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DIE VIER TEMPERAMENTE

GALEN (UM 129–201)

IM KONTEXT

ANSATZ

Vier-Säfte-Lehre

FRÜHER

um 400 v. Chr. Der griechische Arzt Hippokrates behauptet, dass sich die Eigenschaften der vier Elemente Erde, Luft, Feuer und Wasser in den Körperflüssigkeiten widerspiegeln.

um 325 v. Chr. Der griechische Philosoph Aristoteles nennt vier Quellen des Glücks: Lust, Besitz, Tugend und Vernunft.

SPÄTER

1543 Der Anatom Andreas Vesalius veröffentlicht in Italien das Buch De humani corporis fabrica (Anatomia). Es zeigt Galens Irrtümer auf, Vesalius wird wegen Ketzerei angeklagt.

1879 Wilhelm Wundt führt die Ausprägung der Temperamente darauf zurück, wie stark die Gefühle sind und wie schnell sie wechseln.

Der griechische Philosoph und Arzt Galen teilte die Menschen auf Grundlage der antiken Vier-Säfte-Lehre in vier Persönlichkeitstypen ein. Diese Lehre geht zurück auf den griechischen Philosophen Empedokles (um 495–435 v. Chr.), laut ihm bestehen alle bekannten Stoffe aus den vier Grundelementen: Erde (kalt, trocken), Luft (warm, feucht), Feuer (warm, trocken) und Wasser (kalt, feucht). Darauf beruht auch das medizinische Modell des Hippokrates (460–370 v. Chr.), er ordnete die Eigenschaften der Elemente den vier Körperflüssigkeiten zu, die »Säfte« genannt wurden.

Galen wandte die Vier-Säfte-Lehre darüber hinaus auf die Psyche an: Er sah eine direkte Verbindung zwischen der Vorherrschaft eines Saftes und bestimmten Verhaltensneigungen – den Temperamenten. Galen identifizierte vier davon: Sanguiniker, Phlegmatiker, Choleriker und Melancholiker. Sanguiniker haben seiner Auffassung nach zu viel Blut (lat. sanguis), sind warmherzig, fröhlich, optimistisch und selbstbewusst, können aber auch egoistisch sein. Phlegmatiker (von griech. phlegma – Hitze, Entzündung, Schleim) hingegen sind ruhige, freundliche, kühle, rationale und beständige Persönlichkeiten, die zu Langsamkeit und Schüchternheit neigen. Choleriker (von griech. chole – Galle) haben ein hitziges Temperament und zu viel gelbe Galle. Im Gegensatz dazu leiden Melancholiker (von griech. melancholia – schwarze Galle) an einem Überschuss an schwarzer Galle, sie gelten als Künstlernaturen, die oft von Traurigkeit und Angst heimgesucht werden.


Ein Ungleichgewicht der Säfte ist ausschlaggebend für den Persönlichkeitstypus und die Neigung zu bestimmten Erkrankungen.


Ungleichgewicht der Säfte

Nach Galen haben manche Menschen eine Disposition für ein bestimmtes Temperament. Damit einhergehende psychische Probleme werden seiner Auffassung nach durch ein Ungleichgewicht der Säfte verursacht. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass dieses Ungleichgewicht durch eine Ernährungsumstellung und Bewegungsübungen ausgeglichen werden kann. In schweren Fällen empfiehlt er Einläufe und Aderlässe als Therapeutika. Der Blutüberschuss eines Sanguinikers wird zum Beispiel durch eine Einschränkung des Fleischkonsums oder durch Aderlass kuriert.

Galens Lehren dominierten die Medizin bis zum Beginn der Renaissance; von da an begann sein Stern zu sinken. 1543 stellte der in Italien praktizierende Arzt Andreas Vesalius (1514–1564) mehr als 200 Irrtümer in Galens anatomischen Beschreibungen fest. Obwohl die medizinischen Ausführungen Galens zunehmend in die Kritik gerieten, beeinflussten sie die Psychologie bis ins 20. Jahrhundert. 1947 behauptete Hans Jürgen Eysenck, dass das Temperament genetisch bedingt sei und die von ihm identifizierten Persönlichkeitsdimensionen – Neurotizismus und Extraversion – die alten Temperamente widerspiegelten.

Auch wenn die Vier-Säfte-Lehre in der Psychologie keine Rolle mehr spielt, basiert so manche moderne Therapieform auf Galens Gedanken, dass viele Krankheiten psychosomatisch bedingt sind.

Galen


Galenus von Pergamon war ein griechischer Arzt, Chirurg und Philosoph. Sein Vater Aelius Nikon, ein wohlhabender Architekt, ermöglichte ihm eine gute Ausbildung und gab ihm Gelegenheit zum Reisen. Galen ließ sich in Rom nieder und diente mehreren Kaisern als Leibarzt, unter anderem Marc Aurel. Bei der Behandlung von Gladiatoren lernte er viel über die Therapie von Traumata. Er schrieb über 500 medizinische Bücher und hielt das Sezieren von Tieren und das Studium der Anatomie für die besten Methoden, um sich medizinisches Wissen anzueignen. Obwohl Galen die Funktionen vieler innerer Organe entdeckte, glaubte er irrtümlich, dass Tiere wie Affen oder Schweine dem Menschen anatomisch gleich seien. Sein Todesdatum ist umstritten, Galen wurde aber auf jeden Fall über 70 Jahre alt.

Hauptwerke

um 190 De temperamentis

um 190 De naturalibus facultatibus

in mehreren Teilen Methodi medendi (16 Bücher zu verschiedenen Medizinbereichen)

Big Ideas. Das Psychologie-Buch

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