Читать книгу Circles of Fate (2). Schicksalssturm - Marion Meister - Страница 11

Оглавление

Du, Lita, bist das Ende der Welt.

Lita blinzelte. Die einzige Lichtquelle in diesem geheimen Raum war eine funzelige Lampe unter der Decke. Sie tauchte die Szene in ein eigentümliches Licht und ließ sie noch surrealer erscheinen, als Lita sie sowieso schon empfand.

Ihr Blick glitt von Elaine zu Hanna. Während Elaine in sich zusammengesunken auf dem Stuhl saß und jeden Blickkontakt vermied, stand Hanna mit geballten Fäusten vor ihr. Wieso geriet die Welt nur derart aus den Fugen? Nichts war mehr, wie es zu sein hatte.

Du, Lita, bist das Ende der Welt.

Dieser Satz ergab doch überhaupt keinen Sinn. Nichts von all dem ergab einen Sinn!

»Bitte, Elaine!«, flüsterte Hanna. »Das Orakel ist nicht in Stein gemeißelt. Du betrachtest es aus dem falschen Blickwinkel! Was, wenn der Orakelspruch eine ganz andere Bedeutung hat?«

»Unsinn!«, fuhr Elaine sie an. »Die Prophezeiung wird nicht eintreten, sobald ich meinen Fehler aufhebe. Das ist Äons Angebot. Das ist der einzige Weg.« Ihre Stimme klang kalt und schneidend.

Wütend schrie Hanna auf. »Du bist eine starrköpfige alte Frau! Ich habe alles getan, um Lita so weit wie möglich von dem Orakelspruch zu entfernen! Hättest du sie nicht in den Turm gebracht und ihr nicht geholfen, den Bann zu brechen, könnte sich der Spruch gar nicht erfüllen!«

Elaine stand auf, blickte Hanna drohend an. »Ich bin die Oberste Weberin! Aber ich darf mein Leben und damit das meiner Tochter nicht über das Leben aller Menschen stellen! Ich muss Äon gehorchen!«

Hanna lachte freudlos auf. »Das fällt dir aber früh …«

»Sekunde!«, rief Lita. Würden sich Elaine und Hanna gleich an die Gurgel springen? Sie stand auf und stellte sich zwischen die beiden. »Über welche Prophezeiung redet ihr die ganze Zeit? Und was hat das mit mir zu tun?«

»Ohne Schicksal bringt die Welt zu Fall. Der Tod kommt zu den Lebenden. Leben ist Gift, es besiegelt das Schicksal. Aleph bringt das Ende. Die Zeit springt, denn was immer war, ist nicht mehr«, rezitierte Hanna, als ob es ihr tägliches Mantra wäre.

Lita wurde klar, dass sie die Worte ebenfalls kannte. »Diesen Spruch hast du immer wieder im Schlaf gemurmelt!« Wie oft hatte Lita ihre Mutter Teile davon flüstern hören und es jedes Mal als Warnzeichen für ihre mentale Verfassung gehalten.

»Dieses Orakel hat Äon am Tag deiner Geburt verkündet«, erklärte Hanna.

Elaine gab ein unwilliges Schnaufen von sich.

»Okay«, meinte Lita unsicher. Deshalb dachte Elaine also, dass sie die Welt enden ließ? Wegen so einem Orakelspruch? »Und was meinen die anderen dazu? Der Turm ist voller Fachleute. Gibt es nicht eine extra Abteilung zur Deutung von so Wischiwaschigelaber?«

Ein wütender Blick von Elaine traf sie. »Achte auf deine Wortwahl! Es ist ein Orakel. Und in diesem Fall ist die Bedeutung eindeutig.«

Natürlich war Lita selbst erst seit vielleicht dreißig Minuten eine vollwertige Weberin, aber dass ein Orakel sehr viel Spielraum für die Deutung ließ, wussten sogar die Menschen. »Was soll daran eindeutig sein? Ohne Schicksal? Was ist das? Ein Unsterblicher?«

»Ha!« Hanna lachte triumphierend in Elaines Richtung.

Die schnaufte und ignorierte Hanna. »Äon sprach die Warnung an mich am Tag deiner Geburt aus. Es ist eindeutig. Du, Lita, bist ohne Schicksal.«

Für einen Moment war Lita zu verblüfft, um zu reagieren. »Weil Mum eigentlich tot ist?« Sie sagte das leichthin, fast amüsiert. Doch dann begriff sie. Winnie hatte ihren Faden nicht gesehen. Nicht, weil Winnie und sie miteinander verbunden waren. Nein. Sie besaß keinen Faden! »Ich war nicht auf der Liste!«, flüsterte sie. Ihr Blick huschte zu Hanna, die sie traurig ansah. »Du solltest bei dem Autounfall sterben und das ungeborene Kind mit dir«, murmelte Lita erschrocken.

Hanna nickte. »Ich bin wie ein Geist. Kein Faden wird meinen jemals mehr kreuzen, da ich nicht weiter vorgesehen bin. Und du, Lita, du bist etwas, das nicht sein sollte.«

»Nicht sein darf!«, fiel Elaine ihr harsch ins Wort. »Deine Schicksalslosigkeit hat die Welt aus dem Gleichgewicht geworfen. Ich hab den Tod zu den Lebenden gebracht, als ich Hanna rettete. Du bist das Gift, das sich ausbreiten wird und die Welt, wie sie ist, auslöscht.«

Lita sah, dass Elaine noch immer redete, doch sie hörte die Worte nicht. Ich habe keinen Faden! Jeder Mensch hatte einen Faden. Einen Lebens- und Schicksalsfaden. Darauf war festgelegt, wie das Leben verlief, wann es endete. Wann es endete! »Bin ich unsterblich?« Geschockt sah sie zu Elaine.

Die beiden Frauen verstummten. Hanna kniete sich vor sie. »Das ist nichts Schlimmes, Lita.«

»Doch. Ist es!«, ging Elaine harsch dazwischen. »Du bist keine Weberin und erst recht keine Unsterbliche!«

»Aber ich habe keinen Faden, den ihr durchschneiden könnt.« Und mehr noch. Sie hatte kein Schicksal … »Sekunde. Wenn ich keinen Faden habe, wie kann dann ein Orakel von mir sprechen? Ich meine, wie kann es vorhersehen, was ich tun werde, wenn es nicht vorherbestimmt ist, was ich tue?« Schon wieder kündigten sich Kopfschmerzen an, wie immer, wenn sie versuchte, dieses Schicksalszeug zu begreifen.

Hanna wandte sich ab, damit Elaine ihr breites Grinsen nicht bemerkte. Offenbar hatte Lita genau das ausgesprochen, worüber sich die beiden – schon seit Jahren? – stritten.

Seufzend erhob sich Elaine. »Es tut mir leid. Ich habe meine Liebe zu dir, Hanna, über meine Pflichten als Oberste Weberin gestellt. Ich bin schuld daran, dass die Lebensfäden der Menschen zu Asche werden. Doch ich werde es verhindern.«

»Du meinst, es ist dir vorherbestimmt, es zu verhindern?« Lita stand auf. Sie wollte Elaine direkt in die Augen sehen. »Um ehrlich zu sein, schwirrt mir gerade der Kopf von diesen vorherbestimmten Schicksalssachen. Das ist doch alles totaler Blödsinn. Wenn es mir vorherbestimmt ist, die Welt zu zerstören, obwohl mir nichts vorherbestimmt ist, dann kann es dir doch nicht bestimmt sein, alles zu verhindern?«

Für einen Augenblick blinzelte Elaine. Eine winzige Sekunde schien sie zu schwanken. »Äon fordert es von mir und ich werde ihm nicht noch einmal den Gehorsam verweigern.« Mit diesen Worten ging Elaine zur Tür.

Lita packte sie am Arm und hielt sie zurück. »Du willst allen Ernstes den Faden deiner Tochter kappen? Du hast es doch schon damals nicht übers Herz gebracht!«

»Ich werde in die Vergangenheit gehen und alles ungeschehen machen. Hanna und damit auch du, ihr werdet zusammen mit deinem Vater gestorben sein. Und dann werde ich vergessen.« Sie senkte den Blick.

»Vergessen?« Getroffen schaute Hanna Elaine an.

»Den Schmerz über euren Tod, die Erinnerung an …« Elaines Stimme brach, sie wischte sich über die Augen und sah zu Hanna.

Blass starrte diese ihre Mutter an. »Du willst die Erinnerung an mich tilgen?« Lita konnte sehen, wie tief sie Elaines Vorhaben schockierte.

Elaine riss sich von Lita los und marschierte zur Tür. Aber Lita war schneller. Sie sprang vor und stieß Elaine zurück. Völlig überrumpelt strauchelte diese und fiel.

»Was soll das!« Elaine rappelte sich auf.

Doch dieser kurze Moment reichte Lita. Sie packte ihre Mutter und rannte mit ihr durch die Tür. Hastig kickte sie den Teppich fort und die Geheimtür fiel hinter ihnen zu. Gedämpft hörte sie Elaines Schrei und wilde Beschimpfungen.

»Los! Nichts wie raus hier!« Noch immer hatte sie ihre Mutter gepackt und zog sie mit sich.

»Was – was hast du getan?«

»Sie wird uns nicht auslöschen! Dieses Orakel ist doch Blödsinn! Es kann nicht vorhergesagt sein, dass ich, die keine Bestimmung hat, irgendwas tue. Wir werden eine andere Lösung finden!«

Lita war schon quer durch das Loft gelaufen und bereits auf der Treppe, die sich durch den Schicksalsbaum wand, als ihre Mutter sich umdrehte.

»Halt! Mum! Was tust du?«

»Wir werden noch ein paar Sachen brauchen. Warte hier!«

Da war Hanna schon ins Loft gerannt. Eine Minute später kam sie mit Elaines Umhang zurück. »Los jetzt!« Sie nahm Lita an der Hand und zusammen rannten sie die Treppe hinunter und hinaus aus dem Turm.

Circles of Fate (2). Schicksalssturm

Подняться наверх