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10. Hildes Pläsier

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Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid;

ich will euch erquicken.

Matthäus 11,28

Hilde Ströbel fuhr mit dem Taxi vom Flughafen Belgrad ins Hotel. Entgegen dem Angebot, sich direkt vom Flughafen abholen zu lassen, wollte sie sich erst etwas akklimatisieren. Außerdem mussten ihre »Partner« nicht unbedingt ihren Verbleib in Belgrad erfahren. Das »Hyatt Regency Belgrad« wurde ihr von ihrem Büro empfohlen, da es einem gehobenen Standard entsprach. Es war ein Hotel, in dem der Gast noch eine Nuance stärker als »Herr« behandelt wurde, als es in anderen Häusern der Spitzenklasse der Fall war. Hilde empfand es als prickelnd, wenn sich das Personal vor ihr verbeugte. Das Hyatt liegt in Novi Beograd, dem neuen Stadtteil von Belgrad, fünf Autominuten vom Zentrum entfernt.

Mit einem guten Angebot an Wellness, Dampfbad, Sauna und einer internationalen Küche zählte das Hotel zur 5-Sternekategorie. Der angegliederte Golfplatz war ebenso wie der Reitstall das ganze Jahr über ausgebucht. Das einfache Zimmer, was durchaus schon mit einem Marmorbad als großzügig ausgestattet bezeichnet werden konnte, war für die Nacht für 247 Euro zu bekommen. Hilde Ströbel war zufrieden mit der Empfehlung und hatte die Regency Suite für 378 Euro pro Tag für drei Tage gebucht. Im Hotel angekommen, ließ sie sich eine Wellness-Ölmassage verab-reichen und Saugnäpfe auf ihren Rücken setzen. Der tat ihr wieder einmal höllisch weh. Anschließend ging sie in die Sauna und schwamm eine halbe Stunde im Pool.

Danach telefonierte sie mit ihrem Büro, was längere Zeit in Anspruch nahm, da wieder einmal in ihren Boutiquen nicht alles rund lief. Ihre Sekretärin, mit der sie eigentlich ein gutes Verhältnis hatte, musste jetzt doch als Blitzableiter fungieren und bekam einige Flüche ab. Nachdem sie auch noch drei weitere Geschäftsführer nacheinander zur Sau gemacht hatte, war von der vorausgegangenen Entspannung nichts mehr zu spüren. In falschen Größen be-stellte Ware konnte nicht mehr zurückgegeben werden und versperrte nun als Ladenhüter den Platz, der in wenigen Tagen für die neue Kollektion gebraucht werden würde. Ein Aperitif und eine halbe Flasche trockener Rotwein im Speisesaal beruhigten sie später etwas. Das Essen schmeck-te ihr nicht so recht, so aß sie nur die Hälfte.

Gegen zehn ging sie in die Bar. Der Pianoplayer haute ordentlich in die Tasten. An der Theke war wenig Platz. Sie hätte gerne einen Eckplatz für sich alleine gehabt, so aber setzte sie sich neben einen älteren, braun gebrannten, et-was kräftigen Herrn. Hoffentlich quatscht der mich nicht von der Seite an, war ihr Gedanke. Ihr Wunsch sollte nicht erfüllt werden. Es dauerte nicht lange und die Frage kam.

»Sorry, Lady. You are from easy Beograd?«

Hoffentlich spricht der kein Deutsch. Ich tu so, als ob ich ihn nicht verstehe.

»No, ei verstehe Sie not.«

Ihre Hoffnung ging nicht in Erfüllung. Als hätte sie es geahnt, wechselte er in einwandfreies Deutsch.

»Was denn, eine so schöne Dame und spricht kein Englisch? Noch dazu in Serbien. Hier kommt man ohne doch gar nicht weiter. Na, wenn Sie mich mal nicht verarschen wollen.«

»Nein, das nicht, aber ich möchte alleine sein. Ich habe gerade meinen Mann verloren und mir steht nicht der Sinn nach Konversation.«

Das Hochziehen der Nase und mehrmaliges Wimpernschlagen sollten in ihrem Ausdruck Trauer vermitteln. Es klappte nicht. Er kapierte es nicht.

»Was denn? Dann sind Sie ja sozusagen alleine. Ich auch. Das müssen wir vertiefen. Ich komme aus Köln, der Stadt des Karnevals. Woher stammen Sie und was macht eine so reizende Lady hier?«

Sie lächelte und bedeute ihm mit dem Zeigefi nger, näher zu kommen. Er beugte sich erwartungsvoll mit dem Kopf etwas zu ihr und sie kam ihm mit geöffneten Lippen ver-führerisch entgegen. Sie flüsterte ihm ins Ohr: »Wenn du nicht gleich zahlst und die Kurve kratzt, schreie ich, lasse den Hoteldirektor kommen und sage ihm, du hättest mich angetatscht.«

Ihr fragender Blick ließ keinen Zweifel an ihrer Absicht. Doch da verlangte er schon die Rechnung. Von da an hatte sie Ruhe und konnte ihren Gedanken nachgehen.

Bei einem Caipirinha und einem anschließenden Plunters Punch führte sie sich noch mal den Werdegang bis hierher vor Augen. Der Chatroom war relativ sicher, trotzdem hatte sie sich nicht getraut, die Fragen direkt zu stellen. Es war ausgemacht, dass man sie abholte. Sie wollte jedoch nicht direkt vor dem Hotel abgeholt werden, sondern mit einem Taxi drei Blocks weiter zum Hotel Continental fahren. Hier sollte man sie erwarten. Ein Fahrzeug sollte sie in das 180 Kilometer entfernte Ziel bei Krusevac, mitten in Zentralserbien, bringen. Auf ihre Frage, wo das denn genau wäre, wurde ihr geantwortet: »Wir werden Ihnen zwar nicht die Augen verbinden, es ist aber zu ihrem eigenen Schutz wichtig, dass sie nichts über die genaue Lage der Örtlichkeit wissen. Wir empfehlen, ein kleines Nickerchen während der Fahrt von anderthalb Stunden zu machen.«

»Sind es Zimmer?«

»Keller. Absolut schalldicht.«

»Wen treffe ich vor?«

»Einen jungen Mann. Mitte zwanzig. Gute Figur.«

»Woher?«

»Deutscher. Ist das ein Problem?«

»Nein, aber mit Klebeband vorm Mund.«

»Ok. Nackt? Stehend? Liegend?«

»Angezogen auf einem Bett. Hände rechts und links ans Bett gefesselt.«

»Ok. Was weiter?«

»Ich weiß nicht. Was meinen Sie?«

»Was brauchen Sie für Utensilien?«

»Messer, scharfes. Ein Brenneisen. Möglichst rund. Zirka zwei Zentimeter Durchmesser. Mit Feuerstelle.«

»Sonst noch was?«

»Was ist denn sonst so üblich?«

»Alles, was es gibt. Man kann sich nicht alles vorstellen. Es ist aber alles machbar.«

»Nein, mehr brauche ich nicht.«

»Im Raum gibt es eine Sichtschutzwand, dahinter können Sie Ihre Kleider ablegen. Dort ist auch ein Ruhebett für Sie. Sie haben insgesamt sechs Stunden Zeit.«

»Warum muss ich dort meine Kleider ablegen?«

»Sie müssen nicht. Aber Blut können Sie besser auf Ihrer

Haut abwaschen. Es gibt eine Dusche.«

Nun war Hilde Ströbel doch etwas geschockt über ihr innigstes Verlangen und war sich einen Augenblick unsicher. Dann aber kam ihr eine weitere Frage in den Sinn und sie schrieb: »Ist der Mann auch gesund?«

»Ja, ein Bluttest hat ergeben, kein Aids, keine ansteckende Krankheit. Er ist aber drogen- und tablettenabhängig. Problem?«

»Nein. Was geschieht anschließend mit ihm?«

»Ist nicht Ihr Problem. Wir bringen Sie wieder in Ihr Hotel.«

»Wie erkenne ich Sie?«

»Ich persönlich werde nicht da sein. Man wird Sie erkennen. Teilen Sie uns den Flug und die Ankunftszeit mit.«

»Nein, ich komme einen Tag früher. Holen Sie mich vor dem Hotel ab. Ich sage noch Bescheid wann und wo.«

Soweit rief sich Hilde Ströbel noch mal alles ins Gedächtnis.

Auf wackligen Beinen ging sie zu ihrer Suite. Voll innerer Unruhe legte sie sich zur Entspannung in den Whirlpool im Bad, nachdem sie sich zwei kleine Ginflaschen aus der Minibar in ein Glas gegossen und es mit ins Bad genommen hatte. Gegen zwei Uhr schlief sie ein.

Um acht Uhr morgens wachte sie auf, frühstückte auf dem Zimmer, duschte und zog sich an. Um Viertel vor neun ließ sie sich ein Taxi rufen und die zwei Blocks weiter zum Continental fahren. Sie bezahlte, stieg aus und ging in Richtung Eingangsportal, als ein schwarzer Wagen vorfuhr. Die Seitentür wurde geöffnet.

Der Fahrer sprach zu ihr: »Frau Ströbel, steigen Sie ein. Wir können fahren.«

Die Fahrt war in dem klimatisierten Van angenehmer, als sie sich diese vorgestellt hatte. An Bord gab es sogar gekühlte Getränke. Über Jagodina fuhren sie die 217 Richtung Stalac. Irgendwann bog der Van zwischen Stalac und Krusevac ab und fuhr über einen Betonweg in Richtung des Morava-Flusses. Um zehn Uhr dreißig hatten sie ihr Ziel erreicht. Einen alten Bunker, der schon vor dem Jugoslawienkrieg zur Ausbildung der Soldaten gedient hatte.

Hexen gibt es nicht

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