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Der Augsburger Religionsfriede
ОглавлениеEs zeigte sich, dass auch Krieg, Leid, Unterdrückung und alles Versagen der protestantischen Fürsten den evangelischen Glauben nicht mehr ausrotten konnten. Dort, wo des Kaisers Hand nicht hinlangen konnte, beachtete man das Interim kaum, da, wo es mit Härte durchgesetzt wurde, flüchteten die Menschen lieber. Im ganzen Reich fanden sich evangelische Christen, für die es nicht wichtig war, was Kaiser und Fürsten verhandelten und bestimmten, sondern die ihrem Gewissen folgten.
Die politische Wende folgte erst, als sich die protestantischen Fürsten hinter einem Mann sammelten, der ein besonders schlechtes Gewissen hatte. Der protestantische Herzog Moritz von Sachsen hatte sich im Schmalkaldischen Krieg auf die Seite Kaiser Karls geschlagen. Nun sammelte er die protestantischen Fürsten hinter sich. Während der Kaiser noch mit sich zufrieden war und alles nach Plan zu laufen schien, bereiteten sich Moritz und seine Verbündeten auf den Widerstand vor.
Während Kaiser Karl sich 1552 in Innsbruck aufhielt, drang plötzlich ein Heer von 35.000 Franzosen ins Elsass ein. Gleichzeitig machten sich die protestantischen Truppen nach Süddeutschland auf den Weg, drangen bis Österreich und schließlich bis nach Tirol vor – während der Kaiser nichts unternahm. Wohl nach dem Motto »Weil nicht sein kann, was nicht sein darf« floh er erst im letzten Augenblick von Innsbruck ins kärntnerische Villach – nun ein gedemütigter Mann. Hätte Herzog Moritz darauf gedrängt, hätte er Kaiser Karl wohl auch gefangen nehmen können. Aber Moritz fand ein paar Ausreden, warum das nicht geklappt hatte. Und mit gutem Grund: Wenn man den Kaiser gefangen nimmt – mit wem soll man dann nachher Frieden schließen?
Die erste Verhandlung mit dem Kaiser in Passau 1552 brachte den Protestanten nicht viel. Entscheidend wurden die Verhandlungen in Augsburg 1555 (ohne Herzog Moritz, der zwei Jahre zuvor in einer Schlacht gefallen war).
Der Reichstag in Augsburg im Jahre 1555 fand also nicht nur ohne Herzog Moritz, sondern auch ohne Kaiser Karl statt. Der hatte seinem Bruder Ferdinand alle Vollmachten übertragen. Karl war nach 36 Jahren Regierung müde, er zog sich langsam aus Deutschland und aus der gesamten Politik zurück.
Der »Augsburger Religionsfriede« wurde ein Kompromiss zwischen den beiden Konfessionen. Die protestantischen Vertreter wollten zunächst durchsetzen, dass jeder Untertan nach seinem Gewissen entscheiden dürfe, woran er glauben wollte. Die katholische Seite war absolut dagegen. Sie wusste, dass es überall im Reich offene und versteckte Protestanten gab. Die katholische Kirche hätte sich bei solch einer Maßnahme vielleicht bis auf Weiteres selbst aufgelöst. Nach monatelangen Verhandlungen blieb man bei dem Prinzip »cuius regio, eius religio – wessen Land, dessen Religion«, das heißt, dass der Glaube des Fürsten darüber entschied, was seine Untertanen glauben sollten oder mussten. Nur in den Reichsstädten sollte es erlaubt sein, dass Katholiken und Protestanten gemeinsam lebten. Das war ein kleiner Anflug von dem, was wir heute unter Religionsfreiheit verstehen.
Auch wenn der Augsburger Religionsfriede noch viele Probleme offenließ, kann man ihn als Schlusspunkt der Reformation sehen. Es folgte eine Zeit der Festigung der evangelischen Kirchen und gleichzeitig die katholische Gegenreformation bis hin zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges 1618. Mit der Abdankung Kaiser Karls V. im Oktober 1555 ging diese Epoche dann zu Ende. Die Zeit des einen Glaubens und der einen Kirche war vorbei.
Beendet wurde die Zeit vom Gewissen eines Einzelnen, der viele Menschen zum Nachdenken und zur Entscheidung bewegte. Die Antworten der katholischen Kirche hatten den Menschen einfach nicht mehr genügt.
Wer mehr über die Geschichte der Reformation wissen möchte, der findet in den Bücherregalen eine reiche Auswahl. Drei Bücher möchte ich besonders empfehlen:
Katharina Kunter hat einen schmalen Band mit dem Titel 500 Jahre Protestantismus. Eine Reise von den Anfängen bis in die Gegenwart (Gütersloh, 2011) geschrieben. Großformatig und mit vielen Bilden versehen, führt er auf knapp 240 Seiten durch 500 Jahre protestantischen Glaubens. Das Buch ist sehr leicht und flüssig zu lesen.
Detaillierter ist Thomas Kaufmanns Geschichte der Reformation (Frankfurt/Main und Leipzig, 2009). Kaufmann konzentriert sich auf die Reformation Martin Luthers. Die knapp tausend Seiten sind nicht immer leicht zu lesen, ein bisschen theologisches und kirchengeschichtliches Wissen sind da durchaus hilfreich. Dass der Band sehr kleinformatig ist, macht ihn zum idealen Begleiter auf Zugfahrten und Urlaubsreisen, verlangt aber von Lesern ab dem 40. Lebensjahr wohl zwingend eine Lesebrille.
Dieses Problem hat eher nicht, wer Diarmaid MacCullochs Die Reformation 1490 – 1700 (München, 2003) liest. Diesmal über tausend Seiten und großformatig, aber leicht und spannend zu lesen, führt das Buch von MacCulloch durch die Reformationsbewegungen in ganz Europa. Aufmerksam beschreibt er, wie sich das Denken und Leben der Menschen durch die Reformation veränderte. Nur zu empfehlen.