Читать книгу Partnerschaftliche Rollenteilung - ein Erfolgsmodell - Margret Bürgisser - Страница 15
ELEONORA RIZ À PORTA UND UELI BÜRGI
Оглавление»Es war uns wichtig, dass beide die Möglichkeit hatten, weiterzukommen«
Mit dem Tram in ein Außenquartier von Basel. Den telefonisch erhaltenen Anweisungen folgend, um ein paar Straßenecken hinein in die Lothringerstrasse. Dort wohnen Eleonora Riz à Porta (55) und Ueli Bürgi (58) in einem Haus, das sie vor längerer Zeit, zusammen mit Freunden, erworben haben. Kennzeichen ist der große Bananenbaum beim Eingang. Der Hauseingang ist breit und Lagerort für Velos und andere Geräte. Links ist die Eingangstür zur geräumigen Wohnung. Wir setzen uns in den lauschigen Garten, und bei Kaffee und Kuchen erzählen mir Eleonora und Ueli die Fortsetzung ihrer Familiengeschichte.
Berufliche Entwicklungen Als ich sie vor über zwanzig Jahren zum ersten Mal besuchte, waren beide Partner in Pensen von 50 bis 60 Prozent als Erwachsenenbildner tätig. Neben der Erwerbsarbeit teilten sie sich die Betreuung ihres Sohnes Gian und den Haushalt. Nach vier Jahren kam Tochter Sina dazu, und Ueli Bürgi machte sich – neben seiner Festanstellung – sukzessive als Bildungsfachmann selbstständig.
Seit jenem ersten Gespräch haben beide qualifizierende Weiterbildungen absolviert und entsprechende Diplome und Zertifikate erworben. Nun arbeitet Eleonora Riz à Porta als HR-Leiterin im Universitätsspital Basel, wo sie für 1200 Mitarbeitende zuständig ist. Ihr Arbeitspensum beträgt seit rund sieben Jahren offiziell 100 Prozent, inoffiziell – wie bei Führungskräften oft der Fall – einiges mehr. Wie begründet Eleonora, dass sie ihr Pensum aufgestockt hat? »Die Kinder haben nicht mehr die komplette Betreuungszeit in Anspruch genommen, wodurch Freiräume entstanden sind. Es hat auch viel mit dem Ziel ›Verantwortung übernehmen‹ zu tun. Ich empfinde es als sehr befriedigend, wenn ich im Betrieb merke, dass ich Dinge erreichen kann und einen guten Bezug zu den Leuten habe.«
Ueli Bürgi hat seine selbstständige Tätigkeit 2006 wieder aufgegeben und ist jetzt – ebenfalls mit Vollzeitpensum – an der Akademie für Erwachsenenbildung (AEB) in Luzern tätig. »Nun arbeite ich zum ersten Mal in meinem Leben 100 Prozent. Zu 50 Prozent meines Pensums bin ich Angebotsleiter, und zu 50 Prozent mache ich Ausbildungen im Bereich ›Ausbildung von Ausbildenden‹. Die Mischung von Führung und eigener Praxis finde ich sehr interessant.«
Die Kinder reagierten auf die Erhöhung der Arbeitspensen unterschiedlich. »Gian fand damals, dass das für ihn in Ordnung sei«, berichtet die Mutter. »Sina hingegen hatte gar keine Freude daran. Sie hat das zu Beginn nicht akzeptiert. Später war sie der Ansicht, dass ich zu viel arbeite und dass das nicht gut sei.« – »Sie hat manchmal den Spruch ›die Rabeneltern‹ gebracht«, ergänzt Ueli. »Ein kleines bisschen Wahrheit steckt dahinter – es ist nicht nur ein Spruch.«
Karriereziele erreicht Beide Partner sind der Meinung, Karriere gemacht zu haben. »Es war uns wichtig, dass beide die Möglichkeit hatten, weiterzukommen«, berichtet Eleonora. »Alles andere wäre nicht gut gewesen. Ich habe vor zwanzig Jahren gesagt, dass ich unglücklich wäre und alle verrückt machen würde, wenn ich nur zu Hause wäre.« Auch Ueli wünschte sich Verantwortung. »Dies war unter anderem der Grund, weshalb ich eine Anstellung eingegangen bin. Ich bin heute stellvertretender Geschäftsleiter und in der Leitung der AEB im engsten Führungskreis.«
Teilzeitarbeit als Voraussetzung egalitärer Rollenteilung Im Arbeitsfeld von Ueli arbeiten sehr viele Leute Teilzeit. »Es gibt jene, die andernorts noch Aufträge und Jobs haben, und es gibt auch jene, die Kinder haben – sowohl Männer wie Frauen. Wir versuchen, Teilzeit zu ermöglichen. Auch wenn man ein relativ kleines Pensum arbeitet, kommt man bei uns in die Pensionskasse rein.«
Eleonora bezeichnet Spitäler als »Paradebeispiele von Teilzeitarbeit«. Sie ist überzeugt, dass diese ohne Teilzeitpensen gar nicht mehr funktionieren könnten. »Die Arbeit ist für die Menschen teilweise so belastend, dass sie es nur bewältigen können, wenn sie Teilzeit arbeiten.« Die Akzeptanz von Teilzeitarbeit scheint je nach Fachrichtung und Person zu variieren. Eleonoras Erfahrung zeigt, dass sie »sehr von der Haltung der jeweiligen Chefärztin oder des jeweiligen Chefarztes abhängt. Ich erlebe es immer öfter, dass Assistenzärztinnen und -ärzte – aber auch Oberärzte – kommen und sagen, dass sie nicht mehr achtzig Stunden in der Woche arbeiten möchten.« Diskussionen um die Einhaltung der vereinbarten Arbeitszeiten seien immer häufiger, und sie versuche jeweils, eine pragmatische Haltung einzunehmen. »Wenn Diskussionen um die Höhe der Pensen aufkommen, versuchen wir, die betriebliche Seite und die Seite der Einzelperson wahrzunehmen und es zu ermöglichen.« Schon länger gefördert werden jegliche Formen des unbezahlten Urlaubs oder des Mutterschaftsurlaubs. »Es ist selbstverständlich, dass man nicht zwei Monate nach der Geburt bereits wieder da sein muss – zumindest in meinem Bereich nicht. Die Frauen können den Urlaub auch wirklich in Anspruch nehmen. Doch die Arbeitgeber stehen auch in der Pflicht, Entlastung in der Kinderbetreuung zu bieten. Wir haben im Universitätsspital ein Angebot an Kinderbetreuung, das über die letzten Jahre stark ausgebaut wurde. Es ist für mich das A und O, dass man in einem Betrieb ein solches Angebot hat und dass man es flexibel handhabt.«
Weitere berufliche Perspektiven Beide Partner arbeiten gerne und genießen es, neue Erfahrungen zu machen. Eleonora Riz à Porta hofft, in den verbleibenden zehn Jahren ihre Arbeitsbelastung einschränken und damit ihren Energiehaushalt besser im Gleichgewicht halten zu können. »Ich merke, dass ich älter werde und länger brauche, um mich zu erholen. Die Freude am Arbeiten habe ich – aber es braucht meine Kräfte. Ich bin heute 55 Jahre alt. Wenn ich mir vorstelle, dass es in fünf Jahren immer noch so intensiv läuft, denke ich, dass es ›too much‹ wäre.«
Ueli Bürgi sieht den kommenden Jahren zuversichtlich entgegen. »Ich werde mich aber nicht vor 65 Jahren pensionieren lassen können. Ich hatte als Selbstständigerwerbender stellenweise keine Pensionskasse, nur eine Lebensversicherung. Vielleicht werde ich ab 65 in einem kleineren Pensum weiterarbeiten, bevor ich schließlich ganz aufhöre.«
Hausarbeitsteilung Wie Eleonora erzählt, hat sich die Hausarbeitsteilung so verändert, »dass Ueli unter der Woche mehr kocht, weil ich häufig erst sehr spät nach Hause komme. Einkaufen gehe ich heute noch am Wochenende, auch das Bügeln übernehme ich. Aber gekocht habe ich früher deutlich mehr.« Ueli betont, Eleonora störe sich schneller daran, wenn nicht aufgeräumt sei. (Zu ihr) »Wenn Zeugs rumliegt, räumst du schneller auf. Ich mache es auch irgendwann, aber für mich ist es jeweils nicht so dringend.« Eine Putzfrau sorgt alle zwei Wochen für Entlastung. Eleonora betont, es gebe im Haushalt heute »weniger Konflikte, die täglich anfallen«. – »Das heißt nicht, dass wir nicht mehr streiten«, relativiert Ueli. »Aber wir wissen, worum es geht, und können es wieder auflösen.«
Geteilte Kinderbetreuung – auch mit Nachbarn Mit der seit über zwei Jahrzehnten praktizierten partnerschaftlichen Rollenteilung ist das Paar sehr zufrieden. Dank dem Kindertausch mit Nachbarn und ergänzender Kinderbetreuung im Tagesheim haben sie es geschafft, Familie und Beruf gut unter einen Hut zu bringen. Ueli betont: »Wir waren auch darauf angewiesen, mit Freunden und Freundinnen Lösungen zu finden, weil unsere Eltern zu weit weg wohnten und auch nicht mehr in der Lage waren, die Kinder zu betreuen. Wir brauchten folglich diese Ergänzung, damit wir die Kinder nicht nur in einen Kindergarten oder eine Kinderkrippe geben mussten.« Das Elternpaar teilte die Kinderbetreuung mit anderen im Haus wohnenden Eltern. Eleonora äußert sich darüber sehr zufrieden. »Die Form der gemeinsamen Betreuung mit Freunden hat für mich die schöne Konsequenz, dass die Kinder heute wie Geschwister sind.«
Beurteilung der eigenen Rollenteilung Wie zufrieden ist das Paar mit der von ihm praktizierten Rollenteilung? Für Ueli ist klar: »Ich würde es wieder machen. Es war unser Wunsch, dass wir sowohl ein Berufsleben als auch ein Leben mit den Kindern haben. Ich kann heute sagen, dass ich diesbezüglich reich bin. Ich spüre es durch die Beziehungen, die ich zu meinen Kindern habe. Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, dass ich im Berufsleben nur verzichtet hätte und keine Karriere machen konnte. Es hat vielleicht ein wenig länger gedauert – aber es ging gut.«
Auch Eleonora betont, sie würde die egalitäre Rollenteilung wieder wählen. »Doch das Modell – mit dem ständigen Absprechen, dem kontinuierlichen Rücksichtnehmen und dem Aufeinanderschauen – war auch anstrengend. Ich habe immer wieder gemerkt, wie ich an den Rand meiner Geduld gestoßen bin.« Trotzdem findet auch Eleonora, es habe sich gelohnt. Das Modell habe mitgeholfen, eine gute Beziehung zu den Kindern aufzubauen, und es habe auch die Beziehung zwischen den Partnern gestärkt. Ueli bestätigt: »Durch die beruflichen Felder gab es viele Austauschmöglichkeiten und interessante Begegnungen.« Er weist allerdings auch auf eine Schwierigkeit hin: »In diesem Modell besteht die Gefahr – und die haben wir auch real gespürt –, dass man zu schnell zu viel arbeitet und dadurch in der Familie nicht mehr so präsent ist.«
Was ist aus den Kindern geworden? Die Kinder Gian und Sina sind erwachsen. Gian (24) hat sein Jus-Studium in Basel mit dem Bachelor abgeschlossen und macht nun noch den Master. Er ist vor drei Jahren zu Hause ausgezogen und wohnt nun im selben Quartier in einer Männerwohngemeinschaft. Sina (20) hat nach der Matura ein Zwischenjahr eingelegt. Sie weilt aktuell in Peru und will nachher ein Architekturstudium an der ETH in Angriff nehmen. Die Mutter geht davon aus, »dass sie sich eine Wohnung in Zürich suchen wird. Weil sie jedoch immer am Reisen ist, kann sie sich gar keine Wohnung suchen.«[7]
Die Eltern sind glücklich, dass sich die Beziehungen zu ihren Kindern trotz pubertärer Turbulenzen gut entwickelt haben. Ueli bezeichnet dies als »Riesengeschenk« und ergänzt: »Sie sind sehr offen. Wir sind erstaunt darüber, was sie uns alles erzählen. Sie erzählen uns auch von ihren Beziehungen und so weiter. Das ist sehr eindrücklich.« Die Mutter hat den Eindruck, »dass sie sowohl persönliche als auch fachliche und inhaltliche Dinge mit uns besprechen und dass sie wissen, dass sie mit uns zwei Ansprechpersonen haben. Sie scheinen genau zu wissen, dass es in bestimmten Momenten besser ist, mit der einen statt der anderen Person über etwas zu sprechen.« Der Vater ergänzt: »Sie nehmen auch immer wieder unsere Hilfe in Anspruch.«
Rollenprägung der Kinder Die Eltern vermuten bei ihren Kindern ein eher partnerschaftliches Rollenverständnis. »Wir hatten keine großen Gespräche darüber, wie sie zu unserem Modell stehen, aber man kann es trotzdem rausspüren«, erzählt der Vater. »Beide haben immer wieder gesagt, dass wir Exoten und anders als alle anderen seien. Sie haben uns keine Vorwürfe gemacht, sondern im Gegenteil gesagt, dass die anderen es nicht ›gecheckt‹ hätten. Sie haben einen gewissen Stolz diesbezüglich.«
Wie die Kinder die Rollenteilung schließlich handhaben werden, steht in den Sternen. Der Vater ist vor allem bei Gian gespannt, »wie er Karriere und Kinder unter einen Hut bringen möchte. Das geht für mich noch nicht ganz auf. Ich könnte mir aber vorstellen, dass er eine Lösung finden wird.« Die Mutter stellt fest, dass ihr Sohn vermehrt Bereitschaft zeigt, im Haushalt zu helfen. »Gian hat mich jeweils abends um neunzehn Uhr im Büro angerufen und gesagt, dass er heute Abend kochen möchte. Seit er ausgezogen ist, merkt man bei ihm, dass das Thema ›man macht etwas‹ präsenter ist als früher.« Ihre Tochter nimmt Eleonora ganz anders wahr. »Sina kocht und haushaltet nicht gerne. Sie sagt beispielsweise ganz klar, dass sie niemals nur zu Hause bleiben möchte.« – »Manchmal«, ergänzt der Vater, »sagt sie im Witz, dass sie sich jemanden holen wird, der für sie den Haushalt macht.«
Gesellschaftliche Rahmenbedingungen Eleonora und Ueli würden das partnerschaftliche Modell auch heutigen jungen Paaren empfehlen, stellen aktuell allerdings einen Traditionalisierungstrend fest. Ihres Erachtens liebäugeln junge Frauen wieder vermehrt mit dem Hausfrauenmodell. Sie geben bei der Heirat zudem ihren Namen auf, was für Frauen älterer Generationen undenkbar gewesen wäre. Eleonora ist auch der Ansicht, die Diskussion um die Teilzeitarbeit habe sich nicht wahnsinnig weiterentwickelt. »Auch bei der Thematik des Wiedereinstiegs – wenn jemand für ein halbes Jahr oder ein ganzes Jahr nicht berufstätig war – fehlt es in vielen Betrieben an Verständnis.« – »Was sich langsam verbessert hat«, betont Ueli, »ist die Tatsache, dass die jungen Männer Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen. Diesbezüglich hat sich schon etwas verändert. Letztlich ist es aber so, dass der Hauptteil der Betreuung immer noch bei den Frauen liegt.« Ueli findet auch, Kinderkrippen seien zu teuer. »Wir haben irgendwann aufgehört, sie zu nutzen, weil das – mit unseren Einkommen – einfach zu teuer geworden ist. Ich bin der Ansicht, dass die Kinderkrippen grundsätzlich günstiger sein müssten, damit Eltern sie vermehrt nutzen könnten.«