Читать книгу Deutschland und die Migration - Maria Alexopoulou - Страница 11

Die erste Zwangsarbeit

Оглавление

Ohne den Einsatz der etwa drei Millionen ausländischen Arbeitskräfte wäre die deutsche »Heimatfront« während des Ersten Weltkrieges viel schneller zusammengebrochen, so der Migrationsforscher Klaus J. Bade.1 Sie alle leisteten zumindest zum Ende des Krieges hin Zwangsarbeit unter immer schwieriger werdenden Bedingungen: die Kriegsgefangenen, die aus Belgien und Russisch-Polen zur Zwangsarbeit Deportierten sowie die belgischen und russisch-polnischen »freiwilligen« Arbeiter*innen. Auch diese Gruppen von Ausländern wurden rechtlich und im Alltag unterschiedlich behandelt: Die Kriegsgefangenen und deren Arbeitseinsatz unterstanden dem internationalen Völkerrecht. Die Deportation von belgischen Arbeiter*innen aus den besetzten Gebieten löste dagegen internationale Proteste aus und wurde im Versailler Friedensvertrag auch entsprechend sanktioniert.

Was die polnisch-russischen Arbeiter*innen erdulden mussten, wurde hingegen weder während des Krieges noch danach skandalisiert oder in irgendeiner Weise entschädigt. Russisch-polnische Arbeiter*innen, die bereits in Deutschland erwerbstätig waren, wurden bei Ausbruch des Krieges an der Rückkehr gehindert; andere wurden später teils mit brutaler Gewalt von der deutschen Besatzung zwangsrekrutiert. Manche waren auch freiwillig gekommen – wobei die Forschung rückblickend keine klare Grenze zwischen Zwang und Freiwilligkeit ziehen kann.

Einer der Gründe, warum die Behandlung dieser Zwangsarbeiter*innen, unter denen auch zahlreiche jüdische Pol*innen waren, kaum von den Zeitgenoss*innen kritisiert wurde, war wohl, dass die Diskriminierung dieser Herkunftsgruppe bereits vorher existiert hatte und nun lediglich verschärft wurde. Polnisch-russische Arbeitskräfte unterlagen erneut einem restriktiven Sonderrecht, das ihre teilweise Internierung, die Zuteilung einer Arbeitsstelle und das Verbot, diese, den Wohnort oder gar die eigene Behausung etwa zum Kirchgang ohne polizeiliche Genehmigung zu verlassen, umfasste. Ihr Leben war derart unfrei, dass sie auch ihrem Umfeld klar als Zwangsarbeiter*innen erkennbar gewesen sein müssen. International war diese Art, Zwangsarbeit unter Kriegsbedingungen durchzusetzen, jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt neu und einmalig.2

Dieses Kapitel von Zwangsarbeitsmigration ist noch nicht vollständig durchleuchtet und insbesondere der breiteren Bevölkerung heute wenig bekannt. Ebenso ist in der Forschung die Frage noch nicht klar beantwortet, inwiefern diese erste Erfahrung mit Zwangsarbeit in einem Weltkrieg die Nationalsozialisten inspirierte, ob es also direkte Kontinuitätslinien gab. Auch ist noch nicht geklärt, inwiefern die vorherigen Erfahrungen mit Zwangsarbeitslagern in den Kolonien für beide Fälle als Vorbild dienten.

Deutschland und die Migration

Подняться наверх