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Was Jackie Chan wirklich umhaut

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Erinnern wir uns noch an diese Pandemie, die für den besseren Teil von 2020 und 2021 weltweit das Leben und die Wirtschaft über Monate lahmlegte? Genau das passiert, wenn man für eine ansteckende Krankheit keinen Impfstoff hat. Was für uns moderne Menschen Covid-19 ist, waren vor 100 Jahren die Spanische Grippe, Masern, Pocken, Tuberkulose oder Röteln. Für uns stellen diese damals oft tödlichen Krankheiten meist keine direkten Erfahrungen mehr dar, weil wir dafür Impfstoffe, Medikamente und Behandlungsmethoden entwickelt haben. Wir kennen heute in der entwickelten Welt zumeist niemanden, der durch solche Krankheiten entstellt worden war. Anfang des 20. Jahrhunderts waren Menschen, die solche Krankheiten erfahren hatten, im Alltag nicht zu übersehen.

Das führt zu einer Unterschätzung der Gefahren, die von diesen – manche von ihnen verharmlosend „Kinderkrankheiten“ genannten – Viruserkrankungen ausgehen. Und damit überschätzt man die Gefahren, die von Impfungen ausgehen. Funktionierende Maßnahmen, die eine Pandemie und schwere Erkrankungen gar nicht erst ausbrechen lassen, sieht man nicht direkt. Sie zeichnen sich durch ihre Abwesenheit aus. Einzelne Fälle, die unter Millionen von Geimpften durch Impfnebenwirkungen auftreten, finden dann besondere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, die eine ganz besondere Form an Menschen hervorruft: die Impfgegner. Man glaube bloß nicht, diese seien eine Erscheinung unserer Zeit. Es gibt sie bereits so lange, wie es Impfungen gibt.

Bereits die österreichische Kaiserin Maria Theresia beschäftigte sich mit diesen Krankheiten. Sie selbst steckte sich durch den Kontakt zu ihrer an Blattern (auch als Pocken bekannt) erkrankten und dann daran verstorbenen Schwiegertochter Josepha mit dieser Krankheit an. Ohne Impfung sollte ein Drittel aller an Blattern Erkrankten nicht genesen. Maria Theresia aber gesundete, wenn nun auch durch Pockennarben entstellt. Wegen der Gefährlichkeit dieser Krankheiten, die mehrere Mitglieder der Kaiserfamilie dahingerafft hatten, bemühte sich die Regentin um ein Gegenmittel. Im Jahr 1718 hatte Lady Mary Wortley Montagu als Gattin des britischen Gesandten in der Türkei von der aus Asien stammenden „Inokulation“ gehört, bei der Viren aus den Wunden von an Pocken erkrankten, aber genesenen Menschen in kleine Wundritzen gerieben wurden.12 Vom britischen Königshaus ausgehend hatte sich die Inokulation dann von einem Kaiserhaus zum anderen weitergesprochen, auch wenn das Risiko mit zwei bis drei Prozent Erkrankungen bei den so Inokulierten im Vergleich zu heutigen Standards immer noch vergleichsweise hoch war. Als im Jahr 1796 dann dem englischen Landarzt Edward Jenner der Durchbruch mit Impfungen gelang, bei denen noch weiter abgeschwächte Viren per Injektion verabreicht wurden, begannen die Krankheiten an Schrecken zu verlieren.13 Im Jahr 1807 führte dann Bayern als erstes Land weltweit die Impflicht ein, gefolgt von Hessen und Preußen. Kaiser Wilhelm unterzeichnete im Jahr 1874 das Reichsimpfgesetz.

Der englische Name für Impfungen „vaccinations“ stammt übrigens von der Quelle der ersten Impfstoffe. Es war schon länger bekannt, dass Melkerinnen, die sich mit Kuhpocken angesteckt hatten, nicht an Pocken erkrankten. Die ungefährlichen Kuhpocken dienten dann als Grundlage für den Impfstoff. Der lateinische Name für „von der Kuh“ lautet „vaccinus“, und Jenner wählte „vaccination“ als Bezeichnung für diese Form der Immunisierung.

Doch selbst 100 Jahre nach Einführung der Impfplicht in Bayern blieb der Widerstand groß. Die Wiener Montags-Post veröffentlichte am 4. November 1907 gleich auf der Titelseite einen großen Leitartikel, der unter dem bedrohlichen Titel „Ein ernstes Wort zu rechter Zeit“ für die Impfgegner Partei ergriff. Nachdem eine Blatternepidemie ausgebrochen war, hatte sich der Hohn und Zorn der Abgeordneten im niederösterreichischen Landtag auf die Impfgegner ergossen. Mit dem (anonymen) Leitartikler der Montags-Post war da nicht zu spaßen! So schreibt er dort:14

In diesem Zwecke bediente [die orthodoxe Medizin] sich der Presse, die – im guten Glauben an den angeblichen Segen der Impflanzette – ihr auch diesen Liebesdienst erwies. In der „Wiener Allgemeinen Zeitung“ vom 5. September d. J. wird die aufopferungsvolle Kulturarbeit der Impfgegner, also auch die der zahlreichen impfgegnerischen Ärzte und Professoren als ein „verbrecherisches Treiben“ bezeichnet.

Im Namen der Impfgegnervereine Deutschlands und im Namen von Millionen von Impfgegnern protestieren wir gegen diese groben Beleidigungen der orthodoxen Medizin ganz energisch und weisen alle diese in’s finstere Mittelalter gehörigen Angriffe als unberechtigt zurück.

Fast beleidigt wirkt der Leitartikler, als er das fehlende Interesse an einem Impfgegner-Pamphlet bei den ärztlichen „Impffreunden“ scharf kritisiert:

Auf der Naturforscherversammlung zu Frankfurt vertrat der soeben genannte Professor Hermann seinen neugewonnenen Standpunkt als Impfgegner und bat seine Kollegen, die Ärzte, sein Buch, das er ihnen gratis zur Verfügung stelle, mitzunehmen. Von den 200 Exemplaren, die zur Mitnahme auslagen, war – ein einziges verlangt worden! Beweist denn das aber nicht sehr drastisch, daß die sogenannten Fachleute – hier mit einer einzigen Ausnahme – so viel wie gar kein Interesse an der Klarstellung der Impffrage haben, durch solche Ignoranz allerdings die heilige Pflicht eines ernsten Forschers brutal mit Füßen treten.

Die Schuldigen waren somit nicht nur die Forscher, die ihrer „heiligen Pflicht“ nicht nachkämen, sondern auch noch andere, denen man auch heute das große Geschäft unterstellt, wie man in der folgenden Zeile sieht:

Die Impfung oder wie es in der anderen Sprache sehr bezeichnend heißt, das Impfgeschäft, ist nichts anderes als ein Dogma der medizinischen Hierarchie.

40 Jahre nach einer Kontroverse im Parlament hatte sich nichts geändert, wie es auch 100 Jahre nach dem Erscheinen dieses Artikels immer noch so sein sollte. Die Pharmaindustrie will Geld mit uns machen und drängt uns deshalb Medikamente und Impfstoffe auf. Zum Glück gibt es Ehrenmänner:

Wir erinnern an die Worte des uns allen als Ehrenmann bekannten Dr. med. Hofer, mit denen er vor 40 Jahren das Verhängnis des Impfzwanges von Oesterreich abwandte, an die Worte, die er im Juni 1868 im Wiener Parlamente laut und mutig in die Welt rief: „Ohne physiologische Beweise bleibt mir die Impfung eine Charlatanerie, ohne Physiologie gibt es keine Wissenschaft, und die Impfung ist, ich möchte sagen: ein wissenschaftliches Verbrechen.“

Besonders in Deutschland waren die Impfgegner zahlreich und scheinbar gut organisiert. So berichtet die Wiener Klinische Wochenschrift am 16. April 1896:15

Im 7. Decennium war die Agitation der Impfgegner besonders lebhaft, sie hat aber seither noch wesentlich zugenommen. Im Jahr 1877 betrug die Zahl der von Impfgegnern eingereichten Petitionen nur 21, im Jahre 1891 dagegen 2951 mit 90.661 Unterschriften.

Die Wochenzeitschrift vergisst nicht, auf folgende Tatsache hinzuweisen:

Bemerkenswerth ist, dass die Unterschriften grösstentheils aus den Kreisen ungebildeter oder halbgebildeter Laien stammten, dass dagegen Aerzte nur sehr spärlich darunter vertreten waren.

Gegen Impfungen aufzutreten bot sogar politische Vorteile, wie die Grazer Tagespost am 16. Mai 1876 berichtet:16

Vom Schweizer Anti-Impfverein erhalte ich die Nachricht, daß die Glarner Landgemeinde den Impfzwang beinahe einstimmig abgeschafft habe und daß die anderen Kantone bald nachfolgen dürften. Auch in England haben die Impfgegner bei den letzten Wahlen der Quardians glänzend gesiegt; In Reighley wurden 13 Impfgegner von 15, in Dewsberg 21 Impfgegner von 25 gewählt.

Mehrere Jahrzehnte lang fanden Impfgegnerkongresse statt, der vermutlich letzte seiner Art im Jahr 1914 in Rom, auf dem ein Büchlein mit einem Verzeichnis von ausgewählten Impfgegnern aus ganz Europa zusammengetragen worden war. Gleich 1.171 Namen sind darin aufgeführt – mit der Entschuldigung des Autors, dass er nicht die vollständige Liste mit mehr als 20.000 Mitgliedern hier anführen könne.17

Wie man sieht, stand die Vereinsmeierei der Schweizer, Österreicher und Deutschen schon damals in voller Blüte und ist keine Erfindung unserer Zeit. Und Fake News auch nicht. Keine der drei in dieser Nachricht vom Schweizer Anti-Impfverein genannten Orte existieren in England.

Nur wenige Wochen nach dem Impfgegnerkongress in Rom lagen die Heere der europäischen Länder einander schon in den Schützengräben gegenüber und Impfungen sollten den Zoll, den dieser vier Jahre währende Weltkrieg den Ländern abverlangen sollte, reduzieren. Millionen mehr Soldaten wären an Krankheiten auf den Schlachtfeldern verreckt, hätte es nicht die Impfungen gegeben. Die Spanische Grippe, die am Ende des Krieges sich auszubreiten begann, zeigte, welch verheerende Folgen eine Krankheit haben kann, wenn man keine Impfstoffe dagegen hat.

Aber vielleicht darf man Impfgegnern gar keinen Vorwurf wegen deren Abneigung machen. Es könnten andere Gründe für ihren Widerstand vorliegen, die sie vielleicht gar nicht so gerne an die große Glocke hängen möchten und deshalb andere Gründe vorschieben. Der Schauspieler Jackie Chan, der uns vor allem durch seine todesverachtenden Stunts und seinen Humor in wilden Kung-Fu-Filmen bekannt ist, verliert beim Anblick von Impfnadeln und Spritzen nicht nur seinen Humor, sondern wird sofort ohnmächtig. Ein fünfzehn Meter tiefer Fall vom Uhrturm? Kein Problem. Einen Faustschlag auf die Nase? Gib mir mehr! Eine Impfnadel? Jackie Chan muss wiederbelebt werden.18

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