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V. Schlussbetrachtung

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Der Ort der Geschäftsleitung und die wirtschaftliche Substanz von ausländischen Kapitalgesellschaften haben durch die jüngsten, in der breiten Öffentlichkeit stehenden Ereignisse und Initiativen der OECD/G20-Staaten, EU-Kommission und des deutschen Gesetzgebers wieder verstärkt an Bedeutung gewonnen. Zugleich haben die bekannt gewordenen Steuergestaltungsmodelle und getroffenen Absprachen mit der jeweiligen nationalen Finanzverwaltung den Konflikt zwischen Steuerplanung, Inanspruchnahme der Grundfreiheiten und den Fiskalinteressen der betroffenen Staaten deutlich zu Tage treten lassen.

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Die Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Cadbury Schweppes und des BFH zur Auslagerung von Unternehmensfunktionen ermöglichen die Errichtung substanzschwacher Gesellschaften innerhalb der EU bzw. des EWR, sofern die Gesellschaft ihre wirtschaftlichen Kernfunktionen selbst ausübt.[152] Schließlich sind die vom EuGH in der Rs. Cadbury Schweppes formulierten Kriterien für die wirtschaftliche Substanz einer ausländischen Gesellschaft bisher nicht besonders hoch.[153] Zudem sprechen die in dieser Entscheidung gegenständlichen konzerninternen Finanzierungsgesellschaften und die Verwendung von Briefkastengesellschaften als Negativabgrenzung für eine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit für relativ geringe Substanzanforderungen.[154]

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Der jüngeren Rechtsprechung des EuGH hinsichtlich der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung[155] und hinsichtlich verbundener Unternehmen im Zusammenhang mit der Verlagerung von Gewinnen in einen anderen Mitgliedstaat[156] könnte möglicherweise ein weiteres Verständnis der missbräuchlichen Inanspruchnahme der Grundfreiheiten zu entnehmen sein. In beiden Bereichen beschränkt der EuGH die Zulässigkeit einer Missbrauchsbekämpfung durch nationale Regelungen nicht auf rein künstliche Gestaltungen.[157] Zudem könnten aus der OECD-/G20-BEPS-Initiative und dem Vorschlag einer Anti-BEPS-RL zukünftig erhöhte Anforderungen an die wirtschaftliche Substanz resultieren.[158]

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Der EuGH hat in der Rs. Cadbury Schweppes Substanzkriterien formuliert, ohne allerdings detaillierte Vorgaben zu machen.[159] Außerdem lassen sich den Ausführungen keine genauen Hinweise zu Art und Ausmaß der notwendigen Verflechtung mit dem Ansässigkeitstaat entnehmen.[160] Mit Spannung darf daher der Ausgang des beim BFH anhängigen Revisionsverfahrens (I R 94/15) infolge der Entscheidung des FG Münster v. 20.11.2015 erwartet werden. Im Revisionsverfahren muss sich der BFH, sofern dieser keine Vorlage an den EuGH erwägt, insb. mit der Frage auseinandersetzen, ob gezielt bestimmte Ressourcen des Aufnahmemitgliedstaats genutzt werden müssen und die rechtlichen Rahmenbedingungen Teil des Beschaffungsmarkts im Aufnahmemitgliedstaat sind und wiederum deren gezielte Nutzung erforderlich ist. Zudem darf eine Auseinandersetzung mit der Outsourcing-Rechtsprechung des BFH und dem genauen Erfordernis personeller Ressourcen für die konkrete Tätigkeit einer ausländischen Gesellschaft erwartet werden. Interessant dürfte sein, ob sich die Neubesetzung des I. Senats des BFH auf die Beurteilung der bisherigen BFH-Rechtsprechung auswirkt.[161]

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In der Praxis gerät die Bedeutung des Ortes der Geschäftsleitung gem. § 10 AO allzu schnell in Vergessenheit. Deshalb sei an dieser Stelle betont, dass der Ort der Geschäftsleitung einer ausländischen Kapitalgesellschaft anhand der beschriebenen sachlichen, örtlichen und persönlichen Kriterien auch tatsächlich gelebt werden muss, wenn sich dieser im Sitzstaat der ausländischen Kapitalgesellschaft befinden soll.

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