Читать книгу "dein Gott, ist drinnen bei dir" (Zefanja 3,17) Spirituelle Profile - Markus Roentgen - Страница 10

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Albertus Magnus

(geb. um 1200; gestorben in Köln am 15. November 1280)

Oder: „Wer nicht denken will, fliegt raus…“(Joseph Beuys)

Betend denken; denkend beten: Studieren und lebenslang lernen als spiritueller Grundvollzug (vgl. auch die nämliche Sicht im Judentum).

Albertus Magnus, das ist eine „intellektuelle Berufung“ (Congar, 228).

Als Dominikanerpater (Bettelorden) der universale Gelehrte seiner Zeit. Radikale Nachfolge des armen und nackten Jesus und intellektuelle Mentalität im Kontext eines Jahrhunderts, das Wissenschaft, Philosophie und Theologie zur Hochblüte brachte, in einer Umbruchszeit, die mit der Gründung von Städten und Universitäten, mit der Ablösung der Romanik durch die Gotik, eine Epochenschwelle darstellt.

Ein allseits interessierter Mensch („Doctor Universalis“; „Doctor Expertus“ – der erfahrungsreiche Lehrer) tritt auf: Naturkundler (Naturwissenschaftler in der Methode der Empirie) und Naturphilosoph (er schreibt eine „Pflanzenkunde“, „Tierkunde“, Wetterkunde“, „Gesteinskunde“, ist auf der Höhe seiner Zeit in: Medizin, Physiologie, Zoologie, Botanik, Physik, Chemie, Geographie, Klimatologie, Geologie, Mineralogie, Meteorologie, Astronomie), Philosoph (er ist der Aristoteles-Entdecker für die Philosophie und Theologie des Mittelalters), Theologe (bedeutende Bibelkommentare, Systematische Theologie, Mystik); er ist Politiker (allseits anerkannter Schiedsrichter und Friedensstifter), Kirchenleiter als Bischof von Regensburg, Universitätsgründer der Universität zu Köln, der damals größten deutschen Stadt am Vorabend der Domgrundsteinlegung 1248 und in allem Bettelmönch, der tausende Kilometer zu Fuß durch Deutschland und Europa pilgert.

Zusammenführungen: von genauem Denken auf der Basis von Beobachtung und Erfahrungswissen; kontemplativem und tätigem Leben, Mystik und Politik. Strenges konsistentes Denken, Ehrfurcht und Liebe zu allem Geschaffenen, zur Gesamtheit der Natur, friedensstiftender Dienst am Nächsten; tiefere Einheit in Verschiedenheit von beschaulichem und tätigem Leben.

Lebensstationen:

Um 1200 Geburt in Lauingen; 1223 Dominikaner in Köln; 1245 Magister der Theologie in Paris; ab 1248 mit Thomas von Aquin in Köln, Gründung des Generalstudiums; 1254 Provinzial der Dominikaner; 1257 Zweite Vorlesungszeit in Köln; 1260 Bischof von Regensburg; 1270 Rückkehr nach Köln; 1279 Testament; 1280 Tod im Kölner Dominikanerkonvent; 1651 Erste Gesamtausgabe; 1931 heiliggesprochen (Kirchenlehrer; Patron der Naturwissenschaften).

Denken und Spiritualität

Wir leiden nicht an einem zuviel, vielmehr an einem zuwenig guten, vernünftigen Denkens!

Scholastische Dynamik: legere; disputare; praedicare – ein ständig sich wechselseitig beförderndes Tun.

Vermittlung und Übersetzung: Versuch, die gesamte Wissenschaft des Aristoteles, der arabischen und jüdischen Gelehrten verstehbar zu machen. Albert hatte, wie Thomas von Aquin, eine besondere Fähigkeit, zum Kern einer Frage, Sache durchzudringen und diesen in der Substanz zu erfassen.

Denken und Beten im Gehen (peripatetisch), in der Tradition der Bettelorden durch ganz Europa; tausende Kilometer im Laufe seines Lebens, bis ins hohe Alter!

Im Zuge der Domgrundsteinlegung durch Konrad von Hochstaden am

15. August 1248 gelingt es Albert, Köln zum wissenschaftlichen Mittelpunkt Deutschlands zu machen. Hohe Wertschätzung des profanen Wissens! Einer der frühen Denker, die „Profanes“ so anschauen, dass es als Heiliges erscheint. Abwehr jeglicher Denkfaulheit oder der Diskreditierung des Intellektes (etwa durch Verweis auf den einfachen und naiven Glauben!).

Albert schreibt in seinem Dionysius-Kommentar: „Es gibt Leute, die nichts verstehen, aber auf jede Weise die Verwendung der Philosophie (zur Glaubensverteidigung) bekämpfen, besonders bei den Predigerbrüdern, wo ihnen keiner entgegen tritt. Wie Tiere ohne Vernunft lästern sie gegen das, was sie nicht kennen“ (Ed. Col. XXXVII, 2, 1978, 504).

Seine „Physik“ ordnet die Naturwissenschaft und die Naturkenntnis der größeren Ehre Gottes zu.

Lehrer von Thomas von Aquin, dem „stummen Ochsen“ von Köln, der, laut Albert, brüllen wird, „dass es in der ganzen Welt ertönt“.

Beispiele seines Denkens und Schreibens:

Naturbeobachtung

„Wenn der Winter kommt, suchen die Fische Plätze mit Höhlungen auf. In meiner Burg an der Donau, wo die Mauern und die Felsen starke Löcher aufweisen, habe ich das beobachtet. Jedes Jahr im Herbst, nach der Tagundnachtgleiche, sammeln sich dort Fische, die im Volksmund Barben heißen, und sie kommen in solchen Scharen, dass man sie mit der Hand greifen kann. Zu meiner Zeit haben die Ortsbewohner auf einen Schlag bis zu zehn Wagenladungen mit der Hand ans Ufer geworfen.“23

23 Zitiert nach: A. Fries, Albertus Magnus. Ausgewählte Texte, hg. und übers. von A. Fries. Darmstadt 2/1987, 63.

Bei Peter von Preußen heißt es: Albertus „war in der Wissenschaft ohne Neid.“

Er ist auch ein Vorläufer des Denkens eines nachhaltigen Umgangs von Forschung, Wissenschaft und Technik mit den natürlichen Ressourcen. Kardinal Joseph Höffner zitierte deshalb bei seiner Albertus-Fest-Predigt ein zutreffendes entsprechendes indianisches Sprichwort: „Was heute mit der Erde geschieht, wird auch bald mit den Kindern der Erde geschehen.“ – „Der Partner Gottes ist kein Verwüster.“24

24 Zitiert nach: J. Höffner, Predigt am Fest des hl. Albert 1979, Schriftenreihe des Presseamtes des Erzbistums Köln, Heft 66.

Schriftauslegung

„In Wahrheit gibt es vier Arten, das, was die Heilige Schrift sagt, auszulegen:…Daher ist der wörtliche Sinn der frühere, auf ihm gründen sich die drei geistlichen Sinne. Drei Dinge nämlich gibt es, zu denen wir ausgerüstet werden müssen: zur Wahrheit nämlich, die den Verstand durch den Glauben erleuchtet, und dazu dient die allegorische Sinnauslegung, zur Tugend, wodurch das Streben nach Verdienst bewirkt wird, und dazu dient die tropologische oder moralische Auslegung. Das Ziel ist die Glückseligkeit, wohin wir durch die Wahrheit und die Tugend streben, und dazu dient die anagogische Sinnauslegung. Diese drei stehen auf der wörtlichen Sinnauslegung wie auf einem Fundament.“25

25 Ed. Col. XXXIV,1, 1978, 21.

Sprache

„Alberts Sprache hat eine persönliche Note und nimmt vielfach Bezug auf eigene Erfahrungen und Erlebnisse; sie ist lebhaft, sogar temperamentvoll in der Auseinandersetzung und in der Wahrung seiner wissenschaftlichen Selbständigkeit. In den theologischen Schriften, besonders in den Schriftkommentaren, erhebt sich diese Sprache nicht selten zu hohem Schwung und starker religiöser Wärme, ja mystischer Glut…Die Buchstabenformen und Wortbilder erwecken als sinnliche Erscheinung den Eindruck einer über der Schablone des Durchschnitts stehenden warmen, geradezu ästhetisch ansprechenden Lebendigkeit.26

26 Zitiert nach: H. Ostlender, Albertus Magnus. Köln 4/1984, 9 u. 16.

Mystik

Sie ist das Herzstück seiner Theologie, mit großem Einfluss auf Meister Eckhardt, Johannes Tauler, Heinrich Seuse, Nikolaus von Kues etc.

Ihm ist das Problem der Synthese, der Einheit zwischen Gott-Schöpfung/Natur-Mensch wohl bewusst. Aber er zerbricht nicht faustisch daran, er lebt es, erleidet es, löst es aber auch. „Albert glaubt an die Existenz der Einheit, und um sie besser durch seine Vernunft entdecken zu können, lebt er sie zuerst. Albert ist ein katholisches Genie, ein Genie der Einheit.“ (Congar, 232).

Es geht um die Vereinigung mit Gott, im Ansatz jetzt schon erfahrbar im Weg des Liebens. Liebe und Lieben aus der Begegnung mit Christus. Albert sagt in einer Predigt, dass wir von seiner Liebe angezogen werden. Wörtlich: „Jeremia (31,3) sagt: In ewiger Liebe habe ich dich geliebt und deshalb an mich gezogen. Und Johannes (12, 32): wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen. Das war das größte Zeichen seiner Liebe zu uns…Die Liebe vereinigt uns mit ihm.“27

27 Zitiert nach: B. Geyer, Die Universitätspredigten des Albertus Magnus. München 1966, 45.

Moraltheologie

„Wenn du allen deinen Feinden von Herzen verzeihst, ist es besser, als wenn du unter ständigen Geißelschlägen nach St. Jakob (Compostela) pilgerst.“28

28 Zitiert nach: G. Nitz, Albertus Magnus in der Volkskunst. Die Alberti-Tafeln. München 1980, 16.

Doctor Universalis und Ästhet

„Das ganze Weltall ist dem Menschen Rede von Gott, denn ‚die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes, vom Werk seiner Hände kündet das Firmament’ (Ps 19,2)“ – so Albert in seinem Matthäuskommentar). Und in seinem Kommentar zum Johannesevangelium heißt es: „Gott ist in der Welt durch Zeichen seiner Gegenwart. Da nämlich der Schöpfer kraft Vernunft und Verstand alles schuf, ist er in der Welt, weil er darin Zeichen seines Verstandeslichtes zurückgelassen hat. Die Anordnung der Welt bekundet nämlich Weisheit, die Erhaltung der Welt eine Gottheit, die sie erhält; die Vollkommenheit der Welt zeigt Güte, die Größe der Welt Macht.“

Deshalb ist für Albertus Magnus auch keine Trennung zwischen Glauben und Wissen gegeben. Er schreibt in seinem Matthäuskommentar: „Wenn jemand die Naturwissenschaft gründlich betreibt, sind ihm die Worte des Herrn kein Anlass zum Zweifel“29

29 Zitiert nach: H. Ostlender, Albertus Magnus. Köln 4/1984, 28.

Und in seiner Pflanzenkunde schließlich:

„Die schönsten Dinge auf dieser Welt, die alles von Menschenhand Geschaffene in den Schatten stellen, kosten gottlob kein Geld. Der prächtigste Dom ist im Vergleich zu einem hohen Tannenwald nur ein wüster Steinhaufen. Kein Gemälde kann es mit einem unerreichbar schönen Sonnenuntergang aufnehmen.“30

30 Zitiert nach: M. Lohrum, Todestag von Albertus Magnus (ca. 1200-1280) 15. November: Woran sie glaubten – wofür sie lebten. München 1993, 327.

Literatur:

Meinolf Lohrum, Albert der Große. Forscher-Lehrer-Anwalt des Friedens. Topos Tb 216. Mainz 1991.

Yves M.-J. Congar, Der Heilige Albert der Große. Größe und Elend einer intellektuellen Berufung : Ders., Wege des lebendigen Gottes. Glaube und geistliches Leben. Freiburg u.a. 1964, S. 227-232.



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