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c) Wahrheits- und Berichtigungspflicht

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Die nach den Einzelsteuergesetzen bestehenden Steuererklärungspflichten werden konkretisiert durch die §§ 149 ff. AO. Zu den wichtigsten dieser Vorschriften gehört die Pflicht zur Abgabe vollständiger und richtiger Steuererklärungen (vgl. §§ 150 Abs. 2, 153 Abs. 1 S. 1 AO). § 150 Abs. 2 AO verlangt, dass die Angaben in den Steuererklärungen „wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen“ sind.[21]

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Die Wahrheitspflicht bei Abgabe von Steuererklärungen wird ergänzt durch die Korrekturpflicht nach § 153 Abs. 1 AO.[22] Erkennt der Steuerpflichtige nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist, so ist er verpflichtet, dies bei dem für ihn zuständigen Finanzamt unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen.

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Der Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO kommt im unternehmerischen Bereich eine wichtige, in den letzten Jahren stetig gestiegene, Bedeutung zu.[23] Aus dieser Verpflichtung ergeben sich erhebliche Anforderungen, die bei der Ausgestaltung eines wirksamen Tax Compliance Management Systems zu beachten sind.[24] Dies resultiert nicht zuletzt daraus, dass Verstöße gegen eine entstandene Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO als Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) bzw. als leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 Abs. 1 AO) zu ahnden sein können[25] und dass als „Berichtigung nach § 153 AO“ bezeichnete Korrekturerklärungen regelmäßig an die Straf- und Bußgeldsachenstellen zur Prüfung weitergeleitet werden.[26]

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Wurde eine unrichtige oder unvollständige Erklärung abgegeben, trifft den Steuerpflichtigen eine Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO. Die Voraussetzungen für die Berichtigungspflicht nach § 153 AO sind im Einzelnen:

Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Erklärung,
kausale Steuerverkürzung (dabei reicht aus, dass es „dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann“),
nachträgliches Erkennen der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit, d.h. nach Abgabe der Steuererklärung; ein bloßes „Erkennenkönnen“ oder „Erkennenmüssen“ reicht nicht aus, wie Tz. 2.4 AEAO zu § 153 AO ausdrücklich klarstellt,
vor Ablauf der Festsetzungsfrist.

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Liegen die Voraussetzungen vor, ist der Steuerpflichtige zur unverzüglichen (d.h. ohne schuldhaftes Zögern[27]) Anzeige der Unrichtigkeit der Erklärung verpflichtet. Wann eine Anzeige noch unverzüglich in diesem Sinne erfolgt, hängt jeweils von allen Umständen des Einzelfalls ab. Nach § 153 Abs. 1 S. 2 AO trifft die Verpflichtung auch den Rechtsnachfolger, also insbesondere die Erben (relevant in Einzelunternehmen) und z.B. bei Umwandlungsvorgängen.

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Sowohl im Rahmen der bei Abgabe von Steuererklärungen geltenden Wahrheitspflicht als auch bei der Frage, ob eine abgegebene Steuererklärung gem. § 153 Abs. 1 AO zu korrigieren ist, ist von zentraler Bedeutung, wann eine Erklärung „unrichtig“ ist. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die den Steuerpflichtigen treffende Wahrheitspflicht (vgl. § 150 Abs. 2 S. 1 AO) sich nur auf Tatsachen, nicht jedoch auf rechtliche Schlussfolgerungen erstreckt. Die Steuererklärungen sehen grundsätzlich selbst keine Sachverhaltsangaben vor, sondern verlangen Zahlenangaben, die ihrerseits das Ergebnis einer steuerrechtlichen Beurteilung sind, bei der vom Steuerpflichtigen zwischen rechtlich erheblichen und rechtlich unerheblichen Tatsachen unterschieden werden muss.[28] Gleichwohl wird die Tatsachenbasis immer zugleich von der zugrunde gelegten Rechtsauffassung mit bestimmt.[29]

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Grundsätzlich darf der Steuerpflichtige seiner Steuererklärung jede vertretbare Rechtsauffassung zugrunde legen.[30] Insbesondere ist er darin frei, eine von der Rechtsprechung und/oder herrschenden Verwaltungsauffassung abweichende Meinung zu vertreten.[31] Jedoch besteht nach der Rechtsprechung des BGH zumindest eine Offenbarungspflicht für diejenigen Sachverhaltselemente, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist.[32] Dies ist nach Auffassung des BGH insbesondere dann der Fall, wenn die von dem Steuerpflichtigen vertretene Auffassung über die Auslegung von Rechtsbegriffen oder die Subsumtion bestimmter Tatsachen von der Rechtsprechung, Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweicht. Der Steuerpflichtige darf der Finanzbehörde keine Tatsachen verschweigen, die nach dem Empfängerhorizont der Finanzbehörde entscheidungserheblich sind.[33] Maßgeblicher Empfängerhorizont der Finanzbehörde ist die Verwaltungsauffassung, die in Verwaltungsvorschriften und im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird, also die nach außen erkennbare Verwaltungsauffassung.[34] Daran orientiert muss der Steuerpflichtige die tatsächlichen Angaben machen, die für die rechtliche Beurteilung von Bedeutung sind oder von Bedeutung sein können.[35]

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Maßgeblich ist der Empfängerhorizont bei Abgabe der Erklärung. Eine Änderung in der Rechtsprechung und/oder Verwaltungsauffassung macht deshalb eine ursprünglich richtige Steuererklärung nicht unrichtig.[36]

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