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6. Sichtung kritischer Dokumente

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Ein wesentlicher Teil forensischen Untersuchungen besteht regelmäßig aus der Auswertung einer Vielzahl von (physischen) Unterlagen. Tax Investigations bilden dabei keine Ausnahme. Vielmehr führen steuerliche Aufbewahrungsfristen und der „offizielle“ Charakter vieler zugrundeliegender Unterlagen Unternehmen dazu, gerade diese Dokumente besonders sorgsam aufzubewahren.

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Eine gute Dokumentenlage erhöht die Wahrscheinlichkeit Beweise für oder gegen bestimmte Verdachtsmomente zu finden. Allerdings stellt die Fülle an Dokumenten erhöhte Anforderungen an ein effizientes Dokumentenmanagement. Schnell kann eine Tax Investigation mehrere Dutzend oder gar Hunderte von gefüllten Aktenordnern umfassen. Unerlässlich ist deshalb ein auch für Dritte nachvollziehbares System zur Erfassung, Sicherung und Nachverfolgbarkeit von Unterlagen.

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Zunächst gilt es, die Arten von Unterlagen zu bestimmen, die für einen zu untersuchenden Sachverhalt relevant sind. Für den oben skizzierten Fall (Rn. 36 ff.) können dies etwa die folgenden Unterlagen sein:

Ausschreibungsunterlagen der Sorglos GmbH,
Verträge und Vertragsergänzungen bzw. -änderungen zwischen Sorglos GmbH und Lautlos GmbH,
Bestellanforderungen der Sorglos GmbH,
Bestellungen der Sorglos GmbH,
Rechnungen, Leistungsnachweise, Lieferscheine der Lautlos GmbH,
Kreditorenstammdaten zur Lautlos GmbH im System der Sorglos GmbH,
Buchungen der Rechnungen von und Zahlungen an die Lautlos GmbH,
Steuererklärungen und -bescheide der Sorglos GmbH,
interne Richtlinien der Sorglos GmbH,
interner und externer Schriftverkehr der Sorglos GmbH,
Projektunterlagen der Sorglos GmbH.

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Idealerweise werden die Unterlagen im Original zur Verfügung gestellt. Bei entsprechenden Verdachtsmomenten können die Unterlagen auch auf Richtigkeit überprüft werden, um Fälschungen von Unterschriften, amtlichen Merkmalen oder ganzen Unterlagen auszuschließen.

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Wichtig ist es, die Unterlagen sorgfältig, aber immer mit dem Fokus auf die zu untersuchenden Sachverhalte hin auszuwerten. Das Festhalten an zwar interessanten, aber für die Investigation offenbar irrelevanten Inhalten geschieht häufig, etwa bei der Auswertung von Schriftverkehr, bringt jedoch für den Untersuchungsfortschritt wenig und kann sogar zu rechtlichen Problemen führen.

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Herausforderungen bei der Sichtung kritischer Dokumente bestehen insbesondere in der möglicherweise fehlenden Bereitschaft des untersuchten Unternehmens, diese Dokumente überhaupt bzw. zeitnah zur Verfügung zu stellen. Insbesondere dann, wenn die Unterlagen ausschließlich im Verfügungsbereich einer im Fokus stehenden Person (im vorliegenden Fall[25] etwa Erwin Eifrig) befindlich sind, könnte das Interesse dieser Person darin bestehen, die Unterlagen nicht oder nicht rechtzeitig beizubringen. Nicht selten haben diese Personen dann plötzlich einen vollen Terminkalender oder sind über längere Zeit krank.

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Eine weitere Herausforderung besteht bei legendierten Untersuchungen darin, den wahren Untersuchungszweck über das Anfordern konkreter Dokumente zum Sachverhalt nicht preiszugeben, bzw. das Bekanntwerden möglichst weit hinauszuzögern. Dies gelingt am ehesten, indem anfänglich möglichst Dokumente mit allgemeinem Charakter (in der vorgenannten Aufzählung wären dies etwa die Richtlinien oder Ausschreibungsunterlagen) angefordert werden. Dies steht jedoch häufig im Zielkonflikt mit dem Wunsch, die konkreten, möglicherweise kompromittierenden Unterlagen früh vor Vernichtung, Unterschlagung oder Manipulation zu sichern.

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Eine Alternative kann sein, die Anforderung konkreter Dokumente (z.B. Rechnungen, einzelne Stamm- oder Buchungsdaten) um unverfängliche Dokumente (z.B. Rechnungen anderer Lieferanten oder eine scheinbar zufällige Stichprobe von Stamm- und Buchungsdaten) zu ergänzen. Dies treibt jedoch den Aufwand für das Dokumentenmanagement teilweise in ungeahnte Höhen und kann unter Umständen die Pflicht zur Auswertung auch dieser als irrelevant erachteten nach sich ziehen.

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Hilfreich ist es, sowohl angeforderte als auch erhaltene Unterlagen mit Hilfe eines Dokumentenlogbuchs nachzuverfolgen. Zum einen können damit angeforderte, aber noch nicht zur Verfügung gestellte Unterlagen besser im Blick behalten und entsprechende Erinnerungen versendet werden. Zum anderen könnte die Frage, wann welches Dokument von wem, wie und an wen übergeben wurde, zu einem späteren Zeitpunkt relevant werden. Gerade, wenn sich bereits von Anfang an eine hohe Zahl zu sichtender Dokumente abzeichnet, lohnt sich ein professionelles Dokumentenmanagementsystem. Leider zeigt die Praxis, dass viele große Investigations zunächst klein anfangen, und das gesamte Ausmaß der Untersuchungshandlungen und damit auch der zu sichtenden Dokumente noch nicht bekannt ist.

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Bei großen bzw. standort- oder sogar länderübergreifenden Investigations sollte über eine Cloud-Lösung, auf welche die Mitglieder des Untersuchungsteams standortunabhängig Zugriff haben, nachgedacht werden.

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Die Erkenntnisse aus den ausgewerteten Dokumenten, die zur Klärung des jeweiligen Sachverhalts beitragen, können auf direkte Art und Weise in den Bericht mit einfließen. Sie können aber auch lediglich mittelbar Anhaltspunkte für weitere Untersuchungsmaßnahmen sein. So liefern einzelne Dokumente möglicherweise (weitere) Suchbegriffe für eine computerforensische Auswertung[26] oder dienen als Vorhalt für ein konfrontatives Interview.[27]

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