Читать книгу Circles of Fate (2). Schicksalssturm - Marion Meister - Страница 12

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Noch immer steckte Rukar die Hitze in den Knochen und er hatte das Glas Wasser, das vor ihm auf dem verchromten Couchtisch stand, schon zum zweiten Mal leer getrunken.

Nachdem er Tegan ihre Sachen gebracht hatte, war er nach Hause zurückgekehrt, um sich wieder in einen erträglichen Zustand zu versetzen. Allerdings hatte Wook ihn nur vier Minuten duschen lassen. Wasserverschwendung, hatte der Kami ihn angegiftet. Außerdem schade die feuchte Luft den Waren.

Nur leidlich erfrischt hatte sich Rukar über die Dächer auf den Weg zu Misanos Büro gemacht. Jeden Sprung in der kühlen, frischen Luft hatte er genossen. Seine Haut glühte jedoch noch immer.

Er schenkte sich aus der Karaffe ein weiteres Glas ein und lehnte sich dann in den Ledersessel zurück, die Arme auf den breiten Lehnen. Ein Bein locker auf das Knie gelegt, wollte er Misano zeigen, dass er ein ernst zu nehmender Geschäftspartner war.

Unter den Menschen war Misano als einflussreicher und mächtiger Filmmogul bekannt. Eine der erfolgreichsten internationalen Kinoproduktionsfirmen gehörte ihm. Misano zählte nicht gerade zu den Bescheidenen. Sein Penthousebüro strotzte vor Filmplakaten seiner Produktionen. In gleich zwei Vitrinen glänzten unzählige Preise. Goldene Männer, goldene Weltkugeln, goldene Engel, goldene Löwen.

Rukar beeindruckte das wenig. Er wusste, wer Misano wirklich war. Ein verbitterter Unsterblicher, der den Menschen nie verziehen hatte, dass sie ihn nicht mehr als Gott verehrten. Allerdings hatte Misano damals schnell begriffen, dass es neue Götter gab. Solche, die von der Leinwand herablächelten. Da er selbst kein Talent zum Schauspielern besaß, hatte er sich sein echtes Gold zunutze gemacht. Wer seit Anbeginn der Zeiten bereits auf Erden wandelt, kommt wohl nicht umhin, sich ein respektables Vermögen anzusparen.

Rukar blickte hinüber zu ihm. Vor der Panoramascheibe dieses nach Geld stinkenden Büros stand ein gebrochener, alter Mann. Das Designerhemd war knittrig, die Jeans ausgebeult. Ein Mann in Trauer.

In Misanos Händen, als wäre es ein zartes Vögelchen, lag das Schmuckschächtelchen, in das Rukar den Faden gebettet hatte. Misano hielt den Deckel aufgeklappt und betrachtete sehnsuchtsvoll das, was von seiner Liebe übrig war.

»Danke«, meinte er schließlich leise, den Blick nicht von seinem Kleinod abwendend. »Meine Assistentin gibt dir draußen dein Geld. Und ich hätte da einen weiteren Job für dich.«

Rukar sah kurz über die Schulter, durch die gläserne Wand zu Misanos Assistentin, die konzentriert an ihrem Computer arbeitete. Das Säckchen mit seinem Lohn stand neben ihrer Tastatur. Es war so dick und prall wie noch nie.

Rukar hatte sich geschworen, in der nächsten Woche Urlaub zu machen. Mit dem Lohn für diesen Auftrag konnte er endlich eine Wohnung finden. Darauf sollte er sich jetzt konzentrieren.

Aber er brauchte auch Möbel. Eine Profikaffeemaschine …

Was konnte Misano jetzt noch wollen? Kein Auftrag konnte schwieriger sein als der, den er gerade gemeistert hatte: den dummen Faden einer Toten zu beschaffen. Es war der übelste Auftrag, den Rukar jemals angenommen hatte. Jedoch auch der am besten bezahlte. Alles andere konnte von nun an nur noch eine Spielerei sein.

Er nahm einen weiteren, langen Schluck.

»Ich weiß nicht. Mein Kalender ist schon ziemlich ausgebucht. Wenn es nur etwas Kleines, Schnelles ist, vielleicht.« Rukar gab sich Mühe, möglichst lässig zu klingen.

»Bring mir Elaine.« Misano hatte nicht mal aufgeblickt.

Rukar verschluckte sich vor Überraschung. »DIE Elaine? Die Oberste Weberin?« Wie elektrisiert richtete er sich im Sessel auf, Alarmstufe Rot schrillte durch seine Nervenbahnen.

»Genau die.« Misano sah zu ihm. Seine Miene war wie versteinert und unlesbar.

Wollte er Rukar verklopsen? In den Turm eindringen und einen Totenfaden stehlen, das war eine Sache. Aber die Entführung einer Lebenden, das war übler als übelst! War das seine neue Art von Humor? Doch Misano war nicht der Typ für miese Scherze, das war Jins Ressort.

»Ich bin doch nicht wahnsinnig«, gab Rukar zurück. Er stand auf, um sich zu verabschieden. Keine Kaffeeflat der Welt würde ihn noch mal in den Turm bringen.

»Sie ist nur eine alte Frau ohne Magie.« Misano sagte es so leichthin, dass der Auftrag für ein paar Sekunden völlig simpel klang. Ein einfaches Gaffertape und vielleicht noch ein Seil um ihre Hände – mehr nicht.

Aber sie ist im Turm! Der Turm, Rukar! Du hattest Glück, dass du schnell genug warst! Die Weberin im Baum hatte nicht Alarm geschlagen und so war er, als Tegan getarnt, einfach aus der Tür spaziert. Inzwischen hatten mit Sicherheit diese Lita, aber auch Tegan, alle Weberinnen alarmiert.

Elaine war die Oberste Weberin. Dass Misano sie entführen wollte, konnte nur mit Zaras Tod zu tun haben.

Es hat dir egal zu sein, mahnte ihn seine Vernunft. Es wäre nur ein Auftrag. Wieso und warum und was dann, ist nicht deine Angelegenheit!

»Nun?« Das Schächtelchen fest umklammert, sah Misano über London hinweg zum Weberinnenturm. »Nimmst du den Auftrag an?«

Um kein Gold der Welt!, schrie ihn seine innere Stimme an. Rukar zögerte. Die Bezahlung, die in dem Säckchen auf ihn wartete, würde ausreichen, eine Wohnung und ein Bett zu finanzieren plus ein Monatsabo Kaffee in seiner Lieblingsbar.

»Nein. Tut mir leid. Das ist mir zu heiß.«

Ungeduldig zog Misano die Brauen zusammen. »Ich verdreifache deinen letzten Lohn. Bring mir Elaine.«

Rukar versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie geschockt er war. Das Dreifache? Er würde sich eine Wohnung kaufen können! Ihm war klar, dass niemand anderes diesen Job, Elaine zu entführen, übernehmen würde. Er war Misanos einzige Chance. Andere Halbblute mochten sich als Boten verdingen. Doch Diebstahl von Verträgen, Juwelen, Haustieren, Erstausgaben oder Artefakten war Rukars Spezialgebiet. Er war noch niemals erwischt worden, denn die Zeit war seine Verbündete.

Misanos Blick schien Rukars Gedanken durchdringen zu wollen. »Und ich lege noch etwas drauf, das kein Geld der Welt aufwiegen kann.«

Die Summen, die Misano ihm anbot, ließen Rukar schwindelig werden. Er wäre für immer von Wook befreit. Er könnte sein eigenes Leben leben. Frei sein. Völlig frei! »Etwas, das kein Geld der Welt kaufen kann? Was soll das sein?« War nicht alles in dieser Welt käuflich? Langsam atmete er durch. Misano bot ihm, einem Halbblut, das die Unsterblichen zu einem windigen Kami abgeschoben hatten, etwas Unbezahlbares an? Was immer es war, es konnte nichts aus der Menschenwelt sein, denn diese Dinge waren immer mit Geld aufzuwiegen.

Gelassen schlenderte er zu Misanos Schreibtisch und ließ sich, ohne zu fragen, in den Chefsessel fallen. »Also gut. Lass dein Angebot hören.« Er würde es nicht annehmen. Es wäre Selbstmord, noch mal in den Turm zu gehen! Aber er wollte hören, wie verzweifelt Misano war und was er ihm anbieten wollte. Einen Platz unter den Unsterblichen?

Pikiert zog Misano die Augenbraue hoch. »Werd nicht frech, Rukar. Du brauchst mich.«

Provokant platzierte Rukar seine Füße auf dem Schreibtisch. »Ich brauche dich?« Er lachte laut. Da irrte sich der mächtige Misano aber gehörig.

»Ich weiß, wer du bist.«

Misanos Worte trafen Rukar völlig unvorbereitet. Ihm ging die Luft aus, als hätte er ihn hart vor die Brust getreten. »Du, du hast immer beteuert, nichts über meine Herkunft zu wissen …« Rukars Finger fühlten sich taub an. War das etwa Misanos Angebot? Endlich die Wahrheit über seine Eltern?

Misano ließ das Schächtelchen in seine Hosentasche gleiten und begann, die Vitrinen entlangzuschreiten. Lange starrte er seine goldenen Trophäen an. »Du bist ein Findelkind. Ein Halbblut, das war allen sofort klar, als wir dich an diesem sonnigen Tag fanden«, erinnerte sich Misano. »Du lagst in Gondel 13 des London Eye.« Er öffnete eine der Vitrinen und arrangierte zwei Oscars neu. »Gondel 13 war damals einer der meist frequentierten Zugänge zur Stadt der Unsterblichen.«

Rukar verzog keine Miene. All das wusste er bereits. Gondel 13 existierte nicht in der Menschenwelt. Nur wer Teil der verborgenen Welten war – unsterblich, Kami oder Weberin –, konnte die Gondel sehen und die Schwelle übertreten. Die Antwort auf die Frage, wie seine menschliche Mutter es zuwege gebracht hatte, ihn in Gondel 13 zu legen, waren ihm die Unsterblichen bisher schuldig geblieben. Misano, Jin, der Rat – alle hatten nur mit den Schultern gezuckt. Doch nun war Misano bereit, ihm das Geheimnis zu verraten?

Rukars Puls hatte sich deutlich beschleunigt. Es war ein Fehler, in den Turm zurückzugehen. Einen, den er teuer bezahlen würde. Doch alles, was er je begehrt hatte, war zu wissen, wer er war.

»Warum wurde ich nicht wie andere Halbblute bei euch aufgenommen? Wieso muss ich bei Krötenkami leben?«, hakte Rukar nach. Kein Unsterblicher wollte ihn damals als sein Kind anerkennen. Halbblute lebten zwar auch unter den Menschen, doch wohnten genauso viele in der Stadt der Unsterblichen. Es war also nichts Unmögliches, als Halbblut dort aufzuwachsen. Jedoch war er das einzige Halbblut, das es bei einem Kami aushalten musste.

Misano zuckte mit den Schultern. »Es war der gemeinsame Beschluss aller. Das Problem war, dass sich keiner zur Vaterschaft bekennen wollte.«

»Und meine Mutter? Wieso habt ihr sie nicht gesucht?«

»Es gab keinen Hinweis auf sie.«

Lüge, dachte Rukar. Er beobachtete Misano, dessen Schritte zögernd wurden. Rukars Fragerei machte ihn offensichtlich nervös. Würde er sein Angebot zurückziehen? »Meine Mutter war eine Menschenfrau. Wie kam sie in die Gondel?«

Misano versteifte sich. Inzwischen hatte er seinen Schreibtisch und damit Rukar einmal umrundet. Abschätzend musterte er ihn. »Bring mir Elaine und ich gebe dir alles, was ich über deine Herkunft weiß.«

Rukar rutschte auf dem Sessel nach hinten und nahm die Füße vom Tisch. »Wieso sollte ich dir glauben? Ihr habt immer behauptet, nichts zu wissen. Ihr habt weder nach meinem Vater noch nach meiner Mutter gesucht. Stattdessen habt ihr mich bei Wook versteckt. Woher soll ich wissen, ob du mich nicht nur mit einem leeren Versprechen köderst?«

Auf Misanos Stirn begann eine Ader zu pulsieren.

»Die Wahrheit, Misano!«

Doch plötzlich entspannte sich der Unsterbliche und lächelte Rukar selbstgefällig an. »Ich gebe sie dir. Sobald du Elaine hierhergebracht hast.«

Sein ganzes Leben hatte Rukar nach seinen Eltern gesucht. Nichts hatte er sich mehr gewünscht, als zu wissen, woher er stammte. Er hatte sich eine Familie gewünscht, jemanden, der für ihn da war und der ihn so liebte, wie er war. Doch alles, was er bekommen hatte, waren Anfeindungen. Er war kein Kami, er war kein Mensch, er war kein Unsterblicher. Niemand wollte ihn haben.

Du bist völlig irre! Sie schneiden dir den Lebensfaden ab!

Doch er wollte frei sein. Und dazu gehörte nicht nur eine Wohnung weit weg von Wook. Dazu zählte auch endlich eine Antwort auf das Wer und Warum.

Rukar streckte Misano die Hand hin. »Geschäft ist Geschäft«, murmelte er und Misano schlug ein.

Damit war der Auftrag besiegelt.

Circles of Fate (2). Schicksalssturm

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