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Die Zellsymbiose
Оглавление»Hm«, werden sie jetzt vielleicht sagen, »das kann mir doch eigentlich egal sein, ob da zwei Minieinzeller mit oder ohne Zellkern herumwimmeln« – ich würde Ihnen das alles aber nicht erzählen, wenn ich nicht einen guten Grund dafür hätte: Sie selbst haben einen Zellkern und sind deshalb eine höhere Ordnung an Lebewesen. Und wir alle können nur deshalb auf andere »niederere« Lebensformen, wie die Bakterien, herabsehen, weil vor eben zwei Milliarden Jahren etwas ganz Außerordentliches geschehen sein muss: Die »bacteria« und die »archea« haben sozusagen fusioniert: In der sogenannten Zellsymbiose, die man sich vielleicht wie eine gigantische Spontanhochzeit vorstellen kann, sind diese beiden Einzeller zu einem neuen Minilebewesen verschmolzen, einem Einzeller. Wobei die ältere »archea« die jüngere »bacteria« in sich aufnahm. Ob sich anschließend spontan und schnell oder erst im Lauf der Jahrmillionen ein Zellkern bildete, wissen wir noch nicht. Aber wir können mit Sicherheit sagen, dass das Genmaterial aller Zellen von Mensch und Tier und Pflanze zu 60 Prozent von der »archea« stammt und zu 40 Prozent von der »bacteria«.
Eine uralte und doch moderne Lebensform
Wie bei jeder Fusion fragt man sich unwillkürlich: Wo sind die Vorteile? Und die liegen schnell auf der Hand: Die »archea« ist schon so alt, dass sie noch zu einer Zeit entstanden ist, in der es auf der Erde keinen Sauerstoff gab. Die »bacteria« dagegen kannte nicht nur das Geheimnis der Photosynthese, sie hatte auch schon einen Stoffwechsel, der den Sauerstoff nutzen konnte. Sie brachte die Energie mit. Und das ist bis heute so geblieben: Die Energiezentrale, das kleine lebendige Kraftwerk, das jede Zelle zu ihrer Arbeit befähigt, war und ist die »bacteria«. Nur eins hat sie bei der Fusion verloren. Ihren Namen. Sie heißt jetzt Mitochondrium.
Der Fachbegriff für Zellen mit Zellkern ist übrigens »euryont«. Auch dieser Begriff stammt aus dem Altgriechischen eu = gut und káryon = Kern. Das also ist der »gute Kern«, den wir doch alle haben.
Ein Exkurs über den Sauerstoff
Damit man es nicht so leicht überliest, folgt jetzt ein Input zum Thema »Sauerstoff«. Die alte »archea« stammt aus der Zeit vor dem Sauerstoff, die »bacteria« dagegen ist schon mit ihm aufgewachsen und konnte ihn nutzen. Wo also kommt er her?
Wenn Sie jetzt ein gutes Gedächtnis haben – oder einfach zurückblättern –, erfahren Sie, dass die Cyanobakterien Photosynthese betrieben. Sie sonderten dabei ein Gas ab, den Sauerstoff. Je länger sie auf der Erde lebten und je stärker sie sich vermehrten, umso höher stieg der Sauerstoffanteil in der entstehenden Atmosphäre an. Das heutige Niveau an Sauerstoff wurde übrigens sehr viel später erreicht – erst vor 350 Millionen Jahren. Seither beträgt der Sauerstoffgehalt etwa 21 Prozent der Erdatmosphäre.
Als jedoch vor etwa 2500 Millionen Jahren eine bestimmte Menge erreicht war, geschah eine Katastrophe: Sie wissen es selbst, wenn man einen Gartengrill, einen Nagel oder einen anderen Gegenstand aus Eisen länger an der Luft lässt, rostet er. Rost ist nichts anderes als eine Verbindung von Sauerstoff mit einem geeigneten Material wie eben Eisen. Wir wissen nicht ganz genau, was geschah, aber man spricht vom »Great Oxidation Event«, mit dem das Zeitalter des Archaikums zu Ende ging. Stellen Sie sich einfach vor, dass die Erde anfing zu rosten. Und wie es fast immer im Leben ist: des einen Leid – des anderen Freud. Die Lebensformen, die jetzt entstanden, konnten den Sauerstoff für ihren Stoffwechsel nutzen. Sie waren eine moderne Form des Lebens, energiereicher und damit echte Siegertypen wie die »bacteria«.