Читать книгу Bewusstheit LEBEN – Impulse und Praxis für mein authentisches Sein - Marija Mischkulnig - Страница 7
Gibt es den gesund erhaltenden Stress? IMPULS-Teil
ОглавлениеWer sich mit dem Thema Umgang mit dem Stress befassen möchte, wird heutzutage unzählig viel Literatur hierzu vorfinden. Man wird den positiven Eu-Stress, den belastenden Di-Stress formuliert finden und auf Stressmodelle verwiesen werden, die darauf hinweisen, warum wir diesen lebensnotwendigen Mechanismus in uns jederzeit automatisch aktivieren können und sollen bzw. warum und wie er sich von alleine aktiviert.
Dass wir in Stresszustände fallen, ist ein großes Überlebensgeschenk an uns, was zeigt, dass wir mit Mechanismen ausgestattet sind, die JA ZUM LEBEN sagen. Vollkommen ungefragt wird sich das JA behaupten und uns auch im höchsten Stresszustand zum Leben verhelfen, im Sinne der Sicherung des Überlebens. Es gibt unendlich viele riskante Schnittpunkte in einer Lebensspanne, wo wir dankbar sein können, dass unsere psychische und körperliche Gesundheit über den Stressmechanismus erhalten bzw. gestützt und gefördert werden kann.
Jeder Automatismus hat einen Lebens-Sinn und erhält auch im Sinne der Selbstorganisation eines lebendigen Organismus (Systems) seinen zugewiesenen Platz. Würde der Überlebensmechanismus den betroffenen Menschen um Erlaubnis oder um seine Meinung fragen, würde es um die Population hier auf Erden sogleich massiv schlechter stehen.
Laut meiner Sicht und Erfahrung kommt es zu einer Überbeanspruchung des sinnvollen Überlebenssystems. Einerseits, weil man unwissend diese Überbeanspruchung als gegeben hinnimmt – andererseits, wird dieser Überlebensautomatismus auch bewusst zur Heranziehung von Energieressourcen ausgenutzt. Beide Varianten können den Stress-Überlebensmodus nicht wahrhaftig sehen, würdigen und wertschätzen.
Die Macht, die aus der Kraft der Manipulation entsteht, involviert zumeist den Stress-Überlebensmodus als (Energie)Ressource. Der Mensch spielt und manipuliert gerne. Manipulieren heißt ja, etwas erschaffen können, etwas hin- und herwenden und es einem Zweck zuführen, der einem mehr oder weniger zugute kommt; auch „aus den Fehlern lernen“ gehört hierzu.
Der Mensch spielt und manipuliert oft auch mit dem Leben selbst, als wäre es ein Spiel- oder Werkzeug, das man bewusst willentlich in verschiedene Spielfiguren und Formen gießt. Dieses Spielen, vielleicht sogar eine Spielsucht, passiert bereits so unbewusst, dass wir es sehr oft nicht als die Entscheidung zu diesem Manipulationsspiel erkennen können.
Es wird bereits sehr viel über den Umgang mit Stressfaktoren und Stresszuständen unterrichtet, angeleitet und es gibt schon sehr viele Behandlungspläne als auch therapeutische Ansätze dazu.
Als einen blinden Fleck und als einen Fehler, aus dem wir noch nicht gelernt haben, sehe ich, dass wir den Stressmechanismus bewusst halbbewusst nutzen, um leistungsfähiger zu sein. Wir stimmen dem Modus zu, hohe Leistung zu hohen Kosten zu bringen. Damit wir den Preis nicht sofort bezahlen müssen, nutzen wir den Überlebensmodus als Stressmechanismus aus – wir miss- bzw. gebrauchen ihn, um leistungsfähiger zu sein! Würden wir ihn nicht nutzen, so wären die Stoppsignale ernstzunehmende Stoppsignale und wir würden eine Ruhepause, eine ruhigere Phase einlegen, Spannung zurücknehmen, ausgeglichen zufrieden unsere Tätigkeiten gleichmäßig balanciert verrichten, Ruhe und Regenerationsinseln im Alltag suchen und zulassen oder auch mal ganz anderen seelischen Inhalten eine Bedeutung und Zeit geben.
Auch wenn wir meinen, keine andere Wahl zu haben und es als unrealistisch ansehen, mit weniger Stress auszukommen und trotzdem „effektiv“ zu sein, sind wir doch selbst die Ausführenden, die unter dem Stressmodus auch leiden.
Trotz vermeintlicher Unwissenheit und Unmöglichkeit gibt es ein inneres Wissen in uns, das weiß, dass wir unsere wahre Mitte verlassen haben. Unser Seelenleben und die Würde kommen zu kurz, zugunsten der Überlebenssicherheit und des emotionalen Drucks, angenommen zu sein und der Ablehnung als auch dem Versagen zu widerstehen bzw. standzuhalten. Dies kann sich auch einfach im eigenen Inneren als Perfektionismusanspruch zeigen.
Da es die bekannten Stressoren gibt, lassen wir uns von diesen aufreiben und halten uns auf einem Stressniveau. Wenn die Stresswellen einsetzen und die gesamte Energiezufuhr von den unteren Körperregionen in den Aktiv-Handlungsraum nach oben gepusht wird, sich der Kreislauf hoch mobilisiert, die Stressaktivierung das Denken und die Wahrnehmung zuspitzt und wach sein lässt, so kann dies als intensiv und lustvoll erlebt werden. Der Stress-Schub bringt einen intensiven Energieschub, eine Lustwelle. Darin liegt auch eine Gefahr: die Gefahr der Verwechslung der Lebenslust, die vom Überlebensstress ausgelöst wurde – mit der Energie der Lebensessenz und der balancierten Lebensfreude. Man wechselt die wahre lebendige und wache Mitte gegen intensive Stress-Energie-Lustwellen aus. Mit der Zeit hält man sich in dieser Verwechslung auf.
Als Dauerzustand lässt diese Lebensweise keine Gesundheit zu – denn Gesundsein kann nicht das Austricksen vom Überlebensmechanismus sein. Trickreich ein Wohlbefinden bzw. eine Leistungsintensität zu erzeugen, wird von uns Menschen gerne genutzt – doch genau dies bedeutet, die Würde des Lebens und die Essenz des Lebens zu missachten, damit zu spielen, als hätte sie uns nichts Besonderes zu bieten. Auf diese Weise bleibt die gesunde und gesundschwingende Lebensessenz mit all ihrer Fülle und ihren Reichtümern zu oft unbeachtet und sogar unentdeckt. Wir als lebensfrohe Wesen bleiben unerkannt! Diese Ignoranz schafft Spiele, die nicht gesund sind und mehr oder weniger zerstörerische Auswirkungen annehmen.
Fehlgeleitete Lebensenergie ist beispielsweise auch ein Machtstreben, welches „Unterwürfige“ kontrolliert und sich über diese erhebt. Dieses Spiel spielen wir gerne in allen verheerenden Varianten. Die entstehende Lust-Stresswelle wird manipulativ vergnügungsvoll wiederholt begrüßt, und so stimmen wir zu, uns zu lange im stresserhebenden „aufgeblasenen“ Kraftwohlgefühl aufzuhalten – wo dieser Zustand doch im Grunde für Ausnahmephasen geschaffen ist: geschaffen für Übergänge, um uns die Regulierung der Lebensenergie und des psychischen Gleichgewichts in Krisensituationen bzw. bei inneren Überforderungsgefühlen zu ermöglichen. Als Denk- und Wahrnehmungsfehler wird hierbei die Stress- und Machtenergie als intensive und kraftvolle Lebensenergie gedeutet.
Die ganzheitliche gesunde Ausrichtung deutet allerdings in eine ganz andere Richtung: hin zur Balance und zur Erhaltung der Lebensenergie.
Sobald wir uns in Friedenszeiten befinden, müsste unser System nicht auf Daueralarm hochgefahren bleiben. Stressoren so zu bewerten, dass sie einen Ur-Friedenszustand vollkommen ausblenden – das ist leider keine gesunde Deutungsweise und auch keine reflektierte Form des wachen Umgangs mit den Herausforderungen, die uns tagtäglich begegnen.
Für uns Menschen ist eine Dauerfriedenszeit eine sehr ungewohnte Lebensform. Immer wieder muss es Spannung geben und ein Unterbrechen des faden Ruhigen.
Noch Generationen vor uns hatten in unseren Breiten den Krieg miterlebt; auch Beziehungen liefen vor gar nicht so langer Zeit nach sehr rigiden lebensfeindlichen Mustern ab. Gemeinsam eine sehr reife und selbstbestimmte Liebe zu leben, gehört noch nicht zu den selbstverständlichen Beziehungsvorbildern. Auch wenn die Vorstellungen in diese Richtung weisen, sind wir energetisch noch so geprägt, dass wir noch Zeit benötigen, um diese neue Form und Lebensweise zu integrieren und zu verinnerlichen.
Wir leben mehr oder weniger in einem friedlichen Land, doch die Strukturen, wirklichen Friedens leben und fassen zu können, haben sich in uns noch nicht ausbilden bzw. verinnerlichen können.
Solange unsere Bewusstheit nicht darin geschult wird, zu erkennen, in welchem Bewusstseinszustand wir uns gerade befinden, um im Weiteren in den friedvollen, lebensfreundlichen konstruktiv-kreativen Ausdruck wechseln zu können, werden wir halbbewusst von unseren manipulativen Spielen mit dem Leben beherrscht sein und uns wiederholt viel zu lange im Überlebens-Stress-Modus aufhalten. Dies führt zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, da Körper und Geist im gespannten und „hochgepushten“ Stressmodus gefordert sind, als würden wir jede Minute ums Überleben kämpfen müssen. Unsere Urahnen werden geübt darin gewesen sein, diesen Wechsel zwischen Wachheit, weil Lebensgefahr, und dem Nachlassen der Anspannung, sobald die Gefahr vorbei ist, sehr gegenwärtig zu leben; (so mancher wird es vielleicht auch nicht in diesem Sinne bewältigt haben.) Wir sind in dieser Übung nicht so gut, da wir selten bis nie ganz loslassen können, uns in Dauerspannung und unter Druck halten und uns wenig bis keine Friedenszeiten gönnen. Besteht die Möglichkeit des Friedens und der Stille, wird es uns schnell langweilig, und wir meinen, etwas erfinden zu müssen, um dieses gähnende Nichts ändern zu können.
Natürlich ist der Forschungs- und Erfindungsgeist wesentlich und wichtig, auch der Abenteuergeist … sie bereichern unser Leben und fördern das Überleben. Doch das All-Sein mit Nichts und mit Langeweile zu verwechseln, halte ich für einen großen Fehler! Das Nichtstun wird oft auch gleich als Faulsein bezeichnet, doch das Faulsein ist bereits ein Zutun, eine menschliche Manipulation, um dem Nichts zu entrinnen.
Der Mensch will etwas erfinden, während die Essenz bereits da ist … die Essenz enthält die gesund erhaltende Lebensenergie! Nimmt der Mensch eine bewusste Verbindung dazu auf und lebt er „außerhalb der Manipulation“, nämlich im Selbstverständnis und gleichzeitiger Wertschätzung als auch Wahrnehmung dieser mittigen, stimmigen Lebensenergie, so wird er dem gesunden Fluss nicht mehr entgegenstehen, sondern mitsegeln wollen; sodann beseelt als auch beglückt sein – über die Annahme des Geschenks der Lebensenergie. Dazu darf der Mensch lernen, diese Essenz zu sehen, im Weiteren wahrzunehmen, sie anzunehmen und ihr nichts entgegenzusetzen. Der Mensch ist Teil davon und muss sich nicht selbst erfinden, weil er dadurch wieder von ihr getrennt wird. (Im fernöstlichen Denken ist damit das Ego-Bewusstsein gemeint.)
Natürlich ist es schön, viele und unzählige Erfahrungen zu sammeln und daraus zu lernen. Oft lernt man über das Gegenteil.
Doch kann ich wahrhaftig und ganzheitlich lernen, während ich „die Essenz gar nicht wahrnehme?“
Die große Kunst scheint darin zu liegen, etwas zu erschaffen, zu entwickeln und ganzheitlich zu lernen/leben, während man mit der eigenen inneren Mitte und der Lebensessenz verbunden ist; diese vertrauend erfassen, empfinden kann und dadurch vom Grundvertrauen beseelt und gehalten ist. Diese tiefe Qualität lässt sich im Überlebensmodus und auf einem dauerhaften Stressverhaltensplateau nicht ergründen und auch nicht erleben.
Was führt uns zur Motivation, etwas Neues lernen/leben zu wollen und mehr über sich und die Welt zu erfahren? Neugierde, eine innere Suche und innere Stimme, gesundheitliche Beschwerden, Schmerzen ob körperlich und/oder seelisch, Leid und das Getrenntsein von der Liebe, von lieben Menschen, die wir verloren haben oder auch die Angst vor dem Alter und vor dem Tod; Lebenskrisen können uns ein Ansporn sein, hinter die Illusion und den Schein zu schauen, die wir aufgebaut haben. Doch auch die Lebensgier oder auch Lebensfreude kann uns dazu führen, noch mehr von diesem Leben zu besitzen, verwalten und kosten zu wollen.
Extreme führen uns aus unserer „gewohnten Mitte“, bringen uns aber dann auch wieder in Bewegung, weil dann wirkliche, ganz reale Stressoren entstehen, die einfordern, eine gesunde Balance zu suchen und so mehr über uns selbst und die Welt an sich zu erfahren. Der Erfahrungsprozess beginnt, weil es sein muss! Der Stressor im Körper meldet Krankheitsfaktoren an, und wir können nicht so weiter tun wie bisher. Die Selbstorganisation des lebendigen Organismus zeigt an, dass wir „aus den Fugen geraten sind“.
Gesunde, robuste und sportliche Menschen suchen beispielsweise in den Extremsportarten die Verbindung zur Lebensessenz. Aus den Gefahren heil davongekommen zu sein bzw. den Moment im Extrem vollkommen konzentriert gelebt (weil dadurch überlebt) zu haben, bringt in der Entspannungsphase wieder die Balance zurück. Zu oft entstehen daraus auch reale Suchtmechanismen, und so weisen die gelebten Extreme nicht mehr vorwiegend auf die Würde der Lebensessenz hin, sondern festigen die Suchtverhaltensmuster. Man beginnt, sich in die Stress-Überlebensspirale hineinzuziehen, und diese Dynamik führt zu der Verwechslung, auf die ich bereits hingewiesen habe: Der Stress-Kick scheint Lebensintensität zu sein! So kann es dazu kommen, dass man zu einem Getriebenen wird und im Getriebensein gefangen die Freiheit und Befreiung sucht. Viel Befreiungsdruck kann daraus entstehen und auf die Dauer nicht mehr wahrhaftig zufriedenstellen.
Der Weg zur Gesundheit (zurück) achtet die Mechanismen, die das gesunde Leben zusammensetzen und muss nicht neu erfunden werden. Da liegt sie nun wieder die Herausforderung: nicht aus allem eine Leistung machen zu müssen, auch nicht aus der Erhaltung der Gesundheit. (Dazu fiel oft auch der Begriff der Entschleunigung; doch selbst Entschleunigung kann aus einem Leistungsgedanken heraus gespeist sein …). Je gereinigter von den Stressoren, je näher an der bejahenden, lebensfreundlichen Lebensessenz, umso leichter geht es, dass die gesund erhaltenden Mechanismen und die Gesundheit natürlich und selbstverständlich einsetzen.
Die Gesundheit an sich ist leicht und nicht schwerfällig, sie ist geordnet in der Selbstorganisation einer Welt und Lebensessenz, die der Mensch mit seinen Herangehensweisen zu oft stört.
Wir dürfen die gesunde Lebensenergie, die so essenziell ist, kennen und mit ihr schwingen lernen.