Читать книгу Zeitfunk - Lusitania never happened - Marc Renz - Страница 13
Samstag, 8. Mai 1915, nachmittags, Liverpool
Das Verhör
ОглавлениеCaptain Henry Preston und sein Kollege, Second Lieutenand George Millington, treffen zusammen mit den drei festgenommenen Schwarzfahrern von der Lusitania um die Mittagszeit in der Dienststelle des MI6 in Liverpool ein. Sir George Mansfield Smith-Cumming, der Direktor der Auslandsabteilung des Secret Service, hat in allen größeren Hafenstädten im In- und teilweise auch im Ausland solche Dienststellen einrichten lassen. Eigentlich sind es nicht viel mehr als geräumige, leerstehende Wohnungen. Ausgestattet mit einem Telefon, einem eigenen Telegrafen und einigen weiteren nützlichen Dingen, die einem Agenten das Leben enorm erleichtern können.
Die Gefangenen werden in getrennten Zimmern von jeweils zwei Militärpolizisten bewacht. Es ist halb sechs abends, und Millington ist bereits seit über vier Stunden dabei, die drei Verdächtigen zu befragen. Henry Preston führte derartige Befragungen zwar ebenfalls schon öfters durch, aber er mag sie nicht. Millington, der wie ein Terrier nicht locker lassen kann, mag sie dafür umso lieber. Er ist der Mann fürs Grobe. Das hat Henry Preston bereits von Anfang an herausgefunden. Ein Unsympath ist er obendrein. Egal. Preston ist es recht, solange es der Sache dient.
Der Anfangsverdacht erhärtete sich tatsächlich. Die drei Festgenommenen sind augenscheinlich deutsche Agenten und waren mit dem Auftrag unterwegs, auf der Lusitania Fotografien von an Bord befindlichen Waffen zu machen. Millington benötigte für die diesbezügliche Aussage der Verdächtigen kaum eine Stunde.
Viel interessanter aber ist die Tatsache, dass sie auch den Auftrag hatten, diesen Professor Campbell zu überwachen. Preston wurde vergangene Woche von Sir Mansfield Smith-Cumming, kurz C genannt, persönlich mitgeteilt, dass ein Professor Campbell mit der Lusitania nach England kommen und nach Frankreich weiterreisen würde. Offensichtlich soll er sehr wichtige wissenschaftliche Informationen für das französische Militär im Gepäck haben. Ausdrücklich wurde darum ersucht, dass dem Professor bei der Reise durch das Vereinigte Königreich nichts zustoßen dürfe.
Preston hat eigens zwei seiner Männer auf ihn angesetzt. Sie beschatten den Professor unauffällig und dürften mittlerweile zusammen mit ihm auf dem Weg nach Folkestone sein. Wenn alles gut läuft, setzt Campbell heute Abend um 19 Uhr mit der Sussex nach Frankreich über, und der Einsatz für den MI6 ist damit am Hafen in Folkestone beendet. Nun könnte sich die Sache allerdings doch noch anders entwickeln! Sind außer den drei stümperhaften deutschen Agenten womöglich noch weitere ihrer Kollegen hinter dem Professor her? Wenn er für die Franzosen militärische Informationen hat, dann sind diese allemal auch für die Deutschen von allerhöchstem Interesse. Eile ist in jedem Falle geboten.
Millington muss noch eine Schippe drauflegen. In eineinhalb Stunden geht das Schiff von Folkestone nach Dieppe. Bis dahin können sie noch reagieren, sollte es notwendig sein. Preston gibt Millington unmissverständlich zu verstehen, alles, wirklich alles, aus den drei blinden Passagieren herauszubekommen.
Um halb sieben kabelt er schließlich nach London an die Zentrale: »Vermutlich deutscher Agent Bernhard Engel mit Prof. Campbell auf Weg nach Dieppe – STOP – verlassen Folkestone heute 1900 mit Sussex.«
Freilich können Captain Preston und sein Kollege nicht wissen, dass Bernhard Engel und der Professor das Schiff in Folkestone nicht mehr erreichen können. Der Zug von London hatte bereits bei der Abfahrt eine gute Stunde Verspätung, da die Strecke in Richtung Süden von Truppentransporten verstopft ist, die alle nach oder von Calais gehen. Sie sind zu diesem Zeitpunkt fest davon überzeugt, dass das Büro des MI6 in London die notwendigen Schritte einleiten und diesen Bernhard Engel unschädlich machen wird.
»Millington, lassen Sie die Gefangenen ins hiesige Militärgefängnis bringen, heute brauchen wir sie nicht mehr. Der Gefängnisarzt soll sich erstmal um sie kümmern. Wer weiß, wofür sie noch gut sein können«, weist Captain Preston seinen Kollegen an.
Etwa eine Stunde später geht ein weiteres Telegramm von der Zentrale des Auslandsgeheimdienstes MI6 in London mit folgendem Inhalt an die Zentrale der Gendarmerie Nationale in Paris: »Eilt – STOP – Professor Campbell seit 1900 auf SS Sussex mit Reisebegleitung – STOP – Begrüßungskommittee in Dieppe noch vor 0200 erbeten – STOP – Reisebegleitung in ein gutes Hotel bringen – STOP - bestätigen.«
Henry Preston und sein Kollege Millington haben ihr Bestes gegeben. Nun ist dieser Professor nicht mehr ihr Problem, sondern das des geheimen Nachrichtendienstes in Frankreich.
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