Читать книгу Circles of Fate (2). Schicksalssturm - Marion Meister - Страница 6

Оглавление

Je weiter Rukar in den Tunnel hineinging, umso heißer wurde es. Schweiß rann ihm in die Augen und brannte. Er sollte einen Zuschlag verlangen. Es war einfacher, ein Dunkelwesen auszutricksen, als etwas aus dem Turm der Weberinnen zu klauen.

Unerbittlich surrten die Leinen mit den Fadenenden auf die Feuerglut zu.

Er hielt es nicht mehr aus und riss sich Tegans Pullover vom Leib. Bei dem Tempo, mit dem die Leinen die Totenfäden zum Feuer transportierten, kam er vermutlich zu spät. Hastig kramte er die Brille aus Tegans Mantel, den er zwar ausgezogen, aber mitgeschleppt hatte. Auch den Mantel ließ er auf dem Boden zurück und schob sich noch näher an die Flammen heran.

Der Tunnel endete an einer lang gestreckten Grube, die über die ganze Breite des Tunnels reichte und in der ein gigantisches Feuer loderte. Die Flammen reichten bis zur niedrigen, gewölbten Decke, die von Ruß schwarz gefärbt war. Direkt über den tanzenden Flammen wurden die Schicksalsfäden an den Leinen darüber geführt. Das Feuer verbrannte die Fäden, die Leinen hingegen waren feuerfest und wurden über Rollen am Ende der Grube zurück nach vorne gelenkt, um neue Totenfäden aufzunehmen.

Rukar musste seinen Arm schützend vor die Augen halten. Er hatte das Gefühl, dass allein die Hitze der Luft seine Augenbrauen versengte. Die seltsame Brille rutschte immer wieder von seiner Nase. Also hielt er sie sich vor die Augen und betrachtete die Fäden. Hier, so nah am Feuer, waren die Fäden wie ausgedörrt. Die Erinnerungen der Menschen an das, was sie im Augenblick ihres Todes gesehen hatten, wirkte ausgeblichen und brüchig.

Was, wenn der Faden schon vom Feuer verschlungen ist?

Wie sollte er herausfinden, welcher Tag, welche Stunde gerade vor ihm auf der Leine baumelte und sich unaufhaltsam auf das Feuer zubewegte?

Seine Augen brannten von der Hitze. Er biss die Zähne zusammen und begann, die Fäden systematisch durch die Brille zu betrachten. Verschwommene Bilder, Menschen, die sich zu ihm hinunterbeugten, Krankenschwestern, Angehörige, flimmerten auf den Fäden wie ruckelige Videoclips. Manchmal hektisch gestikulierende Ärzte. Aber auch vorbeiziehende Landschaften, der Blick auf einen Fernseher oder ein lecker aussehendes Dinner.

Wieder rückten die Leinen um einige Zentimeter weiter. Verdammt! Die Fäden über den Flammen zischten auf, kräuselten sich wie Haare an einer Kerzenflamme.

So ein – fluchend trat Rukar an die Kante der Grube. Eine Flamme versuchte, nach ihm zu greifen. Rukar fror die Zeit ein, streckte sich und rupfte so viele Fäden, wie er erwischen konnte, von den Leinen.

Er sprang zurück, ließ die Zeit weiterlaufen und durchwühlte die Fäden. Ein Blick durch die Brille zeigte ihm einen Autounfall, einen Hundeangriff, eine Krankenschwester, einen alten Mann, der einen Abschiedskuss gibt, Misano, ein Fahrrad – Halt!

Die Fäden klebten an seinen Fingern und fast hätte er den Faden aus den Augen verloren, doch er bekam ihn zu fassen und zupfte ihn aus dem Haufen heraus. Durch die Brille betrachtete er das kurze Stück. Wie eine Projektion schwebte ein bewegtes Bild über dem Faden: Zaras letzter Blick in Misanos Gesicht.

Rukar schluckte, als er mit Zara in die Augen des Unsterblichen blickte. Schnell nahm er die Brille ab. In Misanos Augen spiegelte sich so tiefe Liebe und verzweifelter Schmerz, dass er sich wie ein Voyeur vorkam.

Sorgfältig verstaute Rukar den Faden in einem kleinen, mit Samt bezogenen Schächtelchen. Die anderen Fäden ließ er in die Flammen fallen.

Auftrag ausgeführt.

Erleichtert atmete er durch und wurde sofort von einem beißenden trockenen Husten geschüttelt.

Nichts wie raus hier! Er sammelte auf dem Rückweg Tegans Sachen auf und rannte zum Ausgang. Die Hose scheuerte und klebte an seiner Haut. Doch Rukar konzentrierte sich nur auf seine unmittelbare Zukunft: frische Luft, eine Dusche und einen Iced Coffee.

Circles of Fate (2). Schicksalssturm

Подняться наверх