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11. Diskussion über Gott und die Welt
ОглавлениеWohl dem, der stets mit Gottes Wort umgeht und es auslegt und lehrt.
Sirach 14, 22
Für Propst Kerner und Pfarrer Gregor Herzberger waren schon vor Tagen von Deutschland aus zwei Zimmer im Hotel Excelsior gebucht. Das Hotel befindet sich mitten in Belgrad, in der Nähe des Nationalmuseums. Geht man aus dem Hotel über die Straße mit dem Namen Kneza Milosa, so findet man Ruhe und Erholung im Pionirskipark.
Es war schon spät, als sie im Hotel ankamen. Die Küche hatte noch geöffnet und so suchten sie sich etwas aus der Karte aus. Nach einem Glas Wein gingen beide auf ihre Zimmer. Propst Kerner machte sich noch einige Notizen für das Treffen am nächsten Tag. Gregor Herzberger telefonierte mit seiner Frau. Ihr ging es nicht gut. Sie war allein zu Hause und hatte schon eine Schlaftablette genommen. Die Tochter musste am späten Nachmittag unverhofft mit einem Schwächeanfall ins Krankenhaus gebracht werden, wo sie zur Beobachtung erst einmal bleiben sollte. Später sollte sie unbedingt in eine Einrichtung der Caritas zur Beobachtung und Erholung. Der Sohn blieb öfter in letzter Zeit über Nacht bei seiner Freundin. Erst spät in der Nacht fand Herzberger seinen Schlaf.
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen verabschiedete sich Propst Kerner und rief ein Taxi. Er gab Herzberger einen Tipp für seinen Tagesablauf.
»Schauen Sie sich Belgrad an. Spannen Sie mal richtig aus. Sie sehen mitgenommen aus. Ist Ihnen der Flug nicht bekommen?«
Herzberger antwortete nicht darauf. So viel Ironie musste er erst mal verdauen.
Im Pionirskipark schaute er sich vormittags die Statuen an, aß eine Kleinigkeit in einem schmucken Restaurant in der Nähe der Stadthalle und nahm an einer Stadtrundfahrt teil. Am späten Nachmittag ging er ins Hotel und rief abermals zu Hause an. Seine Frau ging jedoch nicht ans Telefon. Er legte sich aufs Bett und schlief nach einiger Zeit ein.
Propst Kerner fuhr zu einer Adresse, die ihm von dem protestantischen Pfarrer Josip Mihailovic mitgeteilt wurde. Sein Ziel war eine alte Villa in der Nähe der beiden Stadien. Am Partizan Stadion nahm er eine falsche Abfahrt und musste zurückfahren, an einem Waldgebiet vorbei, bis er die Villa vor sich hatte.
Mihailovic empfing ihn schon vor dem Haus. Als das Taxi wegfuhr, sagte er zu Kerner: »Mein lieber Freund, wir müssen vorsichtig sein. Das Treffen hier darf auf gar keinen Fall öffentlich werden.«
»Nun, ich dachte, mittlerweile wäre Belgrad eine moderne europäische Metropole, großzügig Andersdenkenden gegenüber.«
»Ja, das mag wohl in politischer Hinsicht so sein. Wir aber dürfen kein anderes Denken als das christliche auch nur ansatzweise öffentlich diskutieren, geschweige denn verbreiten.«
»Das wollen wir in Deutschland auch nicht.«
»Ja, aber ihr könnt euch in euren Universitäten, auf Kirchentagen und anderen Foren ohne Angst vor Repressalien austauschen.«
»Und das geht in Serbien nicht?«
»Nein, hier dominiert der christliche, katholische Glauben, etwa wie bei euch in Bayern, nur dass es nicht erwünscht ist, Glaubensfragen zu stellen.«
Sie betraten die Villa. Es war angenehm kühl durch die Klimaanlage. Zehn Personen, ausschließlich Männer, saßen am großen Tisch im Salon und redeten wild durcheinander.
»Meine Herren, ich bitte Sie. So geht das nicht. Wir sollten ein konstruktives Gespräch führen. Ich darf Ihnen unseren Gast aus Deutschland, Propst Kerner vorstellen. Er steht seit geraumer Zeit mit uns in Verbindung und nimmt als stiller Zuhörer heute teil.«
Zu Kerner gewandt sagte er: »Ich werde Ihnen die einzelnen Herren im Laufe des Tages vorstellen.«
Die zehn Teilnehmer der Runde nickten Kerner zu und waren sofort wieder ins Gespräch vertieft.
»Wir können ja nicht einmal die irrsinnige These von Adam und Eva infrage stellen, ohne dass wir gesteinigt werden.«
»Die wird von den meisten Menschen auf der ganzen Welt nicht infrage gestellt.«
»Ja, das liegt allerdings daran, dass sich die einen keine Gedanken darüber machen und die anderen, vorwiegend ältere Leute, es schon immer so gehört haben und nicht hinterfragen.«
»Ach, und was motiviert dann eine Million größtenteils junge Menschen, dem Papst zu huldigen, der doch gegen Abtreibung und Verhütung gleichermaßen ist?«
»Genau, die sitzen alle in der Kirche, hören die Predigt und tragen so dazu bei, der Kirche weiterhin die Macht zu geben, Märchen zu verbreiten, die einzig und alleine den Zweck haben, die Schäfchen bei der Stange zu halten.«
»Klar, das bringt doch die Kirchensteuer ein.«
»Warum traut sich keiner, öffentlich zu sagen, dass das komplette Alte Testament erlogen ist? Und das Neue noch dazu.«
»Na, so hart würde ich es nicht sagen. Immerhin sind einige Sachen erwiesen.«
»Ach ja, was denn? Dass Eva aus einer Rippe von Adam entstand? Mann, heute lernen die Kids doch schon im Sexualkundeunterricht, dass Inzucht in dritter und vierter Generation zu solchen Schäden führt, dass ein Überleben nicht möglich ist.«
»Außerdem hat die Wissenschaft die Entstehung des Menschen nachgewiesen.«
»Und trotzdem wird die Evolutionstheorie, die ja an allen Schulen und Universitäten gelehrt wird, von vielen Menschen infrage gestellt. Charles Darwin, einer der Begründer des Glaubens, dass sich das Leben vom Einzeller bis zum Säugetier entwickelt hat, hat selbst Zweifel daran.«
»Ach, das sind doch nur die Zeugen Jehovas, die Angst davor haben, sie könnten vom Affen abstammen.«
»Das ist aber auch Glaubenssache.«
»Nein, das ist Fakt. Glaube ist, dass Jesus Wasser in Wein verwandelt hat.«
»Kann ich auch. Es gibt Brausetabletten, die sich in nur zehn Sekunden auflösen. Merkt keiner. Hätte früher auch keiner bemerkt.«
»Bleib mal sachlich.«
»Was aus der Entstehungsgeschichte als Tatsache zu entnehmen ist, wird wohl nie geklärt werden können. Es ist keiner da, den man fragen kann.«
»Ja, aber nehmen wir einmal die Kreuzigung Jesu. Da stimmt ja fast gar nichts. Überliefert ist, dass Jesus ans Kreuz genagelt wurde. Vom römischen Konsul Publius Cornelius Tacitus wurde im Jahre 111 berichtet, dass ein Christus von dem Präfekten Pontius Pilatus hingerichtet wurde. Kein Wort von gekreuzigt. Und weiter … War er da 36 oder 39 Jahre alt? Das wurde nicht genau überliefert. Ist aber für die spätere Zeitrechnung wichtig.«
»Solche Beispiele gibt es viele.«
»Für manche Geschichtchen im Alten und Neuen Testament gibt es auch logische Erklärungen.«
»Wasser in Wein zu verwandeln, leuchtet mir anhand von Farbpulver einer Frucht schon ein, aber welche Erklärung gibt es dafür, dass man vor zweitausend Jahren solche Angst vor einem einzigen Menschen hatte? Man hätte ihn doch auf offener Straße umbringen können. Das Volk konnte gegen die Schwerter der Römer nichts machen.«
»Und warum hat man sich auf Jesus alleine konzentriert? Ging keine Gefahr von seinen Jüngern aus?«
»Die sind jedenfalls nicht gekreuzigt worden.«
»War es überhaupt Jesus, der da am Kreuze hing?«
»Was ist das für eine Frage? Zweifelst du daran?«
»Sagen wir einmal so. Es gibt da eine Theorie, mit der sich in letzter Zeit immer mehr Menschen anfreunden können. Nicht bewiesen, aber falls sie stimmen würde, könnte es das ganze Weltbild über Jesus und den Glauben um ihn erschüttern.«
»Und welche Theorie ist das?«
»Nehmen wir einmal an, dass Jesus gar nicht gekreuzigt wurde. Dass er gar nicht getötet wurde …«
Großes Stimmenwirrwarr war die Reaktion der Zweifler. Dann setzte sich einer stimmlich durch.
»Es gibt logischerweise keinen Zeitzeugen der damaligen Geschehnisse, also müssen wir die Überlieferungen so nehmen, wie sie sind. Wir können an vielen Geschehnissen zweifeln. Aber an der Existenz Jesu und an dem, was damals an Ostern geschah, darf es keine Zweifel geben.«
»Und wenn doch? Ich meine nicht die Existenz Jesu. Aber seinen Tod und die Auferstehung.«
»Dann sag uns mal deine Theorie.«
»Nehmen wir einmal an, Judas Ischariot wäre gar nicht der Verräter gewesen, für den ihn alle halten. Nehmen wir weiter an, es hätte eine Absprache bei den Jüngern gegeben. Es könnte möglich gewesen sein, dass sie damals weit Schlimmeres befürchteten, wenn sie die Situation mit den Römern nicht entschärfen konnten. Nehmen wir weiter an, dass die Jünger übereinkamen, Jesus nur zum Schein auszuliefern. Nur, dass dieser Jesus nicht Jesus sein sollte, sondern dass sich Petrus bereit erklärte, für seinen Herrn zu sterben. Dann bekam also den so berühmten Kuss des Judas nicht Jesus, sondern Petrus.«
Es wurde so still im Raum, dass man die berühmte Stecknadel hätte fallen hören können. Der Verbreiter dieser Theorie schaute in die Runde. Er sah nicht nur Zweifel in den Gesichtern, er sah auch Verständnis. Oder zumindest fragende Gesichter.
Dann sagte er weiter: »Stefan Fandrey hat dies in seinem Buch Hexengericht niedergeschrieben. Sicher ein Roman, aber eindeutig wiederlegen kann das niemand. Er schreibt weiter, dass Judas dann ja wohl nicht der Verräter Jesu gewesen sei, sondern dessen Retter.«
»Wäre das so gewesen, dann wäre anstelle Jesu ja Petrus ans Kreuz genagelt worden.«
»Mit dem genagelt ist das auch so eine Sache. So wie es dargestellt wird, mit Nägeln durch Hände und Füße getrieben, geht das gar nicht. Der Körper kann so nicht halten.«
»Ja, Petrus wäre dann für Jesus gestorben. Und Jesus wäre es gewesen, der der Jerusalemer Urgemeinde vorstand und später nach Rom ging, um dort der erste Papst der Christenheit zu werden.«
»Aber die alten Überlieferungen der Bibel erzählen doch, dass Petrus nach der Kreuzigung Jesu noch lange in Jerusalem lebte und dort missionierte. Später begleitete ihn eine Frau, auf der Flucht vor Herodes. Sie ging mit ihm auch nach Rom. Wenn es nicht Petrus war, sondern Jesus, dann war die Frau Maria Magdalena. Unglaublich!«
»Für diejenigen, die nur das Wort der Kirche glauben und nur die Zeilen in der Bibel lesen, ist das wirklich unglaublich. Aber für diejenigen, die zwischen den Zeilen lesen, ist es zumindest vorstellbar.«
»Es wäre aber doch schon längst etwas darüber bekannt geworden. In Rom sitzen doch lauter studierte Theologen. Die sind doch nicht alle dumm oder alle blind!«
»Wer sagt uns, dass die nicht Bescheid wissen? Es sollen im Vatikan Schriftrollen unter Verschluss liegen, die Experten auf ihre Echtheit untersucht haben und keinerlei Zweifel daran hatten, dass sie echt sind. Eine Altersbestimmung muss eine genaue Zuordnung zur Zeit kurz nach der Auferstehung ergeben haben. Darin sollen diese Thesen erklärt sein.«
»Und im Vatikan weiß man davon?«
»Im Vatikan weiß man viel mehr. Der Vatikan ist im Besitz von Informationen, die man sich hier nicht vorstellen kann. Und von dort aus wird gesteuert.«
»Und der Papst. Weiß der das auch alles?«
»Der Papst ist nicht dumm. Er weiß viel. Er will wahrscheinlich jedoch nicht alles wissen, was der Vatikan verbirgt. Sonst müsste er handeln. Und das wäre nicht immer richtig. Also stellt er sich unwissend.«
Das mussten alle erst einmal verdauen und so kam eine kleine Pause gerade recht. Ein Partyservice lieferte ein Essen an. Es wurde trotzdem aufgeregt durcheinander gesprochen. Nach einer halben Stunde rief der Hausherr die Versammelten wieder zur weiteren Aussprache zusammen.
Propst Kerner brauchte etwas frische Luft und unternahm einen kleinen Spaziergang. Seine Gedanken kreisten um die Rede des engagierten jungen Mannes. Kerner musste sich eingestehen, dass auch er sich von der Theorie nicht gänzlich lossagen konnte. Als er zurückkam, war die Diskussion wieder in vollem Gange.
»Und was machen wir aus unserem heutigen, modern denkenden Wissen der Vergangenheit? Nichts. Wir leben weiter so wie eh und je. Wir wollen gar nicht an das Un-endliche denken.«
»Was meinst du genau?«
»Na. Was war denn die bedeutendste Erfindung aller Zeiten?«
»Das Rad vielleicht?«
»Genau. Man glaubt heute, nach Datierung von Funden, dass das Rad im 4. Jahrhundert vor Christus entstand. Und was war die nächste bedeutende Erfindung?« Das Schweigen im Raum zeigte Kerner, dass sich nun alle Anwesenden auf den jungen Redner konzentrierten.
»Also, etwas mehr an Geschichtskenntnissen hätte ich euch schon zugetraut. Es war die
Erfindung des Schwarzpulvers. Wozu diente es?«
»Als Schießpulver?«
»Genau. Schwarzpulver ist eine Mischung aus Kaliumnitrat, was unter dem Namen Salpeter geläufiger ist, Holzkohle und Schwefel. Früher nahm man an, es käme ursprünglich aus China. Heute sind sich die Gelehrten einig, dass sich die Rezeptur sehr wahrscheinlich über Jahre hinweg durch Experimente herausgebildet hat. Der Beginn soll schon im 7. Jahrhundert gewesen sein und sich über die Jahre bis ins 13. Jahrhundert entwickelt haben.«
»Was willst du uns damit sagen?«
»Wartet, noch ein Beispiel und ihr werdet verstehen. Was waren die nächsten bedeutenden Erfi ndungen?«
Alle Anwesenden waren in den Bann des Redners gezogen.
»Das Auto?«
»Genau. Das Auto. Fernsehen. Telefon. Computer. Alles in sehr kurzer Zeit. Vom Rad zum Computer in nicht mal 8000 Jahren. Wie lange gibt es die Erde? Wie lange gibt es das Weltall? Das kann keiner sagen. Die Schätzungen gehen in Milliarden oder Billiarden von Jahren. Und was war vorher?«
»Über die Entstehung der Erde gibt es schon gewisse Theorien.«
»Ja, sicher. Nur genau wissen kann das keiner. Über das Entstehen des Universums an sich gibt es auch heute keine belegbaren Erkenntnisse. Lediglich Vermutungen einiger Professoren, die Überlegungen anstellen, dass irgendein Urknall eine Gammastrahlenexplosion in einer Galaxie weit, weit entfernt ausgelöst haben könnte. Also alles nur Gerede. Der Beweis fehlt. Der kann auch nicht geliefert werden.«
»Nun sag schon, was es mit den Erfindungen auf sich hat.«
»Ok. Also. Wir sind uns einig, dass kein Mensch die unendliche Weite des Alls begreifen kann. Auf der Erde gibt es schlaue Leute, die große Erfindungen gemacht haben. Was aber ist, wenn es in der unendlichen Weite des Alls eine weitere Erde, oder vielleicht viele weitere Erden mit sowas wie Menschen bewohnt, gibt? Und was ist, wenn diese Menschen oder was sie auch immer sein könnten, auf einem viel höheren Erfinderstandard sind als wir?«
»Spielst du jetzt Raumschiff Enterprise?«
»Nein, ich meine es ernst. Nur Idioten und Ignoranten können glauben, dass wir in der unendlichen Weite des Alls alleine sind. Und wenn es zutrifft, dass wir nicht alleine sind, haben die anderen auch einen Gott? Haben die vielleicht unseren Gott? Kann sich ein Gott allein um alle kümmern? Ist es nicht eher so, dass dieser Gott vielleicht nicht alles, was im All geschieht, mitbekommt?«
Es traute sich keiner, das Wort zu ergreifen.
Nach ewigen Sekunden sprach ein älterer Mann: »Wenn wir unseren Glauben verlieren, lohnt es sich nicht zu leben.«
»Glauben mag vielen Menschen Halt geben. An eine Macht zu glauben, die über den Menschen steht, ist ja auch nicht falsch. Vielleicht sogar notwendig und richtig. Aber der Glaube, den die Kirche wider besseres Wissen verbreitet, ist nicht richtig. Nikolaus Kopernikus hat erst 1509 die These aufgestellt, dass sich die Erde um die eigene Achse und wie die anderen Planeten alle auch, um die Sonne dreht. Er hat aber 30 Jahre gewartet, um sie zu veröffentlichen. Erst kurz vor seinem Tod hatte er den Mut, das zu tun. Heute sind wir es, die warten. Warten mit der Verbreitung neuer Ideen.«
»Wenn du Ideen verbreiten willst, die zum Inhalt haben, Gott als nicht existent darzustellen, solltest du dir im Klaren sein, dass du sehr vielen Menschen den Halt, den sie im Glauben fi nden, nimmst. Und was willst du ihnen als Ersatz anbieten? Schwarze Messen? Den Glauben an nichts? Oder an den Teufel vielleicht?«
»Wer an den Teufel glaubt, glaubt auch an Gott, so steht es in der Bibel, denn dort wird der Teufel nicht geleugnet.«
»Aber an was kann man dann glauben?«
»Ich weiß es auch nicht. Ich weiß nur, dass ich das unsinnige Gerede von der Kanzel nicht ertrage.«
Propst Kerner dachte auf dem Rückweg zum Hotel über die Situation nach. Sollte keiner sagen, dass junge Men-schen sich keine Gedanken über Gott machten. Ihm fiel ein Artikel ein, der kürzlich in der Welt abgedruckt war:
Beeindruckend sei die Bereitschaft junger Frauen und Männer aus Serbien und dem Kosovo, die Verletzungen der Vergangenheit zu überwinden und gemeinsam einen Weg für eine friedliche europäische Zukunft zu finden. So fasste die Leiterin der Europaabteilung der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) ihre Erfahrung im Anschluss an die siebte Serbientagung zusammen. Einen gemeinsamen Weg zu finden, war richtig. In welche Richtung er gehen sollte, war noch nicht absehbar. Kerner gefiel die Richtung, in die das Gedankengut der Leute bei diesem Meeting ging, nicht.
Zum Essen traf er sich wieder mit Herzberger im Speisesaal des Excelsior. Propst Kerner ließ Herzberger im Unklaren über den Verlauf des Tages. Er machte sich weiterhin Gedanken über die Argumente der Redner. Und er gestand sich zum ersten Mal Zweifel ein. Zweifel, die er sich aber nicht eingestehen wollte. Auch Herzberger war sehr wort-karg.
Nachdem Kerner sich verabschiedet hatte und ins Zim-mer zurückzog, traf Herzberger die Entscheidung, noch einmal an die frische Luft zu gehen.
Dies war für ihn folgenschwer und äußerst schmerzhaft.