Читать книгу Partnerschaftliche Rollenteilung - ein Erfolgsmodell - Margret Bürgisser - Страница 16

CORINNE HAFFTER UND DANI SCHAFFNER

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»Wir haben uns für dieses Modell entschieden und alle damit gewonnen«

Corinne Haffter holt mich am Bahnhof Winterthur ab. Sie wartet in der Unterführung, und wir erkennen uns auf den ersten Blick wieder. Beim Velostand packt Corinne ihr mit Plastikblumen dekoriertes Fahrrad und macht sich – es neben sich her stoßend – mit mir auf den Heimweg. Irgendwann biegen wir in eine Seitenstraße ein. Und dann sehe ich sie, die wunderschöne an die hundert Jahre alte Backsteinsiedlung, in der Corinne Haffter (60) und Dani Schaffner (62) mit Nachbarn und als Wohngenossenschaft ein denkmalgeschütztes Haus bewohnen. In der Wiese vor dem Hintereingang steht ein runder Tisch, der schon zum Essen gedeckt ist. Links und rechts auf der Treppe Töpfe mit bunten Frühlingsblumen. Bunt geht es auch im Inneren weiter. Zahlreiche Sachen verweisen hier auf lebensfrohe kreative Menschen. Eine hohe Glasvitrine ist gefüllt mit Dingen, welche die drei Kinder früher modelliert und bemalt haben: Tiere, Figuren, Objekte. Die Zeit ist begrenzt. Corinne muss um dreizehn Uhr wieder zur Arbeit. Darum direkt an den Küchentisch und rein ins Interview.

Berufliche Entwicklungen Wie hat sich die berufliche Situation des Paares entwickelt? Corinne hat ihr Ziel erreicht, als Psychotherapeutin beruflich selbstständig zu werden. 2005 hat sie ihren Job als Psychologin am kinder- und jugendpsychiatrischen Dienst Winterthur aufgegeben und die private Praxis, die sie schon zu 20 Prozent betrieb, weiter ausgebaut. Da sie schon lange in Winterthur arbeitete und gut vernetzt war, hatte sie keine Mühe, Klientinnen und Klienten zu finden. Die Institutionen, mit denen sie zusammenarbeitet, kannten sie ebenfalls schon lange. Corinne arbeitet heute 80 Prozent. Da sie ihre Klientinnen und Klienten auch am Abend empfängt, kommt sie nie vor neunzehn Uhr nach Hause. Es hat sich darum eingespielt, dass abends vor allem ihr Mann kocht. Corinne besorgt dafür am Freitagvormittag den wöchentlichen Gemüse- und Früchteeinkauf und erledigt am Nachmittag Hausarbeiten.

Dani arbeitet noch immer am Naturmuseum, wo er für technische Belange zuständig ist. Er hat einen kreativen Wirkungsbereich, in dem er sehr selbstständig arbeiten kann: technische Aufgaben, interaktive Projekte, Fotografie. Dani betrachtet es »als ein gewisses Privileg, diese Stelle und diese Möglichkeit zu haben. Es ist nicht selbstverständlich, dass man so eine spannende Stelle bekommt.« Seine Arbeit ist im Zeitverlauf allerdings komplexer und anforderungsreicher geworden. Deshalb ist er froh, mehr Zeit zur Verfügung zu haben als früher. Nach einigen Jahren hat er von 50 auf 60 Prozent aufgestockt; inzwischen ist sein Pensum ebenfalls auf 80 Prozent angewachsen. Dani ist jetzt Dienstag- und Mittwochmorgen zu Hause, erledigt Hausarbeiten und nutzt die Zeit für Schlagzeugproben.

Bedeutung der beruflichen Tätigkeit Dani ist mit seiner Arbeit grundsätzlich sehr zufrieden. Das Schöne an seinem Job sei, dass er als Einziger für seine Arbeit zuständig sei. Er fühlt sich am Arbeitsplatz als Teilzeitangestellter aber zu wenig ernst genommen, was er schon in früheren Gesprächen bemängelt hat. Man akzeptiere die Teilzeitarbeit von Frauen voll und ganz, jene von Männern nur bedingt. Dies hänge stark von der Einstellung des/der jeweiligen Vorgesetzten ab. Manche hätten Verständnis für die Bedürfnisse Teilzeit arbeitender Väter, andere leider nicht.

Dass Corinne und Dani ihre Pensen nach und nach aufgestockt haben, hatte auch mit dem Älterwerden der Kinder zu tun. Diese brauchten zunehmend weniger Betreuung, sodass ihnen die Eltern längere Abwesenheiten zumuten konnten. Mehr Arbeit bedeutete zudem mehr Lohn. Dieser war hochwillkommen, kosteten die Ausbildungen und die Hobbys der Kinder doch eine Stange Geld. Die Eltern standen jedoch voll hinter dieser Situation. Sie rieten ihren Kindern, einen Beruf (bzw. ein Studium) zu wählen, das ihnen wirklich Freude machte. Die bisherige Entwicklung zeigt, wie richtig das war.

Entwicklung der Kinder Die Kinder – Florian, Bigna und Laurin – sind alle erwachsen, haben eine Erstausbildung abgeschlossen und absolvieren nun ergänzende Studien. Sie stehen mit beiden Beinen im Leben und beteiligen sich neben dem Studium noch an kreativen Projekten. Die jungen Erwachsenen leben nicht mehr im Elternhaus, sondern mit Wohnpartnern, bei denen sie ihre Sozial- und Haushaltskompetenzen unter Beweis stellen können. Einer der Söhne hat von seiner Mutter den Brauch übernommen, für den Sonntagmorgen einen Zopf zu backen, was seine Mitbewohnenden sehr schätzen.

Florian (30) hat in Genf internationale Beziehungen studiert, den Bachelor gemacht und eine Journalistenausbildung absolviert. Nach einem Master in Volkswirtschaft und einem Studienaufenthalt in China arbeitet er nun als Assistent an der Uni Zürich und schreibt seine Doktorarbeit. Er lebt mit seiner Partnerin zusammen.

Bigna (28) hat sich zur Primarlehrerin ausbilden lassen und anschließend zwei Jahre in London in verschiedenen Schulen und Einrichtungen gearbeitet. Ab Herbst 2015 macht sie berufsbegleitend eine Textilfachausbildung in Zürich und plant zu zweit ein Textilatelier. Sie lebt als Jüngste in einer Genossenschaftswohngemeinschaft in Zürich.

Laurin (25) hat eine Lehre als Möbelschreiner gemacht und danach als Zivildienstleistender dreizehn Monate lang in einer Kita gearbeitet.[8] Anschließend hat er den Vorkurs für die Zürcher Hochschule der Künste absolviert und studiert nun Industriedesign. Auch er lebt in Zürich in einer Wohngemeinschaft.

Eltern-Kind-Beziehung Obwohl selbstständig, pflegen die Kinder einen herzlichen Kontakt zu ihren Eltern. Sie haben diese beispielsweise zum Besuch der Weltausstellung in Mailand eingeladen. Die ganze Familie hat dort ein Wochenende verbracht. Doch auch untereinander haben die Kinder viel Austausch und Unterstützung. Die Eltern freuen sich darüber, zumal das nicht selbstverständlich ist. Der Vater stellt eine große gegenseitige Vertrautheit fest und auch Dankbarkeit der Kinder in Zusammenhang mit den Ausbildungen. »Dass sie das machen können«, berichtet er, »betrachten sie nicht als selbstverständlich, auch wenn sie vergleichen mit Kindern, denen es – vom Elternhaus her – nicht so gut geht.«

Prägungen durch die Eltern Die Kinder haben – wie Corinne betont – auch praktische Fähigkeiten von ihren Eltern erlernt. »Diese Selbstverständlichkeit, wie sie sich in Wohngemeinschaften einbringen und sich organisieren und austauschen, da haben sie sicherlich vieles von uns und von der Art, wie sie aufgewachsen sind, mitbekommen.« Sie wurden in früheren Jahren regelmäßig und selbstverantwortlich zur Hausarbeit herangezogen. Es gab einen Aufgabenplan, mit dem ihre Mitarbeit eingefordert wurde. Wer mehrfach dagegen verstieß, musste einen Kuchen backen, woran letztlich alle ihre Freude hatten.

Bezüglich handwerklicher Fähigkeiten wurden die Kinder vor allem von Dani gefördert. Bigna hat von ihm gelernt, ein Velo zu reparieren. Und als Florian nach Genf zog, schickte er Dani eine Anfrage per SMS: »Papa, wie muss ich meine Lederjacke behandeln, damit sie schön bleibt?»

Zufriedenheit mit der partnerschaftlichen Rollenteilung Die Frage, ob sie die egalitäre Rollenteilung wieder wählen würden, auch in der heutigen Zeit, wird von Corinne und Dani mit einem überzeugten Ja beantwortet. Sie hatten sich bei der Familiengründung gewünscht, viel Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Darum starteten sie mit einem Halbe-Halbe-Modell, d. h. zwei 50-Prozent-Pensen, und teilten die Kinderbetreuung auf. Das stand im Gegensatz zu ihren Herkunftsfamilien, wo traditionelle Rollenvorstellungen dominierten. Corinne und Dani setzten ihren Plan, die Rollen zu teilen, konsequent um. Dank Kooperationen mit Freunden und Nachbarn (Kindertausch, Mittagstisch usw.) waren sie recht flexibel und hatten auch die Möglichkeit, eigene Beziehungen und Hobbys zu pflegen. Dani spielt ab und zu an Konzerten Schlagzeug und organisiert(e) in einem Kleintheater auch Jazzkonzerte. Corinne spielt Querflöte, singt in einem Chor mit, ist in verschiedenen Vereinen aktiv und engagiert(e) sich auch an diversen Quartieraktivitäten.

Kinderbetreuung Familienergänzende Kinderbetreuung war für Corinne und Dani früher keine Option, obwohl sie gut fanden, dass es sie gab. Im heutigen Umfeld würden sie sich allerdings überlegen, die Kinder zeitweise in eine Kita zu geben. Das Angebot habe sich – auch in den Schulen – so gut entwickelt, dass dies eine prüfenswerte Option wäre. Corinne begrüßt es, »dass es heute gute außerfamiliäre Betreuungen gibt. Aber es ist schade, wenn die Zeit dabei verloren geht, in der die Eltern mit den Kindern den Alltag leben können. Ich finde, dass die Entwicklung mehr in die Richtung gehen sollte, dass Eltern mehr Ferien und Freiräume haben, um Zeit mit Kindern zu gestalten.« Auch Dani äußert sich skeptisch gegenüber Paaren, die 80 und 100 Prozent arbeiten und die Kinder fast vollständig fremdbetreuen lassen. Diese kommen ihm jeweils wie »Anhängsel« vor.

Akzeptanz der Teilzeitväter Dani hat als junger Vater oft erlebt, dass er auf dem Spielplatz der einzige Mann unter vielen Frauen war – keine einfache Erfahrung. Corinne wurde von Kolleginnen und Nachbarinnen um ihren Mann beneidet. Im Familienkreis gab man ihr hingegen lange zu verstehen, eigentlich wäre doch sie für die Kinder verantwortlich. Doch die Zeit hat zu ihren Gunsten gearbeitet – heute ist ihr Modell auf privater Ebene weitgehend akzeptiert. Im gesellschaftlichen Bereich würden sich Corinne und Dani noch familienfreundlichere Strukturen wünschen. Dani findet, die Firmen sollten mehr Teilzeitstellen anbieten. Corinne denkt, »die Männer sollten mehr Unterstützung bekommen, damit sie als Väter wirklich zu Hause engagiert sein können. Heutzutage hat der Beruf wieder einen so hohen Stellenwert. Der Stress ist gestiegen, und es ist darum für viele schwierig.«

Ausblick und Rückblick Corinne und Dani haben mit partnerschaftlicher Rollenteilung gute Erfahrungen gemacht und das Modell immer wieder an wechselnde Bedürfnisse anpassen können. Bis zur Pensionierung darf es gerne so weitergehen. Dani hätte die Möglichkeit, mit 63 in Pension zu gehen, möchte aber lieber bis 65 weiterarbeiten. Er begründet es damit, dass er lange 50 Prozent gearbeitet und entsprechend wenig in die Pensionskasse einbezahlt habe. Zudem arbeite er auch gerne im Museum. Für Corinne, als Selbstständigerwerbende, stellt sich die Frage der Pensionierung noch nicht konkret – sie kann den Zeitpunkt ja selbst festlegen.

Die Bilanz bezüglich Partnerschaft und Rollenteilung fällt rundum positiv aus. Corinne stellt bei ihnen als Paar, aber auch als Familie eine große Zufriedenheit fest. »Wir haben uns für dieses Modell entschieden und alle damit gewonnen. Ich würde es wieder so machen, eindeutig.« Auch Dani teilt ihre Meinung. So stoße ich mit den beiden bei Spargeln, Schinken und Salat auf das Erreichte und ihre weitere Zukunft an. Sie haben Mutiges gewagt und, wie mir scheint, auf der ganzen Linie Erfolg gehabt.


Partnerschaftliche Rollenteilung - ein Erfolgsmodell

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