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Einleitung
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Befragt man junge Menschen zu ihrer Zukunft, so äußern viele den Wunsch nach einer Familie. Fragt man weiter, wie sie sich deren Organisation vorstellen, sagen Frauen – immer öfter aber auch Männer –, sie wünschten sich eine egalitäre[1] Rollenteilung. Damit ist die partnerschaftliche Aufteilung von Gelderwerb, Kinderbetreuung und Hausarbeit gemeint. Viele Paare möchten in diesen Bereichen die Verantwortung gemeinsam tragen und dadurch ihre Erfahrungsvielfalt vergrößern.
Diese Wünsche sind bei jungen Menschen seit Jahren hoch im Kurs. Doch nur wenige wagen es, mit der partnerschaftlichen Rollenteilung Ernst zu machen. Traditionelle Rollenprägungen und ungünstige gesellschaftliche Entwicklungen halten sie davon ab. Auch die Bedingungen am Arbeitsplatz erscheinen vielen unvorteilhaft. »Wir würden ja gerne, aber es geht einfach nicht«, meinen sie entmutigt. Aus Angst vor negativen Konsequenzen, zum Beispiel einem Karriereknick, entscheiden sie sich schließlich für eine konventionelle Rollenteilung. Der Mann arbeitet dann Vollzeit, die Frau Teilzeit. Oder sie bleibt ganz zu Hause bei den Kindern. Oft führen solche Konstellationen jedoch zu Unzufriedenheit. Die Mütter klagen, sie würden den Bezug zur Arbeitswelt verlieren. Und die Männer bedauern, zu wenig Zeit für ihre Kinder zu haben.
Das egalitäre Rollenmodell weist einen Ausweg aus diesem Dilemma. Es bietet Frauen wie Männern die Chance, Beruf und Familie zu vereinbaren. Gespräche mit Teilzeit arbeitenden Paaren, die das egalitäre Modell seit zwanzig, dreißig und noch mehr Jahren praktizieren, beweisen, dass es zur Zufriedenheit aller funktionieren kann. Es bietet Eltern die Möglichkeit, sowohl am Erwerbsleben als auch an der Entwicklung der Kinder teilzuhaben. Und es gewährleistet, dass die Hausarbeit – das ungeliebte Stiefkind – auf beide Partner aufgeteilt wird.
Im Rahmen der vorliegenden Langzeitstudie wurden 28 Elternpaare aus der deutschen Schweiz in Abständen von ca. zehn Jahren dreimal zu ihrer partnerschaftlichen Rollenteilung interviewt.[2] 2016 wurden ergänzend auch die inzwischen erwachsenen Kinder über ihre Erfahrungen und Rollenpräferenzen befragt. Die Ergebnisse der beiden Studien sind ermutigend: Nicht nur auf kurze Dauer, sondern auch im Zeitverlauf sind egalitär organisierte Paare mit ihrem Rollenmodell mehrheitlich zufrieden. Praktisch alle würden es wieder wählen.
Die Vorurteile, das partnerschaftliche Rollenmodell mindere Lebens- und Karrierechancen, werden aus Sicht der Befragten weitgehend widerlegt. In den Anfängen des Arrangements haben einige Väter und Mütter solche Nachteile zwar durchaus erlebt. Aus heutiger Sicht beurteilen die meisten Paare ihre familiäre Entwicklung aber als stimmig und bereichernd. Wie einige Beispiele in diesem Buch zeigen, ist eine Karriere – mit zeitlicher Verzögerung – auch für Teilzeit arbeitende Eltern möglich. Wenn die Verantwortung für die Erwerbsarbeit auf zwei Schulternpaaren ruht, verteilt sich zudem die Last der Existenzsicherung.
Dieses Buch vermittelt einen Überblick über die Erfahrungen und Beurteilungen der »Rollenteilungspioniere«, deren Kinder inzwischen herangewachsen sind. Es dokumentiert die Vielfalt an interessanten und berührenden Aussagen aus dem Paar- und Familienalltag. Weiter zeigt es auf, wie die inzwischen erwachsenen Kinder die im Elternhaus erlebte Rollenteilung beurteilen und wie sie sich ihre eigene Zukunft vorstellen. Es ist unverkennbar, dass die jungen Menschen von Vater und Mutter positiv geprägt wurden und mehrheitlich planen, auch die eigene Beziehung partnerschaftlich zu gestalten.
Das vorliegende Werk versteht sich als Mutmacher für junge Paare, die das egalitäre Experiment ebenfalls wagen wollen. Wenn beide Partner eine partnerschaftliche Rollenteilung befürworten und wenn gewisse Rahmenbedingungen gegeben sind, kann das Modell für Eltern wie Kinder sehr bereichernd sein. Das Buch ist aber nicht nur für junge Menschen gedacht, sondern auch für Fachleute, die diese beraten und begleiten: Vereinbarkeitsfachleute, Lehrpersonen, Dozierende, Fachleute in Berufs- und Laufbahnberatung, Gleichstellungsbeauftragte, therapeutisch Tätige, Sozialarbeitende und wissenschaftlich Forschende. Ihnen allen kann das Buch helfen, die Vorzüge der partnerschaftlichen Rollenteilung zu erkennen und bestehende Vorurteile zu korrigieren.
Luzern, April 2017
Margret Bürgisser