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Kirchenreform
ОглавлениеBereits in den 1490er-Jahren finden wir eine „staatlich betriebene Kirchenreform“. Im Rahmen dieser Politik wurden u.a. folgende Maßnahmen angeordnet: die Residenzpflicht für alle Bischöfe und geistlichen Würdenträger, die Einführung von Pfarrbüchern und damit eine verstärkte Kontrolle über die Pfarrgemeinden, die Reform des klösterlichen Lebens entsprechend den jeweiligen Ordensregeln, d.h. es wurde bereits vieles von dem verwirklicht, was das Konzil von Trient (1545–1563) später für die gesamte Kirche beschließen würde. Einige Historiker – vor allem aus Spanien – sind daher der Meinung, dass die Kirchenreform unter den Katholischen Königen der hauptsächliche Grund dafür ist, dass der Protestantismus in Spanien keinen fruchtbaren Boden fand. Diese Deutung übersieht, dass die gebildeten Schichten Spaniens in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts für die geistigen Reformströmungen aus Europa (Erasmianismus, Lutheranismus) durchaus offen waren und erst die geistige Wende 1557–1559 (s. Kap. IV) mit der damals von der Inquisition und der Krone getroffenen Maßnahmen zu einer Abschottung führte.
Ordensreform
Zur Kirchenreform wurden die Katholischen Könige mit einer Bulle vom 27. Juli 1493 von Papst Alexander VI. allgemein ermächtigt. Mit der Durchführung der Reform der einzelnen Orden ließen sie Geistliche ihres absoluten Vertrauens wie den Dominikaner Diego de Deza und den Franziskaner Jiménez de Cisneros, die zu ihren Beichtvätern gehörten, durch weitere Bullen 1496 kanonisch beauftragen. Bei Widerstand gegen die Reform zögerten die Katholischen Könige nicht, hart einzugreifen. Um 1507 war die Ordensreform weitgehend abgeschlossen, auch wenn sich einige Franziskaner (Konventualen) in Aragón noch widersetzten und sich andere in der Extremadura unter Führung von Juan de Guadalupe zu einer noch strengeren Observanz entschlossen, um 1519 die Ordensprovinz „San Gabriel“ zu gründen. Bei der Reform der Dominikaner ist der Einfluss der prophetischen Spiritualität Savonarolas nicht zu unterschätzen. Hier ragte in Kastilien Juan Hurtado de Mendoza hervor, der das Kloster Santo Tomás in Ávila reformierte.
Diese Ordensreform schuf nicht zuletzt die Voraussetzungen für die Evangelisierung der Neuen Welt. Es ist gewiss kein Zufall, dass König Ferdinand sich 1508 zunächst an die Franziskaner wandte, um gute Missionare für die Antillen zu bekommen. Ebenso wenig erstaunt, dass die erste Dominikanerkommunität, die 1510 in Santo Domingo landete und 1511 (s. Kap. V) die Unterdrückung der Indianer durch die Spanier anprangerte, aus dem erwähnten Kloster in Ávila kam. Und schließlich ist kein Zufall, dass die ersten zwölf Franziskaner, die 1523 in die Mexiko-Mission aufbrachen, aus der Provinz San Gabriel kamen. Sie waren schon unterwegs, als Hernán Cortés in seinem Brief vom 15. Oktober 1524 Karl V. um die Aussendung von vielen Franziskaner- und Dominikanermönchen bat, „die für das Ziel der Bekehrung dieser Heiden recht feuereifrig sind“. Anschließend bekundet Cortés in aller Deutlichkeit die Gründe für seine Bevorzugung der Mendikanten: „Denn wenn wir Bischöfe und andere Prälaten bekommen, dann werden diese sicherlich der, zur Strafe für unsere Sünden, heute von ihnen angenommenen Gewohnheit folgen, wonach sie über die Kirchengüter verfügen, das heißt in Pomp und andern Lastern verschwenden und Majorate für ihre Söhne oder Vettern errichten.“ In der Tat waren die Ergebnisse bei der Reform des Weltklerus eher mäßig. Das Konkubinat blieb vor und nach Trient ein Grundübel – auch in Übersee; und das theologische und spirituelle Bildungsniveau des Klerus ließ trotz der Bemühungen Cisneros’ und der Errichtung von Priesterseminaren nach den Anregungen des Juan de Ávila und des Trienter Konzils (23 zwischen 1565 und 1610 bei 55 Bistümern) viel zu wünschen übrig. Viele Kleriker studierten lieber an den Universitäten Zivil-, Kirchenrecht oder beides, um in der staatlichen und kirchlichen Verwaltung Karriere zu machen. Für die Zeit um 1600 geht man von etwa 15.000 Universitätsstudenten allein in der Krone Kastiliens aus, die meisten davon Juristen, sodass Spanien zu einem Land der letrados wurde. Etwa 5,5 % der 18-jährigen Männer schrieben sich jährlich an Universitäten ein, was der höchste Prozentsatz in Europa sein dürfte. Die Kleriker folgten diesem Trend, arbeiteten daher lieber in den Städten (besonders in denen mit vielen Pfründen, staatlichen und kirchlichen Institutionen) als auf dem Land.
Patronat (Schirmherrschaft)
Die Katholischen Könige waren bestrebt, vom Papsttum Patronatsrechte für ihre Territorien zu erhalten. Die Stifter von Kirchen, Kapellen oder Benefizien erhielten als Gegenleistung für sich und ihre Rechts-Nachfolger oft ein Patronat darüber, d.h. Privilegien (oft bei der Bestellung der Amtsträger), die mit bestimmten Lasten (materielle Sorge für die Stiftungen) verbunden waren. Den Katholischen Königen ging es um die Kontrolle der Ernennung von wichtigen kirchlichen Amtsträgern (Bischöfe vor allem), die mit Pfründen und Benefizien zu tun hatten, sowie um das Profitieren der unermesslichen Einkünfte der Kirche. Während sich die Einkünfte der Kirche Kastiliens um 1492 auf anderthalb Millionen Dukaten beliefen, erreichten die der Krone kaum eine Million. Die Könige erhielten davon – wie erwähnt – seit 1340 die tercias reales, aber es fehlte ihnen die päpstliche Bestätigung dieser Konzession auf Lebenszeit. So erleben wir unter den Katholischen Königen eine schrittweise Erlangung von Patronatsrechten, die als Ergebnis zäher und kluger Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl zu verstehen sind, aber auch als Ausdruck der realpolitischen Kräfteverhältnisse: Dass die Könige letztlich das Erstrebte weitgehend erreichten, zeigt auch, dass sich das Papsttum ihrem Begehren beugen musste. Oft musste der kuriale Text so lange redigiert werden, bis er die Könige zufriedenstellte.
Die Neue Welt
Mit einer Bulle vom 13. Dezember 1486 wird ihnen das umfassende Patronat für die Kanarischen Inseln und Granada (hier mit sechs Neuntel des Kirchenzehnten) gewährt. Was die Neue Welt betrifft, so enthält bereits die Konzessionsbulle Inter cetera Alexanders VI. vom 4. Mai 1493 Formulierungen in der Tradition des Patronats, auch wenn sie es noch nicht formell verleiht. Darin wird den Katholischen Königen und ihren Nachfolgern ein Teil der Neuen Welt für alle Zeiten „geschenkt, gewährt und übertragen“. Zugleich werden sie bei ihrem „heiligen Gehorsam“ feierlich ermahnt, für die Evangelisierung der neu entdeckten Völker „würdige, gottesfürchtige, geschulte, geschickte und erfahrene Männer“ zu bestellen. Ein weiterer Schritt war die Bulle Eximiae devotionis vom 16. November 1501, mit der Alexander VI. den Katholischen Königen „für alle Zeiten“ den gesamten Zehnten „der Inseln und des Festlandes Westindiens“ verlieh. Da der Krone dies immer noch nicht genug war, erwirkte Ferdinand von Julius II. (1503–1515) am 28. Juli 1508 die ausdrückliche Patronatsbulle Universalis Ecclesiae. Mit diesen drei Bullen war das Patronat (Evangelisierungsauftrag, exklusives Recht auf Stiftung und Dotierung der Pfarreien und Kathedralkirchen, der Zehnte und das Präsentationsrecht) für die Kirche in Übersee begründet. Für ein Patronat über Spanien selbst waren zähere Verhandlungen nötig, die erst unter Karl V. und seinem ehemaligen Erzieher auf dem Stuhl Petri, Hadrian VI. (1522–1523), zum Ziel führten. Mit der Bulle Eximiae devotionis vom 6. September 1523 wurde Karl V. ein Patronat zugestanden, das ein Vorschlagsrecht für die Bistümer und Klöster einschloss, wenn auch nicht für alle Pfründen. Im Finanziellen blieb es in Spanien bei den tercias reales.
Dies bedeutet, dass die Krone für die Kirche in Übersee ein umfassenderes Patronat als für Spanien erlangen konnte. Außer dem Präsentationsrecht und der Kontrolle des Kirchenzehnten, verbunden mit der Pflicht der Krone, gut geeignete und gelehrte Personen für alle kirchlichen Ämter, auch für die niedrigen, zu präsentieren sowie für den Bau von Kirchen und Klöster zu sorgen und die Reisen der Missionare zu finanzieren, gehörte mit der Zeit Folgendes dazu: das königliche Placet (pase regio) für alle kirchlichen Dokumente nach Westindien; der Treueeid der Bischöfe; die Beschränkung der kirchlichen Gerichtsbarkeit; das Verbot der Rom-Reise (Besuche ad limina) für die Bischöfe Westindiens; die Notwendigkeit, dass diese Bischöfe alle Berichte über ihre Bistümer an den Indienrat und nicht direkt nach Rom senden; die Kontrolle der Kleriker und Ordensleute, die nach Westindien fahren; die Pflicht der Ordensoberen, regelmäßig einen Bericht über ihre Aktivitäten an den Indienrat zu senden; die königliche Einflussnahme auf Konzilien und Synoden; die Möglichkeit für die präsentierten Kandidaten, ihr Bistum bereits vor dem Eintritt der päpstlichen Ernennungsbulle regieren zu können, usw. Die Wahrnehmung dieser Patronatsrechte bestätigte Philipp II. ausdrücklich im großen Erlass vom 4. Juli 1574 entgegen der tridentinischen Erwartung, zumindest die freie Kommunikation mit Rom nicht zu behindern. Der König verstand sich nicht nur als Schirmherr der amerikanischen Kirche, sondern auch als Vikar des Papstes. Diesen Titel bekamen jedoch weder Philipp II. noch seine Nachfolger.
Patronatskonflikte
Versuche der indiophilen Missionare, den Papst zu einem Eingreifen in die Amerika-Mission zu bewegen, führten zu „Patronatskonflikten“. Diese entstanden unter Karl V. im Schatten der Bulle Sublimis Deus Pauls III. (1534–1549) von 1537 sowie unter Philipp II. in Folge des Bestrebens Pius’ V. (1566–1572) 1568, in den amerikanischen Vizekönigreichen einen Nuntius zu installieren, der den direkten Kontakt mit Rom garantieren sollte. Es scheint, als hätte sich Karl V. im Patronatskonflikt von 1537 vor allem die Einmischung des Papstes in sein königliches Patronat „prinzipiell“ verbeten wollen. Es ging ihm also um die Wahrung seiner Patronatsrechte, nicht um die Rückweisung der päpstlichen Meinung über die Zivilisations- und Glaubensfähigkeit, die Freiheits- und Eigentumsrechte der Indianer, von denen die genannte Bulle spricht. Denn seine „Neuen Gesetze“ von 1542 – im Wesentlichen von Bartolomé Las Casas selbst entworfen – stehen weitgehend in Einklang mit der Bulle und dem Idearium der indiophilen Partei.