Читать книгу Gisela und der Frauenarzt - Marie Louise Fischer - Страница 10
ОглавлениеDie nächste Patientin am Nachmittag war ein neunzehnjähriges Mädchen, Renate Unterhuber, Tochter des Notars. Gisela kannte sie flüchtig, eigentlich nur vom Sehen her, wie es unter Angehörigen der gleichen Generation eben in einer Kleinstadt üblich ist. Renate war schlank, groß, braungebrannt, ein sportlicher Typ, und wirkte durchaus nicht krank.
Zu ihrer Überraschung begrüßten Dr. Burg und Renate sich eher freundschaftlich; sie kannten sich vom Tennisplatz her.
»Na, wo fehlt’s denn unserer Sportskanone?« fragte er und lud sie ein, in der Sitzecke Platz zu nehmen.
»Meine Menstruation ist ausgefallen!«
Gisela erschrak. »Nicht schon wieder!« hätte sie beinahe gesagt. Dr. Burg verzog keine Miene.
Renate zupfte an ihrem Minirock. »Schon seit neun Monaten habe ich keine Menstruation mehr«, berichtete sie, »zuerst habe ich mir nicht viel dabei gedacht. Ich nahm an, das würde sich schon von selbst wieder einspielen. Angst, ein Baby zu bekommen, brauchte ich ja nicht zu haben, weil … na, eben … ich bin noch Jungfrau.« Mit einem gewissen Trotz warf sie den Kopf zurück.
»Das ist doch schön«, sagte Dr. Burg.
»Und eben deshalb«, fuhr Renate fort, »wäre mir eine Untersuchung ganz gräßlich.«
»Jungfrauen untersuche ich nicht«, erklärte der Arzt, »höchstens rektal, also durch den Darm, aber auch das wird bei Ihnen gar nicht nötig sein.«
»Aber ich habe gelesen, daß man eine Ausschabung machen muß, um die Schleimhaut der Gebärmutter unter dem Mikroskop zu untersuchen.«
»Eine sogenannte Abrasio hormonalis, ja, das ist eine Methode, aber nicht die einzige. Und bei Ihnen würde ich die bestimmt nicht anwenden.«
»Sondern?« fragte Renate.
»Mit Hormonen. Zuerst müssen wir einen Test machen, um festzustellen, woran Ihre Amenorrhoe, also das Ausbleiben der Menstruation, liegt. Ich werde Ihnen jetzt erst einmal Progesteron verabreichen. Heute, und morgen gleich noch einmal. Sie wissen wahrscheinlich, daß Progesteron das Hormon der zweiten Zyklusphase ist. Wenn danach die Blutung einsetzt, ist bewiesen, daß die Ovarien noch Östrogene bilden.«
»Und wenn nicht?« fragte Renate.
»Versuchen wir es mit Östrogen. Dann ist der Fall allerdings schwerer.«
»Und Sie sind sicher, daß Sie es nur mit Hormonen wieder hinkriegen?« fragte Renate ungläubig.
»Nicht nur. Natürlich müssen wir der Störung auch tiefer auf den Grund gehen. Waren Sie in den letzten zwei Jahren mal krank?«
»Nein.«
»Haben Sie Kummer?«
»Nein!« entgegnete Renate wieder, doch dann dachte sie nach und gab zu: »Ich bin in der vorigen Klasse sitzengeblieben. Das hat ’ne Menge Ärger zu Hause gegeben. Kann das denn wirklich mit meiner …« sie suchte das Wort, »also mit meiner Menstruationsstörung zu tun haben?«
»O ja. Sie sollten Ihr Pech in der Schule nicht so schwernehmen. Und noch ein Rat: Sie spielen fabelhaft Tennis, ich hatte oft genug Gelegenheit, das zu beobachten. Aber Sie sollten da ein bißchen kürzertreten. Sport ist gesund, aber nicht, wenn man ihn bis zur Erschöpfung betreibt!«
»Ich werd’s mir merken, ganz bestimmt!« versprach Renate. »Jetzt bin ich froh, daß ich zu Ihnen gekommen bin, Doktor Burg. Es hat mich unheimliche Überwindung gekostet, wissen Sie!«