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TEIL III – WANDERJAHRE

Paris – voller Hoffnung in die Zukunft

Herbst 1843 bis Frühjahr 1844

Aus freiem Entschluss verließen Jenny und Karl Marx Mitte Oktober 1843 das preußische Staatsgebiet in Richtung Paris. Die Juli-Revolution im Jahre 1830 hatte zu einer konstitutionellen Monarchie unter dem „Bürgerkönig“ Louis Philippe von Orléans geführt. Hunderttausende Verfolgter aus ganz Europa fanden in Frankreich Aufnahme, so auch Jenny und Karl Marx, die sich zu den 50.000 deutschen Exilanten in der französischen Hauptstadt gesellten.

Sie hatten, wie sich Jenny erinnerte, schnell Kontakte: „Hess und seine Frau, Ewerbeck und Ribbentrop, vor allem Heine und Herwegh bildeten unsren Umgang“1, und später erweiterte sich ihr Bekanntenkreis um „Tolstoi, Bakunin, Annenkow, Bernays und tutti quanti (und wie sie alle heißen). Viel Klatsch à quèrelles allemandes (um des Kaisers Bart).“2 Zu ihrem Umfeld gehörten auch kritische, gut ausgebildete Handwerksburschen, – keine Industriearbeiter. Die Arbeiter in den Fabriken machten Mitte des 19. Jahrhunderts beispielsweise in Köln weniger als 8% der Bevölkerung aus. Karl Marx sprach in diesen Jahren noch nicht für das Proletariat, für das er gemeinhin steht, sondern sein Denken entwickelte sich erst in Richtung Kommunismus. Ungeachtet dessen fühlten sich Frau und Herr Marx ein Leben lang den „gehobenen“ Ständen zugehörig; für sie lagen Welten zwischen den Adligen und Bürgerlichen, die sie verbal so entschieden bekämpften, und der Arbeiterklasse, für die sie verbal so entschieden eintraten. Die zur Bürgerlichen gewordene Frau Marx gab sich aufgeschlossen und war voll ehrlicher Anteilnahme für das harte Schicksal der Unterdrückten, aber sie wahrte Distanz, adlige Distanz. Jenny verstellte sich nicht, sie zeigte sich anderen gegenüber nicht überheblich, aber sie strahlte etwas aus, das die anderen erkennen ließ, dass sie sich nicht auf gleicher Stufe stehend fühlen konnten. Sie machte sich nicht gemein mit „kleinen Leuten“, und diese wussten sehr wohl, dass Frau Marx eine Adlige war, die ihren Stand aufgekündigt hatte, um mit dem Mann zusammenzuleben, den sie liebte. Das bewunderten sie, und sie waren Jenny dankbar für die Freundlichkeit, die sie ihnen zuteil werden ließ, – und manche fühlten sich insgeheim erhöht, wenn sie so ohne Voreingenommenheit begrüßt wurden. Mme. Marx konnte allerdings auch sehr ablehnend sein.

Bis Februar 1844 wohnte das junge Paar in der Rue Saint–Thomas du Louvre, danach mietete es sich kurzzeitig im Hotel „Vanneau“ in der gleichnamigen Straße ein, bevor es am 1. März wohl auf Vermittlung von Ruge in der Rue Vanneau 38, Paris VII., Faubourg St-Germain eine Wohnung bezog. In diesem Haus lebten auch die Ehepaare Ruge und Mäurer. Ob es sich dabei tatsächlich um eine Art Kommune mit Privatsphäre, wie behauptet wurde, handelte, ist nicht belegt. Jedenfalls währte das Miteinander nicht lange. Die kleinen Banalitäten des Alltags ließen trotz Köchin und Haushaltshilfe das Zusammenleben scheitern oder man harmonierte nicht. Das lag nicht nur an den anderen Mitbewohnern, sondern auch an dem geistreichen, aber sehr von sich überzeugten jungen Herrn Doktor und seiner Frau, der Ex-Baronesse. Frau Marx war nicht wie die anderen Ehefrauen, sie war kein biederes Hausmütterchen, sondern eine gleichberechtigte Frau, die für sich die Teilnahme an den politischen Debatten in Anspruch nahm. Sie arbeitete sich in die Themen ein, mit denen ihr Mann sich beschäftigte, und vermutlich äußerte sie mit Verve ihre Meinung. Sie brachte die weibliche Sicht ein, gab pragmatische Hinweise, lieferte Geistesblitze – eine ideale Ergänzung zu ihrem Mann, der problematisierte, theoretisierte und systematisierte. Ihrem Mann gefiel es, wenn seine Frau seine Anliegen mit ihren Argumenten stützte, und sie war stolz, ihren Ehemann in exponierter Position an den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“ mitarbeiten und „Die heilige Familie“ und die „Kritik der kritischen Kritik“ entstehen zu sehen. Kurz: Jenny und Karl Marx vermittelten den Eindruck, das ideale Paar, ein Traumpaar, zu sein: jung, gut aussehend, geistreich, verliebt und das erste Kind erwartend.

Jenny und Karl Marx erkannten bald die unterschiedlichen Ansichten und Ziele innerhalb ihres Bekanntenkreises. Für sie blieb es nicht beim Feindbild Preußischer Staat, sondern ihr Kreis der Missliebigen erweiterte sich um Personen, mit denen sie bisher durchaus in freundlicher Verbindung gestanden hatten. Marx entzweite sich zuerst mit Ruge. Nachdem im Januar 1844 das erste Doppelheft der „Deutsch-Französischen Jahrbücher“ mit zwei Artikeln von Karl Marx „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung“ und „Zur Judenfrage“ erschienen war, kam es nicht mehr zur Herausgabe weiterer Hefte. Dies lag nicht nur an den stärker werdenden Differenzen zwischen Ruge und Marx, sondern auch an der Tatsache, dass kein Franzose an dem länderübergreifenden Projekt mitwirken wollte. Von den französischen Sozialisten wurden die deutschen Emigranten kritisch beäugt und zumeist abgelehnt. Vor allem der rigorose Atheismus schreckte sie ab; Sozialismus und Christentum mussten aus französischer Sicht keine Gegensätze sein, sondern konnten einander durchaus bedingen.

Marx überwarf sich zudem mit Ruge, weil die zugesagten 1.800 frs. Gehalt nicht in bar ausbezahlt wurden, sondern in Form von 1.000 Jahrbüchern. Sie sollen Marx angeblich 2.000 Franc eingebracht haben, obwohl die Verbreitung in Preußen erhebliche Schwierigkeiten mit sich brachte. Die preußischen Behörden befanden, die Schrift „gehört nach Art. XI der Verordnung vom 18. October 1818 zu den gesetzlich verbotenen und die beiden ersten Hefte sind, nach den ... gemachten Mittheilungen, geradezu verbrecherischen Inhalts. Es bedarf daher nicht nur einer geschärften, polizeilichen Aufmerksamkeit, um die Einbringung und Verbreitung dieser Zeitschrift in jeder zulässigen Weise zu verhindern, sondern es erscheint auch angemessen, den Buchhändlern … bekannt zu machen, dass sie sich durch Verbreitung der fraglichen Schrift der Gefahr aussetzten, zur Untersuchung und Bestrafung gezogen zu werden.“3 Ruge und Marx wurde unter Androhung sofortiger Inhaftierung untersagt, preußisches Territorium zu betreten. Dies tangierte Marx nicht existenziell, aber die Frage, welche Möglichkeiten des Broterwerbs es gab, trieb den künftigen Vater um. Er entschied sich für den Journalismus, unterstützt von seiner Frau, obwohl Jenny nicht unbedingt wollte, dass er sein Leben ausschließlich auf die Politik ausrichtete. Einmischung und tatkräftiges Mitmischen ja, aber der Mann sollte auch eine existenzsichernde Tätigkeit ausüben.

1 Schack, Jenny Marx, S.26

2 Schack, Jenny Marx, S.26

3 Schöncke, Karl und Heinrich Marx und ihre Geschwister, S.848

Jenny Marx

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