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Die Monarchia Hispanica Philipps II. und seiner Nachfolger
ОглавлениеDas spanische Sendungsbewusstsein blieb daher unter Philipp II., der ja nicht Kaiser war, ungebrochen. Nach dem Sieg von Lepanto (7.10.1571) schrieb Fernando de Herrera ein ähnliches Gedicht wie einst Hernando de Acuña nach der Eroberung Tunis’. Spanien ist darin das auserwählte Volk, die Türken sind der Pharao. Und der Sieg wurde vom Gott der Heerscharen selbst für die Spanier errungen. Ein Deutungsmuster im Zeichen des „Gott mit uns“, das auch für weitere Siege des imperialen Spaniens unter Philipp III. (1598–1621) und Philipp IV. gelten wird.
Nach der Personalunion der Kronen von Portugal und Spanien im Jahre 1580 wurde es üblich, das spanische Weltreich als das Reich zu bezeichnen, in dem die Sonne nicht unterging, in dem rund um die Uhr bei Tageslicht dem wahren Gott das Messopfer dargebracht und für Seine „katholische“ Majestät, den König von Spanien und Portugal, gebetet wurde. Damit konnte das spanische Weltreich nach Dan 12,11 die Ankunft des Antichrist und das katastrophale Ende der Welt aufhalten, eine Aufgabe, die nach 2 Thess 2,6 üblicherweise dem Kaiserreich zugesprochen wurde.
Hispania victrix versus Hispania peccatrix
Die Entdeckung der Neuen Welt wurde von den Spaniern als providenziell, als von der Vorsehung bestimmtes Ereignis zur Verbreitung der spanischen Kultur und des katholischen Glaubens betrachtet. Es genüge hier, zwei Beispiele dieser triumphierenden Sicht zu nennen:
1552 publizierte Francisco López de Gómara eine allgemeine Geschichte der Eroberung der Neuen Welt unter dem Titel Hispania victrix (Siegreiches Spanien). In seinem Widmungsbrief an Karl V. heißt es: „Sire, das größte Ereignis seit der Erschaffung der Welt ist, wenn man die Menschwerdung und den Tod ihres Erlösers ausnimmt, die Entdeckung Westindiens; und daher spricht man von einer Neuen Welt […]. Niemals hat eine Nation ihre Sitten, ihre Sprache und ihre Waffen so weit getragen, wie dies die spanische getan hat, noch hat niemand so weite Strecken zu Wasser und zu Lande mit den Waffen auf dem Rücken zurückgelegt.“
Der Rückblick des Jesuiten José de Acosta am Ende des 16. Jahrhunderts bedient sich noch deutlicher einer geschichtstheologischen Sprache mit Bezug auf das Buch Daniel, indem er die Ankunft des Christentums in der Neuen Welt, als die Reiche der Azteken und der Inka den Höhepunkt ihrer Ausbreitung erreicht hatten, als providenzielle Fügung deutet: „Zu dieser Zeit befand der Allerhöchste, dass der Stein Daniels, der die Reiche und Königtümer zerbrochen hatte, auch diese Neue Welt zerbräche. Und wie das Gesetz Christi zur Zeit des Höhepunktes des Römischen Reiches kam, so war dies auch in Westindien der Fall. Wahrhaftig, dies war höchste Vorsehung des Herrn.“
Aufgrund der eingangs erwähnten biblischen Matrix rief der Gang der Ereignisse auch eine andere Sicht hervor, nämlich die einer Hispania peccatrix (Sündhaftes Spanien): Bartolomé de Las Casas, der das gewaltsame Vorgehen seiner Landsleute in der Neuen Welt als Frevel oder Sünde gegen Gott und die Indianer interpretiert, betont, dass Spanien damit den Auftrag der Konzessionsbulle Papst Alexanders VI. vom 4. Mai 1493 (s. Kap. V und XI) zur Evangelisierung und Hispanisierung der Neuen Welt verraten habe, weshalb ein göttliches Gericht über Spanien bevorstehe. Kaum hatte Las Casas den Widmungsbrief des López de Gómara gelesen, da schrieb er eine neue Begründung für seinen Ganz kurzen Bericht über die Zerstörung Westindiens, den er zwar 1542 verfasst hatte, aber ebenso 1552 in den Druck gab. Die ersten Sätze dieser Begründung sind eine unverkennbar ironische Antwort auf die Vertreter einer Hispania victrix: „Alle Dinge, die sich in Westindien ereignet haben […] sind für jemanden, der sie nicht miterlebt hat, so erstaunlich und in jeder Hinsicht so unglaublich gewesen, dass es scheint, als hätten sie all jene Geschehnisse, die man während der vergangenen Jahrhunderte in der Welt gesehen und vernommen, so rühmlich sie auch waren, überschattet und zum Schweigen gebracht und als wären sie ausreichend gewesen, jene anderen in Vergessenheit geraten zu lassen. Hierzu gehören die Blutbäder und Metzeleien, die man unter unschuldigen Menschen anrichtete, und die Entvölkerung von Orten, Provinzen und Königreichen, die man dort verschuldete, und alles Übrige, was nicht weniger schrecklich ist.“
Es ist kein Zufall, dass Las Casas das Wirken der Spanier als „Zerstörung“ Westindiens bezeichnet, denn die Nationalchronik des 13. Jahrhunderts beweinte bekanntlich die Invasion der Muslime als „Zerstörung“ Spaniens. Und Las Casas will seinen Landsleuten nicht nur klarmachen, dass sie den päpstlichen Auftrag zur Evangelisierung und Eingliederung der indianischen Völker in ein christliches Weltreich verraten haben, sondern auch, dass sie sich nun gegenüber den Indianern wie die verhassten Muslime in Spanien gegenüber den Westgoten benehmen.
Las Casas fürchtet, dass Gott (durch die Hand der Türken) „über Spanien seine Wut und seinen Zorn ausgießen“ werde, wenn die Spanier sich nicht bekehren und den indianischen Völkern Gerechtigkeit widerfahren lassen: „weil ganz Spanien in mehr oder weniger großem Ausmaß beteiligt war und von den blutigen geraubten Reichtümern profitiert, die so verbrecherisch und übel und mit soviel Zerstörung und unter Auslöschung dieser Völker gewonnen worden sind“; und er fürchtet auch, das Bereuen werde zu spät oder gar nicht geschehen, „wegen der Blindheit, die Gott um unserer Sünden willen bei den großen und kleinen Menschen zulässt, und besonders bei denen, die sich für so geistreich und weise halten und Anspruch darauf erheben, die ganze Welt zu beherrschen“. So sah Las Casas das spanische Projekt der Universalmonarchie am Ende seines Lebens.
Zerstörung Spaniens
Seine Ankündigung der von Gott zugelassenen Zerstörung Spaniens erfolgte 1564 „vor“ der Seeschlacht von Lepanto (1571), in einer Zeit apokalyptischer Ängste angesichts der Türkengefahr. Einige seiner Anhänger waren der Meinung, dass nach der Zerstörung der Kirche in Europa Lima das neue Rom sein werde. Nach dem Sieg von Lepanto ist die Geduld Philipps II. mit den Untergangspropheten am Ende: Viele werden in den Kerker geworfen, und Philipp II. gelingt es, seine Herrschaft in Amerika und auf den Philippinen zu festigen. Eine erneute Konjunktur haben die Untergangsprophezeiungen erst 1588 nach dem Verlust der „unbesiegbaren Armada“. Aber auch hier vermögen sie das Erwählungsbewusstein Spaniens nicht wirklich zu erschüttern. Denn dieses Ereignis, das von den Engländern als Fanal für eine Translatio imperii zugunsten ihrer Monarchie interpretiert wurde, war aus spanischer Sicht eher eine Episode, die die globale Macht Philipps II. nicht besonders gefährdete.