Читать книгу Gisela und der Frauenarzt - Marie Louise Fischer - Страница 13
ОглавлениеBei der morgendlichen Visite in der Klinik Professor Hartmann hatte Gisela keine Gelegenheit, mit Dr. Burg zu reden, und danach mußte sie sich wie immer beeilen, um vor ihm in der Praxis zu sein.
»Sie können die erste Patientin hereinholen«, sagte er, noch während er sich seinen frischen weißen Kittel zuknöpfte.
Aber ausnahmsweise folgte Gisela diesmal nicht. »Ich habe mit Fred gesprochen«, berichtete sie und blieb stehen.
»Mit wem?«
»Fred Liebermann. Ulrikes Freund. Der, der sie vor ein paar Wochen hat stehenlassen. Wegen der Vergewaltigung.«
»Na und?«
»Er hat es bestätigt. Sie hat es ihm seinerzeit tatsächlich brühwarm berichtet. Es ist also wahr.«
»Daran habe ich gar nicht gezweifelt. Mir schien das Mädchen durchaus glaubwürdig.«
»Aber dann …«
Er lehnte sich mit dem Rücken gegen den Schreibtisch. »Ich werde die Kürettage vornehmen, Gisela. Und Sie werden mir dabei assistieren!«
Gisela erschrak, faßte sich aber sogleich wieder. Sie begriff, warum Dr. Burg die Abtreibung nicht in der Klinik vornehmen wollte, denn sie kannte die mehr als konservativen Grundsätze Professor Hartmanns. Hier in der Praxis aber war er auf ihre Hilfe angewiesen, und sie konnte ihn nicht im Stich lassen.
»Ja, Herr Doktor«, sagte sie gefaßt.
Es war ihr, als läse sie Anerkennung in dem eindringlichen Blick seiner blauen Augen. »Danke. Würden Sie jetzt bitte …«
Gisela wich nicht von der Stelle. »Ich habe noch eine Frage, Herr Doktor.«
»Ja?«
»Warum wollen Sie es jetzt doch tun, nachdem Sie gestern noch so dagegen waren?«
»Weil es falsch wäre, von einem Mädchen, dem Gewalt angetan worden ist, zu verlangen, daß sie die ungewollte Frucht eines ungeliebten Mannes austrägt. Mit dieser Meinung stehe ich nicht allein, darüber sind sich alle Experten einig.« Er machte eine kleine Pause, aber Gisela spürte, daß er noch weiterreden wollte.
Ihr Blick hing an seinen Lippen.
»Und dann, Ulrike scheint mir gerade der Typ Mädchen zu sein, der imstande ist, etwas sehr Unvernünftiges zu tun.«
»Selbstmord?« fragte sie.
»Vielleicht. Wahrscheinlicher aber würde sie versuchen, die Frucht selber abzutreiben, und Sie wissen, wie gefährlich das ist. Schon allzu viele Frauen sind bei solchen Versuchen verblutet oder haben sich so verletzt, daß sie nie wieder Kinder bekommen können. Nein, das können wir nicht riskieren. Ich bin meinem Gewissen verantwortlich.«
Gisela begriff, daß es ihn einen schweren Kampf gekostet hatte, und er stieg dadurch noch höher in ihrer Achtung.