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Szene VIII

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Zum Wachdienst am Louvre eingeteilt zu sein, bedeutete in der Regel für lange Zeit an einem Platz auszuharren und sich dabei möglichst nicht anmerken zu lassen, wie ermüdend sich vier Stunden völliger Ereignislosigkeit dahinschleppen konnten. Wie gut, wenn man wenigstens einen Kameraden zur Seite hatte, der das gleiche Schicksal teilte und mit dem es sich wunderbar nebenher plaudern ließ - solange kein Vorgesetzter in der Nähe war, verstand sich. Doch da der nächste Kontrollgang noch in einiger Ferne lag, mussten sich die Soldaten jetzt noch keine Gedanken darum machen. Im Augenblick wäre es Athos allerdings sehr recht gewesen, wenn tatsächlich irgendjemand sein Gespräch mit Porthos unterbrochen hätte. Im Grunde redete eigentlich nur der Hüne auf Athos ein, der seinerseits keine Gelegenheit zum Antworten fand. Das schien Porthos jedoch nicht weiter aufzufallen, denn er war damit beschäftigt, eine gewichtige Miene aufzusetzen, sich ab und an, während bedeutungsvoller Pausen in seinem Monolog, den Schnurrbart zu zwirbeln und dabei Athos mit abwägenden Blicken zu mustern.

Der Graf de la Fère, wie Athos' wahre Identität lautete, hätte einiges darum gegeben, wenn diese Wache am Vorplatz bald beendet gewesen wäre, denn ihm war, auch wenn er es nicht offen zugab, das Thema der 'Unterhaltung' recht unangenehm: Es ging um das geheimnisvolle Taschentuch, das Athos am vergangenen Morgen auf dem Tisch in seiner Wohnstube gefunden hatte und in dem Porthos genügend Gesprächsstoff fand, um seit über einer Stunde schon Spekulationen über die mögliche Besitzerin des Tüchleins anzustellen. Athos hörte kaum zu. Er wusste mittlerweile, wem er dieses Geschenk zu verdanken hatte und wem er es noch vor Ende des Tages zurückgeben würde. Natürlich nicht in der Absicht, der Aufforderung, die dieses Taschentuch bedeutete, nachzukommen! Wenn er gestern nicht durch den Besuch im 'Tannenzapfen' und dem Gespräch mit des Essarts von seinen eigenen Angelegenheiten abgelenkt gewesen wäre, hätte er das Tuch schon heute nicht mehr bei sich getragen. So aber musste es bei seinen Freunden, und besonders bei Porthos, ganz den Eindruck erwecken, als wolle Athos diesen Liebesbeweis gerne noch ein Weilchen länger behalten.

Der Graf seufzte, während an seiner Seite neue Namen, jeder fantasievoller und falscher als der andere, genannt wurden. Vielleicht hätte er das Tuch Aramis und Porthos nicht zeigen dürfen. Doch zu diesem Zeitpunkt hielt Athos die Angelegenheit noch schlichtweg für einen Irrtum. Warum auch nicht? Der schweigsame, reservierte Musketier, dem keine Frauengeschichten nachgesagt werden konnten und von dem jeder wusste, dass er auch keine heimliche Leidenschaft, außer vielleicht den Wein, pflegte, sollte das Interesse einer Dame wecken?

Ausgeschlossen. In all den Jahren, die Athos nun schon in Paris lebte, war ihm so etwas noch nicht widerfahren und nie hatte er diese Art von Gesellschaft vermisst. Doch jetzt, wie aus heiterem Himmel, und obwohl er ausreichend deutlich gemacht hatte, dass er ein Leben ohne eine Frau an seiner Seite bevorzugte, schien sich eine Dame sogar ernstlich Hoffnungen zu machen, sie könne den Musketier mit genügend Hartnäckigkeit umstimmen.

Athos hatte nicht vergessen, dass ihn bereits eine Frau betrogen hatte, indem sie sich für etwas ausgab, was sie nicht war: Die unschuldige Schwester eines Priesters, hübsch, gebildet und sanftmütig, noch sehr jung und naiv - In Wirklichkeit jedoch eine gebrandmarkte Verbrecherin, gerissen, teuflisch und skrupellos. Er trug nur leidvolle Erinnerungen an Milady in seinem Herzen. Sie hatte sein Vertrauen und seine blinde Liebe zu ihr missbraucht. Das sollte nie wieder geschehen. Keine Frau würde Athos mehr derartig hintergehen können, denn er wies sie alle von sich. Was also hatte sich diese Eine, die ihn am längsten kannte, die darüber doch am Besten wissen musste, dass sie keinen Erfolg haben würde, gedacht?!

„Comtesse!“

„Pardon?“ Athos schreckte aus seinen trüben Gedanken, als ihn Porthos' Ellbogen in die Seite traf. Der Hüne trug einen triumphierenden Gesichtsausdruck und erwartete offensichtlich Zustimmung durch seinen Freund, als er nun betont langsam wiederholte: „Comtesse. Niemand kann mit Sicherheit sagen, dass das erste 'C' in den Initialen des Taschentuchs nicht die Abkürzung für einen Titel ist. Ja, ich bin mir sicher, Ihr habt die Gunst einer Gräfin gewonnen.“

Athos antwortete nicht auf diesen neuerlichen Versuch, ihn zur Preisgabe des Namens zu überreden. Das schien Porthos jedoch nur dazu anzuspornen, seine neue Idee weiter auszuschmücken. Er selbst hatte seine Madame Coquenard, die Anwaltswitwe, und ihre Goldtruhe, für sich gewonnen. Die Hochzeit stand in einigen Wochen an, bis dahin wollte Porthos noch so viele Geheimnisse seiner Freunde wie möglich ergründen, ehe er den Musketierrock an den Nagel hängte. „Ja, ja, überlegt doch nur! Das 'C' ist zweimal aufgestickt, nichts weiter. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, wofür diese Buchstaben stehen könnten. Aber nun handelt es sich vielleicht gar nicht um Vor- und Zunamen, um etwas alltägliches wie 'Cecilie Cambout' oder 'Claude Chamillart'. Stattdessen könnte eine hohe Dame uns auf diese Weise ein Rätsel aufgeben wollen, damit wir es, nein, Ihr es löst und Euch so beweist.“

Porthos schien ganz und gar begeistert von diesem Gedanken zu sein und bemerkte nicht, dass Athos nicht darauf einging. Fröhlich begann der Hüne von Neuem: „Folglich könnte es sich genauso um die Comtesse von Cauvisson handeln oder-“ Porthos stockte und seine Augen wurden groß, bevor er den Namen, der ihm nun in den Sinn kam flüsterte: „Comtesse de Carignan...“

Athos musste sich sehr zusammenreißen, um nicht ungebührlich zu husten, was zum einen sicher Porthos, zum anderen die arme Marie von Bourbon beleidigt hätte. Unwillig brach er sein langes Schweigen. „Porthos, zerbrecht Euch nicht weiter den Kopf. Seht, dieses Taschentuch ist weit weniger geheimnisvoll als Ihr glaubt und zu viele Gedanken nicht wert. Ihr als mein Freund solltet doch wissen-“

Was genau Porthos wissen sollte, erfuhr er an diesem Tag nicht mehr, denn Athos brach unvermittelt ab. Am anderen Ende des Vorplatzes zum Louvre hatte er eine Gestalt in Musketieruniform bemerkt, die, als sie die Freunde nun ebenfalls sah, zielstrebig in ihre Richtung schritt. Nur einen Augenblick später erkannte Athos in dem Kameraden Aramis wieder, der, in seiner Eile atemlos geworden, die anderen erreichte. Die besorgten Blicke wischte Aramis jedoch mit einer schnellen Geste beiseite und wandte sich an Athos: „Der Hauptmann schickt mich, er will Euch sehen.“

Üblicherweise hätte Athos nun nicht die reinste Verblüffung im Gesicht gestanden, doch eingedenk einer so kurz angebunden Eröffnung seines Freundes und dessen ungewohnten Auftretens, fragte er nach: „Ist etwas vorgefallen?“

Aramis hob die Schultern und wirkte dabei indigniert. „So würde ich es nicht sagen, allerdings verlangte Herr de Tréville, dass ich Euch so schnell wie möglich finde. Ich werde Eure Wache übernehmen.“

Athos rührte sich nicht von der Stelle und Porthos hakte nach: „Wie 'würdet' Ihr es denn sagen?“

Damit schien er genau die richtige Frage gestellt zu haben, denn mit finsterer Miene antwortete Aramis: „Dass Herr des Essarts nicht mehr Zeit als nötig verloren hat!“ Er rief sich selbst zur Ordnung und fuhr dann ruhiger fort, um den verwirrten Freunden ein wenig Klarheit zu verschaffen: „Ich hatte kaum das Hauptquartier betreten, um mich über den Wachdienst für heute zu vergewissern, als ich beinahe von d'Artagnan umgerannt wurde, der etwas wie 'ein glänzender Gefallen, wirklich!' murrte und damit auch schon weiterstürmte. Das an sich gab mir zu denken, die Erklärung fand sich wenige Augenblicke später. Essarts trat aus dem Kabinett des Hauptmanns. Er musste mir nicht erst erzählen, dass sein Schwager wohl nicht bester Laune sei, um mich vom Offensichtlichen zu überzeugen. Während Essarts sich allerdings betont ruhig gab und meinte, er sei nun sehr zuversichtlich - woran nicht nur ich zu zweifeln schien, sondern auch alle anderen anwesenden Personen im Vorzimmer“, Aramis lächelte ironisch, weil Dank Hauptmann des Essarts auf einmal mehr Personen zuhörten, als es recht gewesen wäre, „- wurde mir bald diese Ahnung durch Tréville höchstpersönlich bestätigt, der, kaum dass des Essarts die Treppe hinunter war, unvermittelt selbst vor mir stand und mir befahl, Euch zu ihm zu schicken. Ich darf wohl behaupten, dass unsere Zuversicht von gestern sich heute eher in ihr Gegenteil verkehrt hat.“

Die Freunde schwiegen eine Weile bedrückt und Athos, der wenigstens zum Teil damit gerechnet hatte, dass ein Gespräch mit dem Hauptmann unter vier Augen etwas Klärung verschaffen würde, musste einsehen, dass er sich wohl geirrt hatte. Doch was wollte Tréville nun mit ihm besprechen?

Beunruhigt, was ihn erwarten mochte, nickte er zum Abschied. Den Freunden war anzusehen, dass sie zwar nicht gerne mit ihm getauscht hätten, ihn aber auch nur sehr widerstrebend alleine losziehen ließen.

Mordpakt: Richelieu

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