Читать книгу Zeitfunk - Lusitania never happened - Marc Renz - Страница 12

Samstag, 8. Mai 1915, Liverpool
Ankunft in England

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Bereits um halb sieben heute Morgen sind sie in Liverpool eingelaufen. Kapitän Turner sieht auf seine Taschenuhr. Es ist gerade 15 Minuten nach elf. Alle Passagiere sind von Bord, und mittlerweile werden die Frachtdecks geleert. Eine endlos lange Kolonne von Lastwagen steht auf der Pier und übernimmt die Ladung. Ein nicht unerheblicher Teil dessen, was aus dem Schiff gehievt und getragen wird, sind schwere Holzkisten, die direkt auf Militärlastwagen verladen werden. Laut Frachtpapieren handelt es sich um Munition für Jagdwaffen und Sportgewehre. Ob das britische Militär so viele Jäger hat?

Offiziell dürfen keine Kriegswaffen aus den USA nach England exportiert werden. Einer bürokratischen Lücke ist es allerdings zu verdanken, dass Munition für Jagdwaffen ausgeführt werden kann. Nichts anderes steht in den Frachtpapieren. Es sind etliche große Transportkisten darunter, die sehr schwer zu sein scheinen. Nur jeweils eine davon wird auf die Mitte der Ladefläche der Thornycroft-Laster gestellt. Sie werden direkt vom Schiffskran hinübergehoben. Turner will nicht wirklich wissen, was sich in den Kisten befindet. Er hat direkt von der Admiralität Befehl, kriegswichtige Güter nach England zu bringen. Trotz diesen Wissens gibt es eine strikte Anordnung, die Kisten weder zu öffnen noch anderweitig von seiner Mannschaft inspizieren zu lassen. Obwohl es nicht seine erste Fahrt im geheimen Auftrag der britischen Admiralität ist, war ihm schon bei der Übernahme der Ladung in New York nicht wohl zumute. Er ist froh, die Kisten wieder los zu sein. Hoffentlich sind die Löscharbeiten rasch erledigt. Sobald die Frachtpapiere nicht mehr auf seiner Lusitania sind, ist es auch nicht mehr seine Verantwortung, was er transportiert hatte. Kaum auszudenken, was passieren würde, bekämen die Deutschen Wind von solchen Aktionen. Zwar fährt die Lusitania seit geraumer Zeit unter neutraler amerikanischer Flagge, trotzdem wäre sie, käme die Wahrheit über die Fracht ans Licht, zweifelsfrei ein Blockadebrecher. Die Deutschen hätten jedes Recht, das Schiff mit ihren U-Booten anzugreifen und sogar zu versenken.

Die RMS Lusitania wurde bereits zu Beginn des Krieges der britischen Admiralität unterstellt und am 17. September 1914 als bewaffneter Hilfskreuzer in das britische Flottenregister aufgenommen, aber nie mit Bordwaffen ausgestattet. Schon 1907 wurden allerdings Vorbereitungen für die Installation von zwölf 6-Zoll-Schnellfeuergeschützen (vier auf dem Promenadendeck und acht auf dem Shelterdeck) getroffen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Kriegsbedingt reduzierte sich bereits die Mannschaft an Bord. Seit Ausbruch des Krieges heuerten 25 Vollmatrosen und 45 Stewards nicht mehr an. Was an Personal übrig geblieben ist, ist alles andere als eingespielt. Insgesamt wurde die Mannschaftsstärke in den letzten Monaten von der Admiralität um 258 Mann reduziert! 83 davon allein in den Maschinenräumen. Mangels Heizern können seit Ende vergangenen Jahres nur noch drei von vier Kesseln gefahren werden. Der vordere ist komplett stillgelegt. Das spart zwar bei jeder Überfahrt 1.600 Tonnen Kohle, hat aber zur Folge, dass die Höchstgeschwindigkeit von 26 auf 21 Knoten und die Reisegeschwindigkeit von 24 auf 18 Knoten verringert ist.

Diese Entwicklung macht Kapitän Turner Sorgen. In letzter Zeit häufen sich nämlich die Meldungen von deutschen Unterseebooten in den Gewässern rund um die britischen Inseln. Die Deutschen versenken immer mehr Schiffe, die den Atlantik überqueren. Vor allem langsam fahrende Frachter. Dem Kapitän ist die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Er ist froh, dass diese Überfahrt wieder einmal ohne wirklich kritische Zwischenfälle gut gegangen ist.

»Herr Kapitän. Sir, eine Abordnung der Royal Military Police«,

wird er aus seinen Gedanken gerissen.

Sein zweiter Wachoffizier, John McAlister, kündigt Besucher auf der Brücke an. Er erwartet zwar Besuch von der Polizei, obgleich nicht unbedingt von der Militärpolizei.

Keine vier Stunden nach dem Auslaufen in New York hatten sie nach London telegrafiert und gemeldet, drei verdächtige Personen festgenommen zu haben. Pünktlich um 12:20 Uhr hatten sie vergangenen Samstag, es war der 1. Mai, in New York die Leinen losgemacht und stachen in See. Das Wetter war für die Jahreszeit etwas zu kalt. Es lag ein leichter Nieselregen in der Luft und es war fast windstill gewesen. Die Passagiere hielten sich zumeist in den Salons oder in ihren Kajüten auf. Einige wenige wohnten den vorgeschriebenen Rettungsboot-Übungen, die McAlister leitete, als Zuschauer bei. Bei der heiklen Fracht und der unsicheren Lage auf dem Atlantik ließ Turner die Schiffswachen trotz Mangel an Matrosen verdreifachen. Die Ruhezeiten seiner Mannschaften wurden entsprechend verkürzt. Drei mobile Posten waren angehalten, jeweils zu zweit vorgeschriebene Routen im Schiff und an Deck abzugehen. Dabei, so lautete die Order, war auf dem Schiff Ausschau nach sich auffällig verhaltenden Passagieren zu halten. An Deck, speziell in Küstennähe, war der Blick auch auf den Horizont und das Wasser zu richten, um eventuell aufgetaucht fahrende Unterseeboote zu sichten. Zwar war der eigentliche Ausguck rund um die Uhr mit zwei Mann besetzt, allerdings lag deren Gesichtsfeld und Augenmerk hauptsächlich vor dem Schiff. Ihre Aufmerksamkeit galt vorwiegend schwimmenden Hindernissen in Fahrtrichtung.

Zwei der Posten gingen jeweils in Uniform, ein Posten zog sich in Zivilkleidung um, um in den Salons und Passagierräumen nicht für unnötiges Aufsehen zu sorgen. Kurz nach dem Auslaufen in New York meldete einer der patrouillierenden Wachposten tatsächlich drei verdächtige Männer an die Brücke. Sie wurden kurz nach den Rettungsübungen im Laderaum 2 des Schiffes von einer der patrouillierenden Posten aufgegriffen, als sie mit einem Fotoapparat hantierten. Für Passagiere sind die Laderäume gesperrt. Entsprechende Verbotsschilder und Warnhinweise sind an allen Türen zu den Frachträumen angebracht.

Wie sich herausstellte, besaßen alle drei keine Billetts für die Lusitania! Bei der späteren Aufnahme ihrer Personalien schwiegen sie beharrlich. Kapitän Turner handelte entschlossen und gemäß seinen Richtlinien. Blinde Passagiere sind in den dafür vorgesehenen Arrestzellen festzusetzen und am nächsten Hafen den zuständigen Behörden zu übergeben. Er wies Mr. Dunn, seinen ersten Wachoffizier an, entsprechende Meldung noch von hoher See aus nach London zu telegrafieren, damit in Liverpool entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden konnten.

Zwei in Zivil gekleidete Herren und mit ihnen fünf mit Karabinern bewaffnete Soldaten der Militärpolizei betreten die Brücke der Lusitania. Die Uniformierten salutieren. Einer der zivil gekleideten Männer schreitet auf Kapitän Turner zu und streckt ihm die Hand entgegen.

»Herr Kapitän, Captain Henry Preston, MI6 vom Secret Service Office in London. Das ist mein Kollege, Second Lieutenand Millington.«

»Angenehm meine Herrn, Turner mein Name« begrüßt er seine neuen Gäste an Bord. »Das sind Mr. Dunn, erster Wachoffizier, und Mr. McAlister, unser zweiter Wachoffizier«, stellt er seine anwesenden Offiziere vor. »Seit wann holt der Geheimdienst blinde Passagiere ab?«, will er von Preston wissen.

Dieser erklärt, es gäbe seit geraumer Zeit Hinweise auf Aktionen des deutschen Geheimdienstes auf britischen Schiffen.

»Dies fällt in unseren Zuständigkeitsbereich, Sir«, erklärt er.

»Mister Dunn, übergeben Sie bitte die Papiere an den Captain und begleiten Sie die Herren hinunter zu den Arrestzellen«, weist er den ersten Wachoffizier an.

Mr. Dunn reicht Captain Preston die Papiere, die er bereits vor Tagen in ein Kuvert verpackt hat. Enthalten sind ein Protokoll der Festnahme sowie die spärlichen und widersprüchlichen Aussagen, die die drei Schwarzfahrer machten. Alle drei gaben sich als Belgier aus, haben jedoch einen starken deutschen Akzent. Die Sache ist alles andere als geheuer.

Etwa zwanzig Minuten später beobachtet Kapitän Turner zusammen mit Mr. McAlister, wie die Polizisten das Schiff verlassen. Die drei Gefangenen werden in Handschellen von je einem Uniformierten die Gangway hinuntergeführt. Davor und dahinter geht jeweils ein Soldat mit der Waffe im Anschlag. Am Kai stehen vier Fahrzeuge und noch mehr Soldaten. Die Gefangenen werden auf einen der wartenden Thornycrofts verladen, die beiden Agenten besteigen einen Personenwagen. Die kleine Wagenkolonne setzt sich in Richtung Stadt in Bewegung. Nach wenigen Augenblicken entschwindet sie den Blicken der Männer auf der Brücke.

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