Читать книгу Mit Herz und Degen - Margo Wendt - Страница 12
Kapitel 7
ОглавлениеMan muss mit seinen Feinden leben, da man nicht jedermann zum Freund haben kann.
- Alexis de Tocqueville
Paul stand neben Jan am Tresen des angesagten In-Klubs Beluga und beobachtete die Menge. Die Musik wummerte in seinen Ohren, es war zu laut und ziemlich stickig. Vom VIP-Bereich hätte er eigentlich mehr erwartet. Wenigstens waren die Getränke kalt. Eigentlich trainierte Jan im deutschen Fechtmekka Tauberbischofsheim, trieb sich aber regelmäßig in Hannover herum, angeblich um alte Freunde zu treffen. Oder um die Konkurrenz abzuchecken. Es war mehr als zweifelhaft, dass Jan überhaupt Freunde besaß. Zumindest Paul traf sich nur mit ihm, um tiefer in die Gedankengänge seines Gegenübers einzutauchen. Alles war ein Spiel und jeder Zug offenbarte etwas, das dem anderen nützen konnte.
»Was hältst du von der Blonden da hinten. Die in diesem silbernen Fummel neben der Walfreundin?«
Paul runzelte die Stirn. Sein Blick wanderte zu der bezeichneten Blondine. Selbst auf die Entfernung wirkte sie künstlich, viel zu stark geschminkt und verdammt jung. Die Freundin war etwas molliger, aber auch viel natürlicher. Keine Streichholzbeine. Die langen braunen Haare zogen ihn in Kombination mit dem sanften Lächeln viel mehr an. Nur eine von beiden strahlte Lebensfreude aus und es war definitiv nicht Jans Barbie. Im Gegensatz zu seinem Fechtkollegen bevorzugte Paul tatsächlich Frauen, die nicht so aussahen, als hätten sie sich ihre Kleidung mit Bodypainting aufgemalt. Wenn man alles vorhersah, wo blieb dann die Spannung?
Offenbar verwechselte Jan seine Schweigsamkeit mit Interesse. »Ja, Bruder. Die ist heiß, sag ich doch!«
Paul räusperte sich und griff nach dem alkoholfreien Bier, das vor ihm auf dem Tresen stand. »Ich weiß nicht. Ist die überhaupt volljährig?«
»Wenn sie hier reingekommen ist, wird sie schon einen Ausweis haben.«
Auf den ersten Blick wirkte Jan wie ein typischer Idiot, aber die Tatsache, dass er Paul in der Weltranglistenplatzierung im Nacken saß, sprach eine ganz andere Sprache.
Beim Fechten kam es einerseits auf körperliche Attribute wie Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit an. Erfolgreich konnte man allerdings nur werden, wenn man seinen Kopf benutzte. Strategie und Taktik waren zentrale Elemente, die Jan zwar nutzte, aber oft verschleierte.
Sein Konkurrent schnalzte mit der Zunge. Wie eine Schlange, entspannt und träge, bis sie plötzlich zum Angriff überging. Glatte Haare, das Aussehen und Auftreten eines Bankers. Er roch nach Geld. Als Berufssoldat hatte er Wert auf Sicherheit gelegt. Irgendwas daran gefiel den Frauen, denn Jan kehrte selten alleine ins Hotelzimmer zurück. Wahrscheinlich wegen der Muskeln.
Die Blondine gestikulierte wild und redete auf ihre kleinere Freundin ein, die sich daraufhin mit einem mürrischen Gesichtsausdruck auf den Weg zum Tresen machte.
»Nicht mein Fall«, beschied er. »Ich bevorzuge meine Frauen ein bisschen mehr durchgebraten, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Du bist natürlich auch älter.« Jans falsches Lachen übertönte die Geräuschkulisse. Dreizehn Monate. »Ich finde sie perfekt«, erklärte sein Kollege, als Pauls Gesprächspause unangenehm zu werden begann. Ein schmieriges Grinsen später pflügte Jan schon durch die Menge, das Objekt seiner Begierde fest im Blick.
Paul schüttelte den Kopf. Je mehr Zeit er mit Jan verbrachte, desto schwerer konnte er seine Abneigung verbergen. Der Kerl war ein Arsch, nicht mehr und nicht weniger. Aber dennoch war er gut in dem, was er tat. Wie machte er das nur?
Wann konnte er diese Farce nur beenden? Sein Handy verriet ihm, dass es bereits 01:21 Uhr war. Ein wenig musste er noch durchhalten, vielleicht eine Stunde. Ansonsten bräuchte er eine gute Erklärung, um nicht als Langweiler zu gelten. Sollte sich Jan jemals bewusstwerden, dass sich Pauls Leben weit weniger um Partys und Frauen drehte als angenommen, würde er es eiskalt gegen ihn verwenden.
Paul trank einen weiteren Schluck aus seiner Flasche. Daria fragte ihn bei jedem von Jans Besuchen, warum er sich auf diesen Blödsinn einließ. Sie verstand einfach nicht, dass es hier um mehr ging, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Es war genauso, wie Meister Mika immer zu sagen pflegte: Nur wer seine Gegner so gut kannte, wie sich selbst, konnte erfolgreich sein. Obwohl er sicher war, dass Jan ihn auch nicht mochte, rief er ihn fast quartalsweise an, um feiern zu gehen. Immer nur sie beide. Wenn Paul sich zu sehr langweilte oder einfach jemandem begegnete, der ihn fesselte ließ sich auch er auf eine der Frauen ein. Meistens fand er niemanden. Es war nicht so, dass er nur auf One-Night-Stands aus war, aber mehr hatte sich in den letzten zwei Jahren einfach nie ergeben. Entweder war er zu viel unterwegs gewesen oder die Frau hatte sich daran gestört, neben seiner Familie und dem Sport nur die dritte Geige zu spielen. Sein letzter Versuch hatte keine Katzen gemocht.
Das Bier in seiner Hand schmeckte abgestanden, genau wie der ganze Abend. Jan hatte die Blondine in ein Gespräch verwickelt. Sie fasste ihn immer wieder an, mal am Arm, mal an der Hüfte, wenn sie sich vorlehnte, um besser zuhören zu können. Jan taxierte sie, vermutlich um herauszufinden, wie er sie später aus dem silbernen Kleidchen holen konnte.
Der DJ wechselte gerade zur Technoparodie einer Liebesschnulze. Es war ein Lied, das Paul auch ohne die Zerstückelung grausam fand und diese neuerliche Interpretation wertete das Stück keinesfalls auf. Es würde eine lange Stunde werden.
Die Freundin der Blondine kehrte zurück und bemerkte, dass ihre Anwesenheit nicht mehr erwünscht war-. Mit einem erleichterten Gesichtsausdruck setzte sie sich auf einen freien Barhocker. Schon während sie den ersten Schluck ihres Getränks nippte, streifte sie sich verstohlen die High Heels von den Füßen. Schlaues Mädchen.
Paul musste grinsen. Hätte er sich gerade auf der Suche nach etwas Festem befunden, hätte die Freundin ihn tatsächlich interessieren können. So jedoch ließ er die Gelegenheit verstreichen. Wenn man sein eigenes Leben nicht auf die Reihe bekam, sollte man sich keinem anderen Menschen aufdrängen. Er zückte sein Handy und warf einen weiteren Blick auf die Zeitanzeige. 01:34 Uhr. Verflucht.
»Hallo«, ertönte eine rauchige Stimme von links. Eine weitere Blondine lehnte sich dekorativ an den Tresen. Sie trug ein goldenes Kleid, das nur aus Tüchern zu bestehen schien und schaute unter gesenkten Wimpern zu ihm hoch. »Ist hier noch frei?«
Ihr Gesicht war hübsch, sanft geschwungene Augenbrauen über blassgrünen Augen. Gemeinsam mit den hellen Locken war das eine interessante Kombination. Wenig Make-up, ein Pluspunkt. Ihre Augen krochen über Paul hinweg und er fühlte sich wie Jagdbeute. Ihr Verhalten passte zwar zum Kleid, aber nicht zum Rest von ihr. Selbst ihre Schuhe schienen bequem zu sein und sie trug die Haare offen. Widersprüche waren interessant, vor allem wenn sie schöne Beine hatten.
»Hier ist frei«, stellte er das Offensichtliche fest.
Ihr Lächeln erlosch, bevor es ihre Augen erreichte. »Das habe ich gesehen.« Mit einem Nicken deutete sie in Richtung Jan, der seine Blondine gerade küsste.
Paul schnaubte. Es war schlechter Stil, eine Frau im Klub an die Wand zu drücken, um sie abzutasten. Als er sich wieder umdrehte, berührte seine Schulter den Oberarm der Frau.
»Ich heiße Melanie.«
»Paul«, antwortete er. Es war so laut, dass er brüllen musste. »Ich muss dir aber sagen, dass ich eine Freundin habe.« Die Freundinnen-Masche funktionierte perfekt, um die braven von den weniger braven Mädchen zu trennen. Wer sich auf einen Vergebenen einließ, war meistens selbst nur auf der Suche nach einem One-Night-Stand und für mehr reizte ihn dieser hübsche Schmetterling nicht.
»Das stört mich nicht.« Melanie rückte noch ein Stück näher, wobei sie sich so stellte, dass niemand sehen konnte, was sie tat. Mit einer Hand strich sie über die Innenseite seines Oberschenkels. Definitiv kein braves Mädchen.
Sein Interesse vertiefte sich. Unter den goldenen Tüchern versteckte sich eine Frau, die ganz genau wusste, was sie wollte. »Hast du vielleicht Lust, ein wenig frische Luft zu schnappen?«, fragte er.
Als sie nickte, führte Paul sie zwischen den Tanzenden entlang zum Ausgang. Sie passierten Jan und Paul klopfte ihm kurz auf die Schulter, deutete auf seinen Schmetterling und genoss den steinernen Gesichtsausdruck des Rivalen. Also war ihm auch aufgefallen, dass Pauls Eroberung hübscher war.
Dass seine Begleiterin ein goldenes Kleid trug, während Jan mit Silber vorliebnehmen musste, war ein nettes Detail. Mit einem breiten Grinsen legte er dem Schmetterling den Arm um die Hüfte und führte sie zur Garderobe.
Kaum hatten sie das Beluga verlassen, zog der Schmetterling ihn an sich und begann, an seiner Unterlippe zu knabbern. Ihre Hände schoben sich unter sein Hemd. Die Berührung brachte ihn zum Schwitzen. Mit einer Hand umfasste er ihren Nacken, drehte den Kopf und drang mit seiner Zunge in ihren Mund ein. Sie schmeckte nach einem süßen Cocktail, irgendetwas auf Kokosnussbasis. Klebrig, aber nicht unangenehm. Kurz löste sie sich von ihm und er knurrte frustriert.
»Ich habe dich schon die ganze Zeit beobachtet. Dein Körper ist der Hammer«, schnurrte sie ihm ins Ohr. Dabei strich sich der Schmetterling eine Locke hinters Ohr.
»Du bist auch nicht zu verachten.« Vielleicht etwas drahtig für seinen Geschmack, aber ihre langen Beine waren großartig.
»Ich wohne hier in der Nähe. Was hältst du davon, mit raufzukommen und ich mache dir einen Kaffee?«
Ein nicht unwesentlicher Teil von Paul hielt das für eine richtig gute Idee.