Читать книгу Gisela und der Frauenarzt - Marie Louise Fischer - Страница 12

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Heute scheute sie nicht mehr davor zurück, bei Simons zu klingeln. Es war ihr gleichgültig, was Ulrikes Vater von ihrem ungewohnten Besuch sagen würde. Das spielte jetzt keine Rolle mehr.

Sie hatte Glück, und Ulrike selber öffnete die Tür. »Komm rein«, sagte sie, gar nicht erstaunt.

»Bist du allein?«

»Das nicht. Aber Vater sitzt vor dem Fernseher.«

Ulrikes Zimmer war ein hübsch und modern eingerichteter Raum mit Bettcouch und dazu passenden Schränken. Nur lagen, für Giselas Geschmack, allzuviel Stofftiere herum, vielleicht ein Zeichen dafür, wie sehr sich das junge Mädchen nach Zärtlichkeit sehnte.

Gisela mußte ein paar Viecher beiseite schieben, bevor sie sich auf den kleinen Sessel setzen konnte.

Ulrike nahm ihr gegenüber auf der Couch Platz. »Meinst du, es hat überhaupt Zweck, daß ich morgen nochmal komme?« fragte sie – offensichtlich war sie nicht in der Lage, an etwas anderes zu denken, als an die Situation, in der sie sich befand.

»Der Herr Doktor hat ja versprochen, es sich zu überlegen.«

»Und wenn er sich nicht entschließen kann, was dann?«

»Gerade deshalb habe ich mir etwas überlegt. Wärst du damit einverstanden, daß ich mit Fred spreche?«

»Wozu?«

»Ihm hast du es doch damals gleich erzählt. Er ist also der einzige Zeuge, beinah ein Zeuge.«

Ulrike zerrte an ihren Fingern. »Ich will nicht, daß er auch noch da hineingezogen wird.«

»Ich würde ihm natürlich nicht erzählen, worum es geht.«

»Trotzdem. Es muß noch einen anderen Ausweg geben. Du kennst dich doch aus, Gisela. Sag mir einen Arzt!«

»Hier in der Stadt? Nicht, daß ich wüßte. Du müßtest es eben versuchen.«

»Ich soll von Arzt zu Arzt rennen?«

»Du könntest nach Holland fahren. Oder London. Vielleicht hat man sogar in einem anderen Bundesland weniger Skrupel als hier bei uns in Bayern.«

»Ich kann nicht fort. Wie sollte ich das denn meinem Vater klarmachen? Und ich hab’ ja auch nicht das Geld.«

»Ja, dann solltest du mich eben doch mit Fred sprechen lassen.«

»Meinst du?« fragte Ulrike, immer noch unsicher.

»Unbedingt, das ist die Sache wert.«

»Aber er darf auf keinen Fall denken, daß ich mich an ihn ranwerfen will!«

»Das sollte deine geringste Sorge sein«, sagte Gisela und verabschiedete sich rasch.

Aber sie nahm sich doch noch die Zeit, sich die Lippen nachzuziehen und sich durch das braune Haar zu kämmen, das sie, anders als am Tag, jetzt weich in die Stirn fallend trug. Sie wollte unter der Jugend der kleinen Stadt nicht aus dem Rahmen fallen.

Gisela wußte, wo Fred Liebermann wohnte, aber sie wollte ihr Glück zuerst mal an seinem Stammplatz im ›Café Schenk ‹ am Marktplatz versuchen. Tatsächlich fand sie ihn inmitten seiner Clique im verrauchten Billardzimmer.

Man begrüßte sie mit großem Hallo, denn es waten mehr Jungen als Mädchen anwesend, einer packte sie sogar beim Handgelenk und versuchte, sie auf seinen Schoß zu ziehen, aber sie setzte sich humorvoll, aber entschieden zur Wehr.

»Ich wollte bloß fragen, ob einer von euch mich zum Bahnhof fährt«, sagte sie, »nein, du nicht, Bobby, du bist mir zu verwegen. Wie wär’s mit dir, Fred? Ich hab’s wirklich rasend eilig.«

»Na schön!« Fred erhob sich, ein langer, magerer junger Mann mit einem mürrischen Gesicht. »Aber ich meine, du könntest dir auch ein Taxi leisten.«

Sie ging auf diese berechtigte Vorhaltung nicht ein, denn es kam ihr ja nur darauf an, ihn von den anderen weg und ins Freie zu lotsen.

Als er hinter ihr auf den dunklen Parkplatz trat, kam sie sofort zur Sache. »Du kennst doch Ulrike Simons?«

»Na und?«

»Nur so. Seit wann hast du mit ihr Schluß gemacht?«

»Geht dich das was an?«

»Du hast also mit ihr Schluß gemacht.«

»Ist das etwa verboten?«

»Natürlich nicht. Es würde mich nur interessieren, warum.«

»Geht dich einen Dreck an.«

»Ich habe einen Grund, dich zu fragen, Fred, einen sehr wichtigen Grund.«

»Frag sie doch selber.«

»Das habe ich getan, und es kommt mir eben darauf an, ob du ihre Geschichte bestätigen kannst. Komischerweise ist ja hier in der Stadt nicht darüber geredet worden. Komisch, wenn es wahr ist, meine ich.«

»Woher soll ich das wissen? Ich hab’ ja nicht dabeigestanden.«

»Aber sie hat es dir gesagt? Gleich damals, als es passiert ist?«

»Kann schon sein.«

Gisela, die die Art der einheimischen Jungen kannte, nahm es als Bestätigung. »Und das hast du zum Anlaß genommen, sie stehenzulassen? Warum?«

»Warum? Warum?« äffte er. »Mich hat sie zappeln lassen, und von so ’nem Kerl läßt sie sich gleich aufs Kreuz legen!«

»Aber er hat sie gezwungen!«

»Das ist mir eins.«

»Fred!« Gisela packte den großen Jungen bei den Schultern und schüttelte ihn. »Ist dir eigentlich nie die Idee gekommen, daß du selber schuld warst? Ja, ja du! Hättest du sie, wie es sich gehört, nach Hause gebracht, hättest du dich wenigstens drum gekümmert, wie sie zurück kam …« Sie ließ ihn los. »Ach, warum erzähl ich dir das überhaupt! Wenn du zu blöd bist, selber darauf zu kommen, dann ist an dir ja sowieso Hopfen und Malz verloren.« Sie wandte sich ab und ging davon.

»He!« rief er ihr nach. »Ich dachte, du wolltest zum Bahnhof!«

»Jetzt nicht mehr«, behauptete sie und machte, daß sie davonkam.

Gisela und der Frauenarzt

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