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4. Des Pfarrers Traum

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Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!

Wir segnen euch, die ihr vom Hause des Herrn seid.

Psalm 118, 26

Das Telefon klingelte und Gregor Herzberger nahm den Hörer ab.

»Pfarramt, Herzberger am Apparat«, meldete er sich altmodisch.

»Hallo Herzberger, ich muss Sie um einen Gefallen bitten.«

Der Anrufer stellte sich nicht vor. Herzberger erkannte ihn jedoch an seiner Stimme, obwohl sie sich verschnupft anhörte. Es war Dekan Blechlinger. Sein Vorgesetzter.

»Ja, was gibt es?«

»Sie müssen mich bei dem Termin mit Propst Kerner in Serbien vertreten. Eigentlich sollte auch der Kirchenpräsident von Hessen-Nassau dabei sein, aber der ist mit einer Herzattacke verhindert. Nun hat es mich auch erwischt. Sie hören ja, Schnupfen ohne Ende. Nun, die Begegnung ist wichtig. Es sollen Wege für einen Austausch der Schüler in die Wege geleitet werden. Weiter wollen wir noch mal einen Versuch unternehmen, und das ist eigentlich der Hauptgrund der Reise, ein gemeinschaftliches Gespräch mit allen europäischen Kirchenvertretern, auch den Moslems, herbeizuführen.«

»Hm, ich bin allerdings in keiner Weise eingeweiht.«

»Ach, das ist auch nicht notwendig. Kerner wird sowieso die Verhandlungen führen wollen, wie ich ihn kenne. Sie sollen nur dabei sein und mir anschließend berichten. Machen Sie sich ein paar schöne Tage in Belgrad.«

»Wann soll es denn losgehen?«

»Ach, hätte ich fast vergessen. Morgen 14.30 Uhr geht der Flug ab Frankfurt.«

»Was? Aber das ist unmöglich. Meine Predigt am Sonntag und …«

»Ach, habe ich Ihnen nicht gesagt, dass Sie die junge nette Kollegin aus dem Nachbardorf vertreten wird? Sorry, hab ich vergessen. Also kommen Sie morgen Vormittag bei mir vorbei. Ich habe das Flugticket und die Unterlagen für Sie hier liegen. Muss Schluss machen. Der Hausarzt schaut gerade vorbei.«

»Ja … nun gut. Ich komme.«

Was sollte er sonst noch sagen? Äußerst ungelegen kam ihm diese Situation. Gerade jetzt, wo er sich mit seiner Frau noch nicht ausgesprochen hatte. Er hatte es in der Zwischenzeit schon zweimal versucht, doch sie hatte jedes Mal abgewinkt und ihn einfach stehen lassen. So ging er ins Schlafzimmer an den Wandschrank und packte seinen Koffer für die Reise ins Ungewisse. Er wusste nicht, was ihn in Serbien erwartete. Er wusste nicht einmal, wie das Wetter in Belgrad war. Er wusste auch nicht viel über Serbien selbst. Er wusste eigentlich gar nichts. Das Einzige, was er einmal gelesen hatte, war, dass der Präsident Boris Tadic hieß und die Währung serbische Dinare sind. Er hatte auch gehört, dass die Serben sehr gerne Euros nehmen würden. Ein Umtausch war wohl nicht notwendig.

Gregor Herzberger schaute im Internet nach und informierte sich über die Republik Serbien. Er fand einige Details, die er sich zu merken versuchte.

Serbien liegt inmitten der Balkanhalbinsel. Im Norden an Ungarn, im Osten an Rumänien und Bulgarien grenzend, liegt im Süden der Kosovo mit Mazedonien und Albanien. Im Südwesten grenzt Serbien an Montenegro, im Westen an Bosnien, Herzegowina und Kroatien. Einst war es der größte Teilstaat Jugoslawiens. Nachdem die wirtschaftliche Lage nach dem Jugoslawienkrieg am Boden war, erholte sich das Land mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum von bis zu zehn Prozent. Dies wurde möglich mit hohen ausländischen Investitionen, die wiederum durch die EU-Beitrittsbemühungen Serbiens hervorgerufen wurden. Wichtige Erfolge im Rahmen des EU-Beitrittsprozesses, wie das Inkrafttreten eines Interimsabkommens für Handelserleichterungen mit der EU und die Abschaffung der Visapfl icht für serbische Staatsbürger, befähigte Serbien 2009 offiziell, seine Kandidatur zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union einzureichen.

Die überwiegende Mehrheit der Einwohner sind Christen. 6,3 Millionen davon, das sind 84 Prozent, gehören dem serbisch-orthodoxen Glauben an. Der Rest teilt sich in Katholiken, Protestanten und einige wenige neuapostolische Christen auf. Es sind aber auch Muslime und Atheisten zu finden. Juden sind im ganzen Land mit circa 2000 Personen in der absoluten Minderheit.

Im politischen Dschungel des Landes behaupten sich die beiden großen Parteien, die Serbische Radikale Partei, offensiv nationalistisch und die Demokratische Partei, welche EU-orientiert ist. Die unterschiedlichsten Auffassungen vieler anderer Parteien haben bis heute dazu geführt, dass Serbien weder der EU noch der Nato angehört. Die Zukunft des Kosovo bleibt auch nach der Unabhängigkeitserklärung durch das Parlament in Priština in 2008,

dessen völkerrechtlicher Status umstritten ist, ein zentrales Problem der serbischen Regierung. Serbien hält weiterhin an früheren Beamten und an dem System, die Staatsauto-rität und ihre Unantastbarkeit durchzusetzen, fest. Immer mehr serbischen Bürgerinnen und Bürgern erscheint das unbegründet und sie werfen der Regierung Korruption vor. Westliche Wirtschaftswissenschaftler sprechen mittlerweile von einer systematischen Korruption. Andere Gründe für den Westen, den EU-Beitritt zu verzögern, sind bestehende Menschenrechtsverletzungen, wie die Diskriminierung Homosexueller in Serbien.

Siebenundsechzig Prozent der Serben sind laut Umfrage heute noch davon überzeugt, Homosexualität sei eine Krankheit, die mit einiger Anstrengung heilbar sei. Die Bereitschaft, gewaltsam dagegen vorzugehen oder eine Vorgehensweise zu unterstützen, liegt nach neuesten Umfragewerten bei zwanzig Prozent. Nur vor Titos Tod im Jahre 1980 waren diese ermittelten Werte noch größer.

Herzberger schaltete den PC aus und ging ins Bad. Seine Frau hatte sich schon ins Bett gelegt, war aber noch wach.

»Ich hatte noch einen Anruf von Dekan Blechlinger. Ich muss morgen mit unserem Propst zu einer Tagung nach Belgrad fliegen.«

»Ja flieg nur. Ob ich hier alleine klarkomme oder nicht, ist dir doch sowieso egal.«

»Ingrid, nun fang nicht schon wieder an mit Streit.«

»Dir ist doch alles egal, sonst würdest du dich nicht immer hinter deinem Herrn verbergen.«

»Lass uns nicht streiten. Wir bleiben nur drei Tage. Wenn ich zurück bin, können wir vielleicht einmal etwas ausspannen und zwei oder drei Tage wegfahren.«

»Wegfahren? Wohin? Und wenn wir dann zurückkommen, ist meine MS dageblieben?«

»Ich kann doch auch nichts dafür, dass es dir nicht so gut geht. Gott ist mein Zeuge, ich würde wahrlich viel dafür geben, wenn du gesund werden würdest.«

»Dein Gott ist dein Zeuge. Wach endlich auf. Deinen Gott gibt es nicht!«

Herzberger nahm wortlos seine Decke und das Kopfkissen und ging zu dem alten Sofa ins Wohnzimmer. Er bereute seinen Auszug aus dem Schlafzimmer spätestens, als er merkte, dass es ziemlich unbequem auf dem durchgelegenen Sofa aus den 50er Jahren war. Es war die erste Nacht, in der er schlecht schief. Es sollten noch einige schlaflose Nächte folgen.

Als er dann doch eingeschlafen war, griffen durchsichtige Gestalten nach ihm. Er wollte weglaufen, sie kamen ihm aber immer näher. Als sie ihn eingeholt hatten, umkreisten sie ihn. Sie wurden immer größer. Oder wurde er immer kleiner? Um seinen Hals wurde plötzlich ein Strick gelegt und irgendeine unsichtbare Macht zog ihn zu. Das Atmen fiel ihm schwer. Er wollte schreien, brachte aber keinen Ton heraus. Weit hinten, durch Feuer und Rauch umhüllt, kam ein Wesen auf ihn zu. Ein Gesicht, wie zur Fratze entstellt, tanzte vor seiner Nase. Herzberger zuckte zurück. Die Fratze kam immer näher. Du bist der Teufel! Weiche von mir Satan! Herzberger schrie es. Doch er schrie es nur im Traum. Jetzt öffnete der Teufel seinen Mund. Schwefliger, fauler Gestank drang aus des Teufels Mund, als er sprach:

Deinen Gott gibt es nicht! Wach endlich auf! Recht hat sie, deine Frau. Ich bin der Herrscher. Du gehörst mir! Ich bereite dir Freude und Lust!

Dann war der Traum plötzlich vorbei. Schweißgebadet wachte Gregor Herzberger auf und bekam einen Hustenanfall. Sein Hals tat ihm weh. Ungläubig schüttelte er den Kopf und

flüsterte: »Das war doch nur ein Traum. Ein wirklich böser Traum. Aber doch nur ein Traum.«

Hexen gibt es nicht

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