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3. Schweizer Garde

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Wenn du in das Land kommst, das dir der Herr, dein Gott, zum Erbe geben wird,

und nimmst es ein und wohnst darin.

Mose 26,1

Die Schweizer Garde wurde 1506 von Papst Julius II. gegründet. Heute ist sie das einzige bewaffnete Armeekorps des Vatikans. Sie sichert die Vatikanstadt, den apostolischen Palast und die Sommerresidenz des Papstes, den Eingang des Castels Gandolfo. Außerdem ist sie für die persönliche Sicherheit des Papstes bei öffentlichen Auftritten verantwortlich. Sie fungiert praktisch als Hauspolizei und ist im Grunde ein Sicherheitsunternehmen. Mit ihren farbenfrohen Uniformen, orange-blau gestreiften Hosen und Stiefeln und den silbernen Helmen mit roter Feder, den weißen Handschuhen und weißen Halskrausen, könnten die Gardisten ein Überbleibsel aus mittelalterlicher Zeit sein. Aber der Betrachter sollte sich nicht täuschen, es ist eine hochmoderne, schlagkräftige Schutztruppe.

Laut Reglement hat die Garde 110 Mann, bestehend aus einem Kommandanten, einem Vizekommandanten, einem Kaplan, einem Major, zwei Hauptleuten, 26 Unteroffi zieren und 78 Gardisten. Neben der sichtbaren Bewaffnung der Gardisten mit Hellebarde und Schwert, die letztendlich aus nostalgischen sowie touristischen Gründen weiterhin Bestand haben, verfügt die Schweizer Garde aber auch über andere, moderne Waffen. Die Garde hat eine deutsche Pistole der Marke SIG P220 der Firma Sauer und Sohn in Eckernförde. Das Sturmgewehr SG550, hergestellt von der SAN Swiss Arms AG, wurde 1990 in den Bestand aufgenommen. Eine diverse Sammlung von Messern und Pfeffersprays runden das Arsenal der Garde ab.

Seit dem 4. Mai 1998 ist es um die Schweizer Garde ruhig geworden. Damals wurden der Kommandant Alois Estermann und seine Gattin Gladys Meza Romero von dem Gardisten Cedric Tomay ermordet. Dieser hat sich daraufhin in der Kommandantenwohnung angeblich selbst das Leben genommen. Zu dem Mord wurden Gerüchte und Verschwörungstheorien verbreitet und für die Boulevard-presse war dieser Mord ein gefundenes Fressen. Zu den Gerüchten zählte auch eine Annahme, dass Estermann für den damaligen Staatssicherheitsdienst der DDR gearbeitet habe. Auch die Theorie einer homosexuellen Beziehung des Kommandanten wurde öffentlich diskutiert. Obwohl vom Vatikan alle Anschuldigungen gegen Estermann dementiert wurden, blieben in der Öffentlichkeit Zweifel hängen.

Seit dieser Zeit sind keine nennenswerten Skandale der Schweizer Garde bekannt geworden. Das Interesse der Öffentlichkeit konzentriert sich auf die Einflussnahme des neuen Papstes aus Deutschland auf das Weltgeschehen.

Papst Benedikt XVI, alias Josef Aloisius Ratzinger, ist der 8. deutsche Papst und seit 2005 im Amt. Er ist durch die Schweizer Garde wohl behütet und fühlt sich sicher, wie er einmal in einem Interview im ersten Programm des italienischen Rundfunks erwähnte. Er wird nicht nur durch die Gardisten geschützt, er wird auch durch eine Gruppe auf Personenschutz getrimmter junger Männer im Vatikan abgeschirmt. Man hält alles Unangenehme, auch den Vatikan betreffend, von ihm fern. So erfährt der Papst nicht, wer und wie viele Personen wann zu seinem Wohl eingesetzt werden. Ihm werden vermeintlich unwichtige Vorkommnisse nicht mitgeteilt. Man möchte ihn nicht mit unwichtigen Dingen belasten.

So berichtete man ihm auch nicht, dass ein offenbar verwirrter alter Mann über den Petersplatz ging und immer wieder laut und deutlich rief: »Wo sind die Hexen?«

Um den alten Mann kümmerten sich zwei Gardisten. Diese gingen gemütlichen Schrittes zu ihm und nahmen ihn in ihre Mitte.

Sie versuchten zu erfahren, was der alte Mann sagen wollte. Aber alles, was sie zu hören bekamen, war die Frage: »Wo sind die Hexen hin?« Sie geleiteten den Alten über die Piazza San Pietro zur Via della Conciliazione. Eigentlich dürfen Gardisten den Petersplatz nur in Ausnahmesituationen verlassen. Da aber gerade Ablösung war und die beiden Gardisten nun sowieso freihatten, wurde ihnen vom Oberst der inoffizielle Befehl erteilt, den alten Mann ein Stück des Weges zu begleiten. Sie sollten ihn in eine Nebenstraße weg vom Petersplatz führen. Kurz vor dem Castel Sant’Angelo, besser bekannt als die Engelsburg, ließen sie ihn allein und kehrten um. Das war zwar nicht gerade eine Nebenstraße, die Gardisten hatten jedoch Durst und wollten so schnell wie möglich zurückkehren.

Aus einem oberen Fenster der St. Peter’s Basilica wurde das Ganze mit einem Präzisionsfernrohr beobachtet. Der Betrachter legte die Stirn in Falten. Er hatte den Alten auf dem Petersplatz schon mehrmals gesehen. Ihm war auch bekannt, was der scheinbar verwirrte alte Mann gerufen hatte. Er wusste, wen er mit der Frage, wo sind die Hexen,

gemeint hatte. Er überlegte, wie er es verhindern konnte, dass diese Situation ausuferte. Aus seinen sorgenvollen Gedanken um den alten Mann wurde er aber durch die Ankündigung eines Gastes gerissen.

Hexen gibt es nicht

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