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Kapitel 3

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15. Juli 2011

Am nächsten Tag verließ Kurt zeitig sein Büro. Manuela hatte eingekauft und staufrei gelangten sie nach Dänemark.

Da der Mobilfunkempfang am Liegeplatz schwach war, ging Kurt nach dem Abendbrot bis zum Ende der Mole und versuchte Henning zu erreichen. Da nur die Mailbox ansprang, wählte er die Nummer des Festnetzanschluss im Ferienhaus von Inas Eltern.

Nach dreimaligen Freizeichen wurde der Hörer abgenommen. Aus dem Telefon schrillten laute, aggressive Beats.

„Hallo, wer ist da? Ich kann nichts hören; Moment, ich gehe raus“, sagte eine weibliche, leicht lallende Stimme. Nach einer halben Minute klang das Wummern der Bässe ab. „So jetzt kann ich hören. Wer ist da?“

„Hier ist Kurt Assens. Ich wollte kurz mit Henning sprechen.“

„Ola“, dann folgte eine kurze Pause, „ich vermute, der kann gerade nicht telefonieren.“

„Wieso nicht?“

„Ich glaube, der ist etwas breit.“

„Bist du es Ina?“

„Nein ich bin Steffi. Ina ist auch etwas breit.“

Kurts journalistischer Instinkt war alamiert: „Habt ihr jeden Abend so eine Sause? Was gibt es denn bei euch? Sangria, Cocktail, shit oder was?“

„Du bist lustig. Jeden Abend Sause und alles außer Brause“, reimte das weibliche Wesen am anderen Ende der Leitung und kicherte. „Willst du kommen und mitfeiern, dann bring Stoff mit“

„Welchen soll ich denn mitbringen?“

„Wie du willst, Süßer. So, jetzt gehe ich wieder rein.“

Nach einem „Ciao!“ folgte das Besetzzeichen. Kurt drückte die Wahlwiederholung, doch der Anschluss war weiterhin besetzt. Diese Party schien jeden Ballermann-Abend in den Schatten zu stellen.

Um Manuela nicht weiter zu beunruhigen, schilderte er ihr nicht die ganze Geschichte. Er erzählte, dass er nur eine Freundin von Ina und Henning erreicht habe. Ihr Sohn und seine Freundin seien heute Abend mit anderen auf einer Party. Dass er in der Musikhölle, in der sich ihr Sohn entweder sternhagelvoll oder bekifft befand, direkt angerufen habe, verschwieg er beflissentlich.

16. Juli 2011

Bevor sie am Samstagmorgen die Leinen lösten, schickte Kurt seinem Sohn eine SMS, in der er nach der Ankunftszeit des Fluges fragte.

Während Kurt bei angenehmen drei Windstärken das Boot durch den Alsensund nordwärts steuerte, las Manuela einen Roman.

Das Steuerrad in der Hand sinnierte Kurt über seinen Traum von Donnerstag nach. Mathematik gehörte wahrlich nicht zu seinen schulischen Leidenschaften. Seit seiner Kindheit hatte er viel gelesen und folglich hatte er Deutsch als Leistungskurs neben Englisch gewählt. Für die gleiche Kombination hatte sich auch Heinz entschieden, der schon in der Grundschule sein Sitznachbar war. In der Oberstufe nahmen sie beide an der Theater-AG teil. In der Sommernachtsinszenierung glänzte Kurt als verliebter Lysander, während Heinz den Elfenkönig Oberon spielte.

Am späten Nachmittag legten sie in Dyvig an und gingen in ein Restaurant. Beim Essens ging eine SMS von Henning aufs Kurts Handy ein „Wetter super, Stimmung auch, Ankunft morgen 20.45.“ Klang ganz so als ob ihr Sohn gerade nüchtern und bei klarem Kopfe sei. Lediglich dem alten Germanistiken in Kurt stieß missbilligend auf, dass vollständige Sätze nebst Verben in Zeiten der Kurzmitteilungen vom Aussterben bedroht waren.

17. Juli 2011

Als Manuela und Kurt den Flughafen erreichten, nahm gerade auch Hennings Flieger seine Parkposition ein. Wenigstens an diesem Punkt bestand eine wenn auch unbewusste Harmonie zwischen Eltern und Sohn.

Im Ankunftsbereich warteten bereits Inas Eltern. „Ich hoffe unser Haus steht noch“ sagte Inas Mutter mit einem Lächeln.

„Haben Sie Grund zur Sorge“, fragte Kurt.

„Nein, aber Sie wissen doch selber, wie es war, als wir selber jung waren, oder?“ erwiderte Herr Olten augenzwinkernd. In diesem Moment erschien die Clique in der Schiebetür.

„Ola, Ina“, rief Frau Sanchez-Olten und umarmte ihre Tochter innig, „ihr seht alle ein bisschen übermüdet aus. Waren wohl kurze Nächte oder?“

Auch Henning sah ziemlich mitgenommen aus. Kurt wuschelte ihm kurz durchs Haar. „Na alles klar?“

„Ja“, sagte Henning und umarmte seine Eltern, „ich brauche jetzt nichts dringender als mein Bett.“

Auf der kurzen Fahrt nach Eppendorf antwortete Henning auf die investigativen Nachfragen seiner Mutter, dass sie zweimal surfen waren und am Swimmingpool viel gefaulenzt haben.

„Und abends?“

„Gelegentlich Party in der Diskothek oder am Pool.“

Kurt verkniff sich einen Kommentar. Weder wollte er Manuela weiteren Grund zur Beunruhigung geben noch seinen Sohn in die Enge treiben. Er hielt sich an einen seiner journalistischen Leitsätze: Über vieles kann man sprechen, aber nicht alles muss gesagt werden.

18. Juli 2011

Ironischerweise träumte Kurt in der Nacht, dass er kiffend mit Susanne in einem dunklen Raum saß. Sie hörten bei Kerzenschein laute Musik und kicherten. Plötzlich standen seine beiden Söhnen in der Tür. Sie trugen ihre Konfirmationsanzüge, schüttelten den Kopf und beschimpften ihren Vater. Henning nahm sein Handy aus der Tasche und drohte Kurt, dass er Manuela anrufe. „Mach es doch“, gröllte Kurt und knutschte wild mit Susanne. Schließlich erschien Manuela mit einem Gartenschlauch in der Hand. Stinkende Gülle sprühte sie auf Susanne und Kurt.

Als die Jauche auf ihn nieder regnete, sprang der Wecker an und ermöglichte Kurt die Flucht in sein morgendlich lichtdurchflutetes Schlafzimmer.

Er duschte und ging mit einem frischgebrühten Latte macchiato in den Garten.

Neben der großen Trauerweide schob der kleine Steg seinen Finger in den Flusslauf der Alster. Kurt setzte sich in den alten Holzsessel, der auf dem Steg verwurzelt war. In der morgendlichen Brise wiegten sich die Zweige der Trauerweide wie Feenhaar.

Kurt schlürfte an seinem Kaffee und grübelte über den Traum nach.

Er entschied sich zum Treffen mit Susanne zu gehen, um ein offenes Kapitel im Buch seines Lebens schließen zu können.

Schwieriger war die Frage, ob er Manuela über den Brief informieren sollte.

Ehrlicher wäre es sie zu informieren; stressfreier hingegen das Treffen mit Susanne zu verheimlichen. Wie die Äste der Trauerweide im sachten Sommerwind wogen auch Kurts Gedanken hin und her.

Unentschlossen fuhr er in den Sender. Nach der wöchentlichen Sitzung mit seinen Redaktionsleitern ging er in der Mittagpause in den benachbarten Park. Mit Abstand betrachtet, kam er zu dem Entschluss, dass es doch das Beste wäre Manuela über das Treffen mit Susanne zu informieren.

Als er in sein Büro zurückkam, begrüßte ihn seine Büroleiterin Frau Leitmaier mit ihrem deftig bayrischen Akzent. Seit Kurt zum Leiter des Programmbereichs "Politische Unterhaltung" aufgestiegen war, waltete Frau Leitmaier diskret und zuverlässig als seine rechte Hand. In der Hektik des Senderalltags strahlte sie mit ihren 48 Jahren Ruhe aus. Sie trug ein helles, ärmelloses Kleid, das in harmonischem Kontrast zu ihrem schwarzen Pagenschnitt stand. Ihre braunen Augen schauten ihn an und sie teilte Kurt mit, dass er seine Frau umgehend zuhause anrufen möge. Kurt stutzte. Dass Manuela um Rückruf bat, kam gelegentlich vor, doch noch nie hatte Frau Leitmaier ihm die Nachricht mit dem Hinweis auf Dringlichkeit ausgerichtet. Kurt griff zum Hörer. Nach zweimaligen Freizeichen meldete sich Manuela.

„Unser Sohn nimmt Drogen!“, schrie Manuela hysterisch, „ich habe seine Urlaubswäsche heute waschen wollen und in seiner Jeans drei Tabletten Ecstacy gefunden. Ich habe Henning zur Rede gestellt. Er hat es nicht geleugnet, beschimpfte mich, weil ich ihm nachspioniere und ist dann wütend aus dem Haus gerannt.“

„Ich habe gleich noch eine Sitzung, danach komme ich gleich nach Hause.“

Ob drei Ecstacy-Tabletten als Indiz für eine Drogenkarriere ausreichten, bezweifelte Kurt. Gleichwohl konnte er Manuelas Sorge nachvollziehen. Zu deutlich klingelten noch die exzessiven Technobeats aus dem Telefonat mit Ibiza in seinem Ohr.

Als er zuhause ankam, tigerte Manuela unruhig durch die Küche. Von Henning gab es keine Spur. Nicht einmal die Mailbox sprang an, als Kurt ihn auf seinem Handy anrief. Schließlich rief Kurt bei Inas Eltern an. Henning war auch nicht bei seiner Freundin.

„Ich wollte mit meinem Jungen einen Termin vereinbaren; aber immer dann, wenn man die Kinder erreichen will, ist ihr Mobiltelefon dummerweise gerade aus. Seien Sie doch so nett und sagen Henning, falls sie ihn heute noch sehen, er möge mich anrufen.“

„Ja, ja, die Jugend und ihre Handys: Für ihre Freunde immer erreichbar und wenn die Eltern mal anrufen, ist der Akku gerade leer. Eigentümliche Zufälle! Ich sage Bescheid, wenn ich ihn sehe. Ihnen einen schönen Abend.“

Als Henning um 23.30 immer noch nicht zuhause war, kam Manuela zur Überzeugung, dass sie eine Vermisstenanzeige aufgeben müssen.

Kurt schüttelte innerlich den Kopf: „Was sollen wir der Polizei sagen, dass unser Sohn heute Mittag noch hier war und nach einem Streit mit seiner Mutter Reißaus genommen hat und nun seit zehn Stunden nicht mehr gesehen wurde?“

„Henning hat so was noch nie vorher gemacht!“

„Und das soll die Beamten überzeugen? Irgendwann ist immer das erste Mal, werden die sich denken.“

„Hör auf“, schrie Manuela ihn an.

Nun platzte Kurt der Kragen: „Was sollen wir denn auf die Frage antworten, weshalb du Streit mit Henning hattest? Willst du erzählen, dass du illegale Drogen in seinen Klamotten gefunden hast? Klar sucht dann die Polizei unseren Sohn, aber nicht, weil seine Eltern ihn vermissen, sondern wegen des Verdachts auf Drogenbesitz?“

„Oh Gott“, hauchte Manuela mit weit aufgerissenen Augen und brach dann in Tränen aus.

Kurt wiegte sie im Arm und strich ihr beruhigend über das Haar. So wie er Henning einschätzte, würde dieser versuchen, sich nachts heimlich ins Haus zu schleichen. Mühsam konnte er Manuela überzeugen, dass sie sich schlafen legt, während er im Wohnzimmer auf ihren Sohn warten würde.

Kurt nahm sich das abonnierte Wochenmagazin, legte sich auf das Sofa und las den aktuellen Artikel über den Justizskandal.

Kurt erwachte von einem Knacken. Er fuhr hoch, die Zeitung glitt zu Boden und dann hörte er den vergeblichen Versuch seines Sohnes lautlos über den Holzdielenboden im Flur zu gehen. Kurt ging in den Flur und sah wie Hennings Waden den oberen Teil der Treppe in Angriff nehmen wollten. „Moment mein Sohn – wie ein Einbrecher musst du dich doch wohl nichts in elterliche Heim schleichen, oder?!“ Henning erstarrte in der Bewegung wie ein von einer Schlange überraschtes Kaninchen.

„Was hältst du davon, wenn wir beiden uns zusammensetzen?“

Wortlos kam Henning die Treppe hinunter; Kurt ging in die Küche, nahm eine Mineralwasserflasche aus dem Kühlschrank, fühlte zwei Gläser und hielt eins Henning hin. Dieser nahm dieses als vorübergehendes Friedensangebot an.

„Wo warst du denn die ganze Zeit? Deine Mutter rannte den ganzen Nachmittag wie ein Tiger im Wohnzimmer umher. Ihre Wege erkennst du an den abgewetzten Stellen im Teppich.“

Kurt schaute Henning mit einem verschlafenen, dezent verschmitzten Grinsen an, um ihn zum Reden zu bewegen.

„Ich war bei Lothar.“

„Und was sagt Lothar zum Streit zwischen dir und deiner Mutter?“

„Die soll sich nicht so haben, wegen ein paar Pillchen.“

„Dass wir uns Sorgen machen, ist wohl verständlich.“

„Mensch, Papa, ich bin kein Kind mehr.“

„Das ist wahr, aber mit Drogen ist nicht zu spaßen.“

„Was weißt du schon über Drogen?“

„Wahrscheinlich mehr als du denkst. Aber ich glaube, es bringt nichts, jetzt zu diskutieren. Ich bin müde und froh, dass du wieder da bist.“

Henning verdrehte die Augen und meinte: „Ja, ist wohl das Beste schlafen zu gehen.“

„Damit ist das Thema für heute Nacht beendet. Morgen beim Abendessen reden wir weiter miteinander, abgemacht?“

Kurt hielt Henning die Hand hin, widerwillig schlug Henning ein.

19. Juli 2011

Übermüdet schilderte Kurt Manuela beim Frühstück die nächtliche Begegnung mit ihrem Sohn, der noch schlief. Kurt schlug vor, dass Manuela den Drogenkonsum tagsüber nicht ansprechen soll, sondern wie zwischen ihm und Henning vereinbart, bis zum Abendessen warten solle. Auch wenn das Thema Manuela unter den Fingern brannte, stimmte sie zu. Da sie plante am Freitag nach Mallorca zu fliegen, um dort für neun Tage ihre Freundin Judith auf deren Finca zu besuchen, wollte sie den Tag nutzen, um noch ein paar Einkäufe und Erledigungen zu tätigen.

Kurt fuhr ins Büro. Während der Fahrt plante er den Tag. Das Gespräch mit Henning würde kein Zuckerschlecken werden. Zu gut konnte er sich vorstellen, wie Mutter und Sohn am Tag zuvor aneinander gerasselt waren. Für den Abend befürchtete er ein heftiges Gewitter. Am besten er versucht, an seine frühere Tätigkeit als Moderator anzuknüpfen und die Rolle des verständnisvollen Vermittlers zwischen beiden einzunehmen. Kurt mutmaßte, dass jede seiner früheren Sendungen ein leichter Ritt im Vergleich zu der familiären Talkrunde gewesen ist.

Als Kurt am frühen Abend nach Hause kam, vernahm er leise Techno-Beats aus der ersten Etage. Manuela stand in der Küche und bereitete eine Pizza vor. Es beruhigte Kurt, dass sie Hennings Lieblingsessen servierte. Kurt deckte den Tisch auf der Terrasse und holte Henning zum Essen.

Während sie aßen, herrschte Schweigen. Beim Tiramisu fragte Kurt Henning, wie denn das Surfen auf Ibiza war.

„Nicht so gut. Es war einfach zu wenig Wind.“

„Klingt ja langweiliger, als wenn du mit uns zum Segeln gefahren wärst“, sagte Kurt mit einem schelmischen Grinsen.

„Irgendwann ist man aus dem Alter raus, in dem man mit Babysitter unterwegs ist. Man braucht seine Freiheiten.“

„Mit denen man aber auch angemessen umgehen muss“, rutschte es Manuela raus.

„Jetzt spiel hier nicht die Mutter Teresa, Mama. Und bevor das Versteckspiel hier weiter läuft: Ja, ich, Henning Assens, bekenne mich schuldig, dass ich Alkohol getrunken habe und auch mal Ecstasy probiert habe. Sollen wir jetzt noch Opa aus dem Ruhestand holen, der das notariell beglaubigt?“

„Jetzt werde nicht unverschämt, Henning! Wir sind nicht bei Gericht, sondern ich als Mutter sorge mich um dich.“

„Machst du dir auch Sorgen um Karsten, der wahrscheinlich gerade kiffend am Gardasee sitzt und kleine Italienerinnen verführt?“

Manuelas Augen glühten vor Wut. Um eine weitere Eskalation zu unterbinden, ergriff Kurt das Wort: „Henning, entspann mal. Wir wollen dich und Karsten nicht miteinander vergleichen. Jetzt geht es aber um dich. Wie gefährlich Drogen sind, wissen wir alle drei.“

Henning verdrehte entnervt die Augen.

„Wo hast du denn das Zeug her?“ hakte Kurt nach.

Weiteres Schweigen.

„Hast du jeden Abend im Urlaub Ecstacy geschmissen?“

„Nein, wir waren immer ganz artig“, sagte Henning mit gespielter Entspanntheit.

„Da hatte ich aber einen anderen Eindruck, als ich in der Finca letzte Woche angerufen habe.“

„Spionierst du mir nach?“

„Da du meine Nachrichten auf deiner Mailbox ignoriert hast, habe ich in der Finca angerufen und hatte eine nette junge Dame am Telefon, die mir mitteilte, dass du nicht telefonieren kannst, da du zu breit seiest und deine Freundin Ina auch.“

„Wie bitte?“, entfuhr es Manuela mit zusammengekniffenen Augen, „das hast du mir nicht erzählt, Kurt!“

Mit einer abwehrenden Handbewegung stoppte Kurt Manuela, um sich seinem Sohn zuzuwenden. „Nimmt Ina eigentlich auch Estacy oder wie sieht sie deinen Konsum?“

Henning sprang wutentbrannt auf. „Das ist ja wie bei der Stasi. Der eigene Vater spioniert dem Sohn hinterher. Widerlich! Solche Verhörmethoden muss ich mir nicht gefallen lassen.“

Dann stürmte Henning ins Haus, knallte die Terrassentür. Zwanzig Sekunden später wummerte der Techno-Bass durch Haus.

„Wieso hast du das verschwiegen, Kurt.“

„Ich wollte dich nicht unnötig beunruhigen.“

Nun explodierte Manuela „Das ist ja wohl die Höhe. Wie wir ja gerade erleben, gibt es berechtigte Gründe sich um unseren Jüngsten Sorgen zu machen. Aber nein, mein Mann besitzt die Dreistigkeit von unnötiger Beunruhigung zu sprechen. In Zukunft möchte ich, dass du mir alles, was du über einen unserer Söhne erfährst – und sei es auch noch so dramatisch oder in deinen Augen harmlos – nicht vor mir verheimlichst! Haben wir uns verstanden?!“ zischte Manuela mit stechend scharfer Zunge und verschwand im Haus.

Resigniert starrte Kurt auf den Alsterlauf, auf dem gerade zwei Kanuten in harmonischer Eintracht vorbeizogen, während er seinen Kopf wie die Äste der Trauerweide hängen ließ.

Später klopfte Kurt an Hennings Tür. Außer der Musik schallte nichts aus dem Raum. Er drückte die Türklinke und trat in das Zimmer ein. Henning lag auf dem Bett und starrte die Decke an. Kurt drehte die Stereoanlage leiser. Eine Zeit lang schauten sie sich wortlos an. Schließlich schob Kurt den Schreibtischstuhl neben das Bett und sagte im sanften Ton. „Ich kann nachvollziehen, dass dich unsere Kontrolle nervt. Ging mir früher bei meinen Eltern auch so. Aber ich glaube, sie haben genauso Ängste um mich gehabt, wie Mama und ich gerade um dich. Wir müssen dich und deinen Bruder loslassen und können euch nicht in einen goldenen Käfig packen. Allerdings fällt einem, dass angesichts deiner ersten Drogenexperimente nicht leicht.“

„Mensch Papa, du hast doch auch Drogen ausprobiert?“ fragte Henning mit einem vertraulichen Unterton.

„Ja, deswegen mache ich mir ja Sorgen.“

„Du hast es geschafft, nicht abzuglitschen. Dann werde ich das auch hinkriegen, Papa.“

„Ich hoffe das; aber ich sehe einen Unterschied zwischen dir und mir.“

Neugierig setzte Henning sich auf.

„Während ich damals kiffte und Weinflaschen mit Kumpels leerte, sackten meine Schulleistungen nicht ab.

„Du kannst doch nicht meine Noten als Kriterium für Drogenabhängigkeit nehmen.“

„Warum nicht?! Mir ist bewusst, dass Verbote auch nichts bringen. Nur du alleine kannst deinen Konsum steuern.“

„Papa, ich habe das im Griff.“

„Das hoffe ich. Du weißt, dass deine Mutter am Freitag nach Mallorca fliegen will. Allerdings habe ich die Befürchtung, dass sie angesichts deiner – ich nenne es mal salomonisch – Experimente die Reise abbläst.“

„Oh Gott, die benimmt sich wie ein Kindermädchen!“

„Nicht so voreilig. Sie sorgt sich sehr um dich, basta. Mein Vorschlag ist, dass wir eine Vereinbarung treffen, mit der alle drei gut leben können: Wir beide sehen uns jeden Tag mindestens einmal. Des Weiteren schläfst du jeden Tag zuhause. Ausnahme ist natürlich, wenn du bei Ina übernachtest. Des Weiteren informierst du mich persönlich über deine jeweilige Tagesplanung.“

„Das ist ja echt wie bei der Stasi“ stellte Henning fest und reichte seinem Vater halbherzig die Hand.

Die zweite Postkarte

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