Читать книгу Nachhaltiges Unternehmertum - Marc Dreßler - Страница 19
2.3.3Weinvermarktung
ОглавлениеDie Wege des Weins vom Erzeuger zum Konsumenten sind vielfältig. Primäre Absatzwege sind die Direktvermarktung der Erzeuger (z.B. „Ab-Hof-Verkauf“, weingutseigene Vinothek oder ein eigenständiger Online-Shop), eine Einschaltung von Absatzmittlern (z.B. Weinfachhandel, Lebensmitteleinzelhandel, Großhandel), die Gastronomie und der Export.
Auch wenn die Direktvermarktung bei den deutschen Winzern historisch verwurzelt und noch heute relevant ist, hat vor allem der Handel eine dominierende Rolle zur Absatzkanalisierung übernommen. Steigende Mobilität, der Wunsch nach Bequemlichkeit und zunehmender Zeitmangel haben das Einkaufsverhalten verändert, von dem der großflächige Handel profitiert. Der Handel ermöglicht einen umfangreichen Warenkorb mit einer Einkaufsaktivität (One-Stop-Shopping), so dass Zeit und angesichts niedriger Verkaufspreise auch Geld gespart werden kann. Einen gewichtigen Hebel bilden hierbei die Anzahl der Einkaufsstätten. Deutschland ist ein Paradies für die Verbraucher, denn neben Österreich weist man die höchste Dichte an Verkaufsstellen auf. Weinartikel machen im Durchschnitt nur 2 bis 3% vom Umsatz des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) aus. Dennoch ist diese Warenkategorie durch ihren Einsatz als Werbeprodukt im Gesamtsortiment des LEH von großer Bedeutung, um Kunden zum Besuch der Einkaufsstätte zu motivieren. So werden in manchen Weinabteilungen über 500 verschiedene Weine geführt. E-Business Angebote werden sich weiter durchsetzen. Der Kategorie Nahrungs- und Genussmittel wird beim E-Commerce enormes Wachstum prophezeit. Neben einem Verkauf im Rahmen von Handelsplattformen der großen Discounter und LEH-Konzerne (z.B. REWE Abhol-, Liefer-, Paketservice, Lidl-Weinwelt) haben sich Online-Angebotsplattformen des Weinfachhandels mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen auf Wein konzentriert (z.B. Hawesko, Vicampo, WirWinzer, Wine in Black etc.). Der Weinfachhandel, der traditionell stationär über ein reichhaltiges, internationales Angebot in Kombination mit kompetenter, individueller Beratung positioniert ist, sieht sich zunehmend der Konkurrenz der LEH und Discounter ausgesetzt. Die Online-Vermarktung über eine eigene Website – mit oder ohne Online-Shop – ist für Weingüter ein wichtiges Medium zur Kundenbindung und Kundenneugewinnung geworden.
Abb. 17: Schematische Darstellung der Weinvermarktung in Deutschland
Wein ist in der Gastronomie ein Sortimentsbestandteil mit beträchtlichem Beitrag zur Wertschöpfung, da Weine mit einem ansehnlichen Aufschlag auf den Wareneinsatz (Faktor 3.8 bis 4.5) kalkuliert werden. Eine Präsenz von ausgewählten oder regionalen Weingütern auf der Weinkarte kann für Gastronomen ein Hebel zur Profilierung bilden. Die Gastronomie ist für Weinerzeuger neben hiermit verbundenem Absatz auch wegen der Multiplikator-Funktion von Interesse, da die Weine über Sommeliers oder auch die Gastronomen begleitend kommuniziert werden und die Markenwahrnehmung gesteigert wird. Eine Weingutsempfehlung in der örtlichen Gastronomie fördert die regionale Verbundenheit und Erzeuger können ihren Direktabsatz steigern sowie Neukunden gewinnen, wenn Restaurantgäste das Weingut für einen Weinkauf aufsuchen.
Werden Weinerzeuger in der Gastronomie angepriesen, dann wirkt die Multiplikatorfunktion überregional. Beispielsweise hat die Sansibar auf Sylt sich mit einem Weinclub zu einem Online-Handel entwickelt.
Entsprechend synergetisch wirken Tourismus und Wein. Weinproduktion prägt die Landschaft, bestimmt Destinationsentscheidungen im Falle von Weintouristen und steigert die Wertigkeit einer Region. Durch Tourismus gewonnene Besucher sind potenzielle Kunden für die Weingüter.
Abb. 18: Historische Weinpreisliste aus 1896 von Berry Bro´s & Co. (Diaz 2017)
Der deutsche Wein galt im internationalen Wettbewerb als renommierteste Weinbauregionen. An diese historische Position konnte mit einer längeren Exportphase von günstigen und süßen Weinen (z.B. „Liebfrauenmilch“) nicht angeknüpft werden. Ein jüngst steigender Absatz und steigende Preise für deutsche Weine sprechen für eine wieder erstarkte Qualitätswahrnehmung.
„I can testify that German wine has an awful lot to offer the more open-minded drinker. From austere, slatey rieslings to herby, delicate pinot noirs, as well as the tangy, aromatic sweeties which many of us associate with the country, …“. Cloake 2010.
Internationaler Weinhandel hat einen beeindruckenden Boom erlebt. Mit einem grenzüberschreitenden Weinhandel von über 105 Millionen hl wurden innerhalb von 10 Jahren 75% mehr an Wein international abgesetzt, der Warenwert hat sich verdoppelt. Mit den Wachstumsraten des globalen Weinhandels konnte der Export deutscher Weine nicht Schritt halten. Zwar weist die Exportstatistik für Deutschland einen Export von über 3,5 Mill. hl aus, davon sind aber nur ca. 1 Mill. hl deutsche Weinerzeugnisse. In Hochphasen (z.B. 2008/09) deutschen Weinexports wurde mehr als das doppelte Volumen exportiert.
Die Vermarktungsstrukturen sind in den Weinbauländern sehr unterschiedlich. Obwohl die großen Weinproduzenten global agieren, ist die Weinbranche weiterhin wenig konzentriert. Dennoch kann ein Weinkonzern der Familie Gallo mit Sitz in Kalifornien geschätzt zwischen 3 und 5% des weltweiten Marktes auf sich vereinen.
Marktanteil als Maß für die Anbieterkonzentration: Die Wirtschaftswissenschaften unterscheiden Monopolmärkte (ein Anbieter dominiert das Angebot), Oligopole (wenige Anbieter haben gemeinsam eine marktbeherrsche Stellung) und Polypole (viele Anbieter bei geringer Konzentration). Marktaufsichtbehörden (z.B. Bundeskartellamt) können Übernahmen von Konkurrenzunternehmen oder Fusionen von Anbietern untersagen, wenn eine Wettbewerbsverzerrung wegen Marktdominanz und somit die Gefahr eines Missbrauchs einer Anbieterposition (z.B. Monopolpreise) in einem relevanten Markt droht. Die zwei wesentlichen Beurteilungskriterien sind hierbei die Anzahl der Wettbewerber und deren Marktanteil (prozentualer Anteil am Marktvolumen).
Abb. 19: Schematische Übersicht Wein-Export und -Import Deutschland 2018 (auf Basis DWI 2021)
Da Wein emotionalen Nutzen stiftet, ist bei der Vermarktung die Reputation des Anbieters bzw. die Marke von großer Bedeutung. Diese Reputation ist wiederum ein komplexes Zusammenspiel von individueller Markengestaltung (Produzent) und gemeinschaftlicher Reputation (z.B. Produktionsland aber auch Weinbauregion oder auch lokale Herkunft). Nachhaltigkeit nimmt im Markenmanagement zunehmend Raum ein. Sowohl das steigende Kundenbewusstsein als auch die zunehmende Entscheidung einer Listung (i.e. Voraussetzung, als Lieferant ausgewählt zu werden) des Handels auf Basis der Nachhaltigkeit wirken als Treiber für nachhaltige Weinerzeugung und hiermit verbundene Markenpositionierung.
„Immer mehr Verbraucher wollen ökologisch und sozial verantwortlich konsumieren. Der Einzelhandel stellt sich diesen Kundenwünschen mit einer verantwortlichen Produkt- und Sortimentsgestaltung. Sortimente aus Bio- und fairem Anbau werden inzwischen von allen Vertriebsformaten angeboten. Transparenz über die Herkunft und Produktionsweise der Produkte spielt für die Verbraucher eine immer größere Rolle. “Handelsverband 2021