurde beispielsweise in einem Bunker auf einem verlassenen Flughafen hinter Beton und Stahltür gestartet.
In aufstrebenden Weinbaunationen zeigt sich der Weinbau dynamisch wachsend, wie beispielhaft in Neuseeland mit 16% Zunahme der Weinbaufläche in den letzten 10 Jahren. Wachstum bietet Perspektive für Neueinsteiger und Weingutsgründer ‒ die Anzahl von Weinerzeugern im US-Bundesstaat Oregon hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als versechsfacht.
Die Emotionalität des Produkts und die Naturverbundenheit von Wein, aber auch die Komplexität und damit verbundene Gestaltungsmöglichkeiten motivieren in der Weinwelt etablierte Winzer ebenso wie Quereinsteiger. Die Branche profitiert von Tradition und generationsübergreifendem Erfahrungsaustausch ebenso wie von neuen Ideen und Kreativität.
Als Naturprodukt mit langer Tradition und charakteristischer generationsübergreifender Betriebsexistenz der Erzeuger wird bei der Weinproduktion oftmals ein hohes Niveau an Nachhaltigkeit vermutet. Da die landwirtschaftliche Produktion, insbesondere die Produktion von Wein, mit dem Verbrauch natürlichen Ressourcen (z.B. Wasser für Reinigungsprozesse, Energie für die Produktion) einhergeht, bedingen die produktionsseitigen Herausforderungen wie auch in anderen Branchen eine intensive Auseinandersetzung mit den Nachhaltigkeitskriterien und deren Erfüllung.