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Samstag, 8. Mai 1915, Keltische See
Auf Feindfahrt

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Kapitänleutnant Walther Schwieger ist auf Hochtouren. Seit vier Tagen jagen sie nun schon mit ihrem U-Boot in den Gewässern südlich von Irland. In den vergangenen drei Tagen haben sie fast 12.000 Bruttoregistertonnen an Schiffsraum versenkt! Zwei Frachter, die Candidate mit 5.858 Tonnen und die Centurion mit 5.945 Tonnen sowie ein Segler, die Earl of Lathom mit 132 Tonnen, sind ihnen direkt vor die Torpedos gefahren. Wenn es so weitergeht, läuft der Krieg in die richtige Richtung. England und die Seeherrschaft – das war vorgestern!

Gestern Nachmittag kurz nach 14 Uhr kreuzte dann noch ein ganz dicker Brocken fast direkt vor der Nase auf. Leider ein Passagierdampfer. Ausdrücklich hat Schwieger Befehl vom FdU, dem Führer der U-Boote, keine Passagierschiffe anzugreifen. Wer weiß, was die geladen haben, vermutlich sind die vollgestopft mit Waffen und Munition, die die Amerikaner über den Atlantik nach England schmuggeln. All dies wird dann auf den Schlachtfeldern Frankreichs gegen die deutschen Landser eingesetzt, die elendig daran krepieren. Eine Schande ist das in Anbetracht der Hungerblockade, die die Engländer seit ein paar Monaten auf der Nordsee gegen das Deutsche Reich errichtet haben.

Es war die RMS Lusitania, die da gestern an ihnen unbehelligt vorbeizog. Ein prächtiges englisches Linienschiff der Cunard Line. Laut Schiffsregister hat sie 31.500 Bruttoregistertonnen und ist zugelassen für bis zu 2.165 Passagiere! Dazu dürfte sie mit einer Ladekapazität aufwarten, die so manch einen Frachtdampfer alt aussehen lässt. Mit einer Länge von 239 Metern ist sie eines der größten Passagierschiffe, das die Menschheit je gesehen hat! Nur die Britannic und die Justica sind noch etwas größer – beide wurden auch erst vergangenes Jahr in Dienst gestellt.

Ganz langsam war die Lusitania an der Küste entlanggeschlichen. Wie leicht hätte man sie ausschalten können. Unter Volldampf macht sie über 26 Knoten! Viel zu schnell für ein U-Boot, das bei voller Fahrt auf höchstens 14 Knoten kommt. Offensichtlich stehen momentan nur drei Kessel unter Dampf, aus dem ersten Schornstein kam kein Rauch. Wahrscheinlich wurde die Besatzung reduziert und ist auf englischen Kriegsschiffen eingesetzt. Oder die Cunard Line will ganz einfach Kohle sparen. Aber auch unter drei Kesseln, schätzt Kapitänleutnant Schwieger, dürfte sie wenigstens noch so um die 20 Knoten machen. Welch eine Gelegenheit! Aber Befehl ist eben Befehl.

Gestern Morgen wollte Kapitänleutnant Schwieger eigentlich schon den Heimweg antreten. Es herrschte dichter Nebel und es befindet sich ohnehin nur noch einen Torpedo an Bord. Gegen elf Uhr (deutscher Zeit) klarte es dann aber doch noch auf. Allerdings wurde U 20 von einem plötzlich querenden englischen Zerstörer zum Tauchen gezwungen. Der kam wie aus dem Nichts. Kurze Zeit später fuhr er über das Boot hinweg. Den Schraubengeräuschen nach zu urteilen hätte es auch ein kleiner Kreuzer sein können. Ob die Engländer das U-Boot entdeckt hatten? Um 13:45 Uhr gab Schwieger schließlich Befehl zum Auftauchen. Gegen 14:20 Uhr sichteten sie dann von der Brücke aus vier Schornsteine und zwei Masten. Das Schiff hielt Kurs auf Galley Head, das an der südwestlichen Spitze Irlands liegt. Um 14:35 Uhr machte der Dampfer, den der erste Offizier mittlerweile als die Lusitania identifiziert hatte, eine Kursänderung nach Steuerbord und steuerte in Richtung Queenstown. Sie folgten dem Schiff eine Zeit lang in einer halben Seemeile Entfernung. Dann lief es ihnen aus. Mit etwas Glück wurden sie vom Ausguck des Dampfers nicht bemerkt. Und wenn schon, wer wollte einem U-Boot hier draußen etwas anhaben?

Gestartet war Schwieger mit seinem Boot vor einer Woche, am 30. April 1915 vom Marinestützpunkt in Emden. U 20 befindet sich bereits auf seiner 15. Feindfahrt! Er selbst ist seit dem 16. Dezember letzten Jahres Kommandant des Bootes. Am 25. April gab der FdU an die beiden in Emden stationierten Unterseeboote U 20 und U 27 folgenden Einsatzbefehl aus:

»Große englische Truppentransporte zu erwarten, ausgehend von Liverpool, Bristol-Kanal, Dartmouth. Zur Schädigung dieser Transporte sollen die beiden U-Boote möglichst bald auslaufen. Stationen auf schnellstem Wege um Schottland aufsuchen, innehalten, solange die Vorräte dies gestatten. Boote sollen angreifen: Transporter, Handelsschiffe, Kriegsschiffe.«

Nachdem nun seit gestern Nachmittag, nach der kurzen Begegnung mit dem englischen Zerstörer und der Lusitania, nichts wirklich Aufregendes mehr passiert ist und am Abend auch wieder dichter Nebel aufgezogen ist, hat Kapitänleutnant Schwieger noch in der Nacht Befehl gegeben, Kurs auf den Heimathafen zu nehmen. Der Stimmung an Bord gab dies sofort kräftig Auftrieb.

Wegen der Dover-Sperre müssen sie die Heimfahrt allerdings durch die Irische See und nördlich über Schottland in die Nordsee antreten. Seit Mitte April untersagt der FdU die Passage für U-Boote durch den Ärmelkanal, nachdem die Engländer neben dem Minenfeld auch noch Unterwassernetze aufgespannt haben.

Trotzdem, mit etwas Glück sollten sie am 13. oder spätestens am 14. Mai wieder in Emden sein. Und vielleicht bekommen sie ja auf der über 1.500 Seemeilen langen Heimfahrt noch etwas Lohnenswertes vor die Torpedorohre.

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