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Eine einmalige Freundschaft

„Während meiner Abwesenheit hatte Friedrich Engels Karl besucht“1, notierte Jenny Marx in ihren Erinnerungen lapidar. Es war der Beginn einer einmaligen Freundschaft und Partnerschaft, vergleichbar mit der Beziehung zwischen den „Dichterfürsten“ Schiller und Goethe.

Friedrich Engels wurde am 28. November 1820 in Barmen bei Wuppertal in eine wohlhabende Textil-Fabrikantenfamilie geboren, die sogar ein eigenes Wappen besaß, das dem Namen nachgebildet war: ein silbern gekleideter Engel mit silbernen Flügeln, auf dem goldblonden Haar einen blausilbernen Helm, in der rechten Hand einen Palmwedel.


Friedrich Engels

Als ältestes von neun Geschwistern war Friedrich als Nachfolger auserkoren und musste 1837 ein Jahr vor dem Abitur das Gymnasium abbrechen, um eine Kaufmannslehre zu absolvieren. Somit wollte der Vater den ohnehin nicht leicht zu bändigenden Sohn, der sich früh für humanistische Ideen begeisterte, auf seine Verpflichtung als Erbe festlegen. Neben seiner Lehre versuchte sich Friedrich als Schriftsteller. Er hatte das Glück, dass sein Onkel Karl Gutzkow (1811–1878), Schriftsteller und Publizist, seine Beiträge veröffentlichte, die er aus Rücksicht auf seine pietistisch-kapitalistisch-konservative Familie unter dem Pseudonym „Friedrich Oswald“ verfasste. In seinen „Briefen aus dem Wuppertal“ prangerte Engels 1839 die sozialen Verhältnisse seiner unmittelbaren Umgebung an. Es herrsche ein schreckliches Elend unter den niederen Klassen, besonders bei den Fabrikarbeitern in Wuppertal, schrieb er und beklagte, dass von 2.500 Kindern in dieser Stadt 1.200 trotz Schulpflicht in Fabriken arbeiten müssten – zum halben Lohn eines Erwachsenen. Es bereite den Fabrikanten keine Gewissensbisse, ein Kind verkommen zu lassen, besonders denjenigen nicht, die am Sonntag zweimal in die Kirche gingen. Engels zeigte die gesundheitlichen Schäden in der Arbeiterschaft durch die unmenschlichen Arbeitsbedingungen und die katastrophalen Lebensbedingungen auf. Er führte auch das beliebte Argument der Fabrikherren an, nur mit niedrigen Löhnen könne man die Trunksucht eindämmen. Wie seinen späteren Freund Marx erboste nach Ansicht des Journalisten Naumann auch ihn „die eingebaute soziale Ungerechtigkeit des Kapitalismus“2, was äußerst ungewöhnlich war, denn, so Naumann, Engels’ „Familie hatte ein enormes Vermögen auf der Grundlage von nackter Ausbeutung im Wuppertal gemacht. Als dort die Kinderarbeit dank eines preußischen Gesetzes verboten wurde, zogen die Engels mit ihrer Textilfabrik weiter nach Engelskirchen; das lag außerhalb Preußens. Marx´ – und Engels’´ Theorien – sind das beste Beispiel dafür, dass das Sein keineswegs das Bewusstsein bestimmen muss.“3 Erwiesen scheint, dass Beschwerden gegen die Unternehmer Engels beim Königlichen Landratsamt wegen übermäßig langer Kinderarbeitszeit, nämlich 15 Stunden, eingingen. Gleichzeitig zeigten die Fabrikherren patriarchalische Verantwortung für die Abhängigen. Großvater Kaspar Engels baute eine Schule für die Kinder seiner Arbeiter und setzte sich dafür ein, dass Notleidende täglich mit Brot versorgt wurden. Sie mussten bei Kraft gehalten werden, um schuften zu können.

Ab September 1841 diente Friedrich Engels in Berlin als Einjährig-Freiwilliger bei dem Garde-Fußartillerieregiment, einer Eliteeinheit, und studierte in seiner Freizeit – in schicker Uniform – an der Universität. Die Philosophie faszinierte ihn, Hegel insbesondere. Er wurde in den „Doktorclub“ aufgenommen und hörte von dem dynamischen Mitglied Karl Marx, das er zusammen mit Bruno Bauer in „Die frech bedräute, jedoch wunderbar befreite Bibel oder ,Triumph des Glaubens‘“ verewigte:

„Wer jaget hinterdrein mit wildem Ungestüm?

Ein schwarzer Kerl aus Trier, ein markhaft Ungetüm.

Er gehet, hüpfet nicht, er springet auf den Hacken

Und raset voller Wut, und gleich als wollt’ er packen

Das weite Himmelszelt, und zu der Erde ziehn,

Streckt er die Arme sein weit in die Lüfte hin.

Geballt die böse Faust, so tobt er sonder Rasten,

Als wenn ihn bei dem Schopf zehntausend Teufel fassten.“4

„Böse Faust“ und rastloses Toben beweisen, dass die Studienkollegen Marxens Wesen richtig beschrieben haben. In dem Heldengedicht beschrieb sich Friedrich Oswald alias Friedrich Engels auch selbst:

„Doch der am weitesten links mit langen Beinen toset,

Ist Oswald, grau berockt, und pfefferfarb behoset,

Auch innen, pfefferhaft Oswald, der Montargnard,

Der Wurzelhafteste mit Haut und auch mit Haar.

Er spielt ein Instrument: das ist die Guillotine …“5

Der Fabrikantensohn identifizierte sich offensichtlich mit der radikalsten Gruppierung in der französischen Nationalversammlung von 1791. Er hätte gerne mit der Guillotine das Lied des Todes gespielt, die Melodie des herabsausenden Beiles und der fallenden Köpfe.

Seit April 1842 schrieb Engels für die „Rheinische Zeitung“ kritische Berichte gegen die preußische Politik und begegnete bei einem Abstecher in die Kölner Redaktion Karl Marx. Marx „muß den elegant gekleideten und sich radikal gebärdenden Journalisten eher befremdlich gefunden haben – und der begegnete einem ungepflegten Ungetüm“6, meint der Marx-Biograf Raddatz zu der ersten Begegnung. Seiner Ansicht nach war Engels’ politische Meinung zu „Marx’´ Politikverständnis … zu dieser Zeit diametral entgegengesetzt, er…hält das Einschmuggeln kommunistischer oder sozialistischer Dogmen für geradezu unsittlich.“7 Chefredakteur Marx hatte sich von dem Gebaren und der Denk- und Ausdrucksweise der Berliner „Freien“, mit denen er im Doktor-Club so gerne verkehrt hatte, entschieden distanziert und damit auch von dem aufmüpfigen, radikalen Fabrikantensohn.

Auf Wunsch des Vaters brachte Friedrich Engels ab dem Winter 1842 in Manchester seine berufliche Ausbildung zu Ende. Dort lernte er die irische Arbeiterin Mary Burns kennen, die angeblich seit ihrem neunten Lebensjahr bei Ermen und Engels arbeitete, vielleicht aber, als sie Engels begegnete, ihr Dasein inzwischen als Dienstmädchen fristete. Sie wurden ein Liebespaar.

Während seiner fast zweijährigen Ausbildung in Manchester analysierte Engels die erbärmlichen Lebensumstände, die Verelendung und Ausbeutung der Fabrikarbeiter, unterstützt von Mary Burns, die ihm die elendesten Viertel in Salford und Manchester zeigte und ihn mit Arbeiter/innen zusammenbrachte. Somit waren die Eindrücke, die Engels 1845 in seinem Buch „Die Lage der arbeitenden Bevölkerung in England“ niederschrieb, auch ihr zu verdanken. Engels kritisierte ähnlich wie in seinen „Briefen aus dem Wuppertal“ die elenden Wohnquartiere, die Kinderarbeit, die berufsbedingten Krankheiten, die hohe Sterblichkeitsrate, die katastrophalen hygienischen Zustände und die Knebelung durch das Truck- und Cottagesystem. In diesem Zusammenhang bedauerte er auch den hohen Alkoholkonsum der Arbeiter, den er als Ausflucht aus ihrer ausweglosen Situation deutete.

Ausgerechnet der Fabrikantensohn Engels entwickelte wesentliche Kerngedanken zur sozialen Revolution. Ausgehend von „herbei geredeten“ Krisen, prognostizierte er, werde sich das Proletariat bilden und dieses werde „bald die ganze Nation mit Ausnahme weniger Millionäre ausmachen. In dieser Entwicklung tritt aber eine Stufe ein, wo das Proletariat sieht, wie leicht es ihm wäre, die bestehende soziale Macht zu stürzen, und dann folgt die Revolution.“8 Marx’ Angleichung an Engels’ Grundüberzeugung wurde das Fundament für ihre lebenslange Zusammenarbeit, die im Sommer 1844 begann. Nachdem Karl Marx und Friedrich Engels ihre übereinstimmung im Denken erkannt hatten, konnten sie sich nicht mehr voneinander trennen. Engels bezog sogar Quartier bei dem neuen Freund, als Frau Jenny mit Baby bei ihrer Mutter in Trier weilte.

Karl Marx und Friedrich Engels sahen sich nicht als Konkurrenten: Engels überließ Marx die intellektuelle Führung – nicht aus einem Unterlegenheitsgefühl heraus, sondern weil dieser ein großer Vordenker, ein Visionär war. Zudem hatte Marx sich universitäre Meriten erworben, die Engels zu seinem Leidwesen fehlten, aber er kompensierte dieses Manko durch seinen wachen Geist, seine Analysefähigkeit und Praxisbezogenheit. Er war dem Freund geistig und vom Schreibvermögen her ebenbürtig, das genügte ihm. Natürliche Großzügigkeit und großbürgerliche Selbstsicherheit, basierend auf Vermögen, waren seine Basis, während Marxens Selbstsicherheit auf seinen geistigen Fähigkeiten und seiner adligen Frau gründete. Liebknecht, der beide gut kannte, meinte, Engels sei im Umgang viel schroffer gewesen, nicht so gewinnend, zugänglich und liebenswürdig wie Marx. Auch rhetorisch war Marx der überlegene, obwohl sein Trierer Dialekt manchen etwas unverständlich war. „Arbeiter“ hatte sich aus seinem Munde für einen Zuhörer wie „Achtblättler“ angehört, und dieses Missverständnis wurde mit Freude weitererzählt. Engels war sprachbegabt, – er soll 12 Sprachen fließend gesprochen und insgesamt 20 beherrscht haben –, aber nicht sprechbegabt. „Er stottert in zwanzig Sprachen“, witzelte man und führte dieses Manko auf Nervosität zurück. Und doch beneidete Karl Marx den Freund, weil er so sein wollte wie dieser: ein Bonvivant und Schöngeist, kein Biedermann und verbissener Theoretiker, wie er einer war. Zudem konnte Engels gut zeichnen, ansprechend dichten und war auch vom Äußeren her eine imponierende Erscheinung. Beide waren am weiblichen Geschlecht sehr interessiert, aber nur einer durfte sich frei ausleben. Aus Sicht mancher Zeitgenossen war Engels ein frivoler Mensch, denn er führte ein unkonventionelles Privatleben; lange Jahre lebte er mit Mary Burns in wilder Ehe zusammen, und auch deren Schwester Lizzie lebte in Manchester in diesem Haushalt.

Die Freundschaft mit Marx wurde im Elternhaus von Engels stets mit größter Skepsis verfolgt, aber die Eltern gaben nicht auf, den Sohn dessen negativem Einfluss zu entziehen; im Gegenteil, der Vater sicherte Friedrichs Existenz durch eine Anstellung in der Baumwollspinnerei Ermen & Engels. Friedrich Engels sen. war zuversichtlich, der Sohn werde seine Hirngespinste mit fortschreitendem Alter aufgeben und ein tüchtiger Kapitalist werden. Diesen Wunsch erfüllte ihm der Sohn tatsächlich – und blieb doch zeitlebens seiner überzeugung treu. Elise Engels, die seinen Weg mit mütterlicher Sorge begleitete, erhielt 1871 hierfür einen Beweis. Sohn Friedrich bat seine Mutter, die in ihrer Zeitung über die Gewaltbereitschaft der französischen Kommunarden gelesen hatte, nicht alles zu glauben, was dort stehe und vor allem solle sie sich nicht aufhetzen lassen. 40.000 Menschen, darunter auch Frauen und Kinder, seien von den Versaillern nach der Entwaffnung massakriert worden; aber darüber spreche in der Presse niemand. Nur über die Gräueltaten der Anderen, zu denen er sich zähle, ereifere man sich. Der Sohn betonte: „Daß ich an meinen Ansichten, die ich seit bald 30 Jahren habe, nichts geändert hatte, wußtest Du, und es mußte Dir auch nicht unerwartet sein, daß ich, sobald die Ereignisse mich dazu nötigten, sie nicht nur vertreten, sondern auch sonst meine Schuldigkeit tun würde. Du würdest Dich meiner schämen müssen, wenn ich es nicht täte. Wenn Marx nicht hier wäre oder gar nicht existierte, so würde das an der Sache gar nichts ändern. Es ist also sehr unrecht, ihm dies in die Schuhe zu schieben, ich erinnere mich aber freilich auch, daß früher Marx’ Verwandte behaupteten, ich hätte ihn verdorben.“9

Nach Ausbruch der Revolution 1848 war Engels in Köln für die „Neue Rheinische Zeitung“ tätig, hielt es allerdings nicht am Schreibtisch aus. Vom Kriegswesen fasziniert, konnte er, wie er Jenny Marx im Juli 1849 schrieb, „der Lust nicht widerstehn, den Krieg mitzumachen. Willich war der einzige Offizier der etwas taugte und so ging ich zu ihm und wurde sein Adjutant. Ich war in vier Gefechten, wovon zwei ziemlich unbedeutend, namentlich das bei Rastatt, und habe gefunden daß der vielgerühmte Muth des Dreinschlagens die allerordinärste Eigenschaft ist, die man haben kann. Das Kugelpfeifen ist eine ganz geringfügige Geschichte und während des ganzen Feldzugs hab’ ich trotz aller Feigheit kein Dutzend Leute gesehn die sich im Gefecht feig benahmen. Desto mehr aber ,tapfre Dummheit‘. Enfin ich bin überall glücklich durchgekommen, und au bout du compte ist es gut daß Einer von der N.RH.Z. dabei war, weil alles demokratische Lumpenpack in Baden und der Pfalz war und nun mit nicht gethanen Heldentaten renommirt. Es würde wieder geheißen haben: die Herren der N.RH.Z. seien zu feig sich zu schlagen. Von allen den Herren Demokraten aber hat sich Niemand geschlagen, außer mir und Kinkel.“10 Engels war mächtig stolz auf sich und hatte auch eine treffliche Begründung für seine freiwillige Teilnahme an den Gefechten. Nur wer an Ort und Stelle mitkämpfe, könne wirklichkeitsgetreu berichten. Im Freundeskreis nannte man Friedrich Engels später „den General“. Im Mai 1849 beteiligte er sich am bergischen Aufstand und nach dessen Scheitern beschloss er, „wenn ich von Hause einiges Geld bekomme, so geh ich wahrscheinlich nach Lausanne oder Genf und seh was ich anfange. Unsre Kolonne, die sich brav geschlagen hat, ennuyirt mich und hier kann man nichts machen. Willich ist im Gefecht brav, kaltblütig, geschickt und von raschem, richtigem überblick, außer dem Gefecht aber plus ou moins langweiliger Ideologe und wahrer Sozialist.“11 Engels ging in seinem Brief an Jenny Marx auch auf Distanz zu den anderen Revolutionären, die er ironisch-überheblich die „wahren Sozialisten“ nannte. Was waren Marx und Engels nach dieser Terminologie? Sie waren Kommunisten; denn „Kommunismus ist eine auf Wissenschaft begründete Lehre gegenüber utopischem Sozialismus und sozialer Quacksalberei wohlmeinender Bürger“12, so Engels’´ Definition im Jahre 1890. Im Rückblick auf die damalige Zeit deutete der Marx-Biograf Banning die Begriffe folgendermaßen: „Sozialismus bedeutete 1847 eine Bourgeoisiebewegung, Kommunismus eine Arbeiterbewegung. … Jener Teil der Arbeiter …, der, von der Unzulänglichkeit nur politischer Umwälzungen überzeugt, eine gründliche Reorganisation der Gesellschaft forderte, nannte sich in jenen Tagen kommunistisch.“13

Engels gelang es, sich im Sommer 1849 in die Schweiz abzusetzen, da er nicht Gefangener der sich formierenden Gegenrevolution werden wollte. Er war, wie er bei Marx verkündete, bereit, sich „vor 10.000 Jurys (zu) stellen, aber im Untersuchungsarrest kann man nicht rauchen und da geh´ ich nicht hinein.“14 Als die Eidgenossenschaft für Asylanten nicht mehr sicher war, plante Engels, sich in die „rote Republik der burgundischen Weinlese“ abzusetzen, aber Marx, dessen Ausweisung aus Frankreich angeordnet war, war damit nicht einverstanden. Er forderte: „Du kannst nicht in der Schweiz bleiben. In London werden wir Geschäfte machen. … Aber noch einmal, ich rechne sicher darauf, daß Du mich nicht im Stich lassen wirst.“15 Der große Egoist hatte gesprochen, und Engels reiste von Genua aus per Schiff nach England und trat 1850 auf Vermittlung seines Vaters bei Ermen & Engels in Manchester ein, arbeitete dort 20 Jahre und richtete sich in der kapitalistischen Welt, die er so kritisierte und die er vernichten wollte, bestens ein.

Für Jenny Marx war diese Freundschaft schicksalhaft. Kaum ein Jahr mit dem Geliebten verheiratet, musste sie erleben, dass ein anderer Mensch für ihren Mann immer wichtiger wurde. Unter Engels’´ Einfluss änderte sich die politische Grundüberzeugung ihres Mannes. Damit hatte sie kein Problem, denn Engels’´ Interesse an dem Schicksal der Unterprivilegierten berührte sie vielleicht mehr als ihren Mann und daher verwundert ihre Distanz. Es kann durchaus sein, dass Frau Marx die Ernsthaftigkeit seines Engagements in Frage stellte, weil er als Fabrikantensohn eigentlich zum Lager der Klassenfeinde gehörte. Sie gönnte ihm seinen Erfolg nicht, solange ihr Mann nicht erfolgreicher war. Marx sollte alles überstrahlen. Vor allem störte sich Frau Marx an der Person Engels. Gänzlich verurteilte sie die kolportierte Liaison à la trois, Mary, Lizzie und Friedrich. Ein Versuch, den Kontakt, mit welchen Mitteln auch immer, zu unterbinden, wäre gescheitert, denn ihr Mann hätte sich jede Einmischung verbeten und sie hätte sich für ihr kleinbürgerliches Verhalten geschämt. Sie wollte doch eine Frau sein, die ihren Mann nicht einengte. Aber in ein herzliches Einvernehmen mit dem neuen Freund ließ sie sich lange Jahre nicht ein, sondern blieb, wie es sich für eine Dame ihres Standes gehörte, reserviert.

Erst mit der Zeit gelang es Frau Marx, freundlicher und milder mit dem Vertrauten ihres Mannes umzugehen. „Wie können Sie glauben, daß ich Ihnen wegen der kleinen Kneiperei gezürnt hätte – es that mir sehr leid Sie vor Ihrer Abreise nicht mehr zu sehn, wo Sie sich denn selbst am besten überzeugt hätten, daß ich nur mit meinem hohen Herrn etwas schmollte“16, versuchte sie sich ins rechte Licht zu setzen. Die Gattin wollte sich nicht nachsagen lassen, sie habe den Freund in ihre Moralpredigt nach einem Neujahrsexzess 1852 einbezogen, sondern es sei nur ihrem Mann, dem hohen „Patient Knackrüge“, eine Lektion erteilt worden. Zu Engels: „übrigens haben solche Extraszenen oft ganz heilsame Folgen; diesmal muß sich aber der père Marx bei seiner nächtlichen philosophischen Wanderung mit dem Neffen des Erzbischofs sehr stark erkältet haben, denn er wurde ernsthaft krank und liegt bis jetzt noch ruhig danieder. … Er phantasierte während 3 Nächten und war sehr schlimm.“17 Marx war nicht so widerstandsfähig wie Engels, der nach einer durchzechten Nacht am nächsten Morgen pünktlich und fit an seinem Schreibtisch saß.

Friedrich Engels war keineswegs nur ein sympathischer Zeitgenosse: er schonte politische Gegner nicht, und für die Realisierung seiner radikalen Gedanken hätte der „Großinquisitor“ Blut fließen lassen. Seine milde, menschliche, fürsorgliche Seite zeigte er bei seinen Nächsten, zu denen die Familie Marx zählte. Diese ehrliche Zuneigung erkannte Jenny Marx nach und nach, und entsprechend vertraulicher verkehrte sie mit Engels. Vor dem Osterfest 1856 fragte sie beispielsweise an, ob er die Feiertage bei ihnen in London verbringen wolle, und plauderte sogar über eine Familiengelegenheit. „Ich hab in diesem Augenblick auch ein Hühnchen mit dem Minister of the interieur zu pflücken wegen meiner kleinen Erbschaftsgeschichte. Sie werden sich erinnern, daß sich unter dem Nachlaß // des Onkels eine Masse Briefe und Manuskripte des Großvaters, der Kriegsminister des Herzogs von Braunschweig war, vorfanden. Wegen letzterer, die das kriegsgeschichtliche Material über den 7jährigen Krieg enthalten, war der preußische Staat durch die Vermittlung von H. von Scharnhorst schon mit meinem Vater in Unterhaltung um sie anzukaufen. Nun kommt mein Bruder und in der Schlußabrechnung über die Erbschaftsangelegenheit befinden sich folgende sonderbare Posten: Was die vorgefundenen Bücher betrifft, so hat der H. Staatsminister dieselben aus ‚Pietäts Rücksichten‘´für 10 Thaler übernommen. Den schlechteren Theil derselben hat er in Braunschweig für 11 Thaler versteigern lassen und nun übernimmt er ohne anzufragen die werthvolleren, die er für 10 Thaler taxiren läßt, aus Pietät, zieht mir aber die Kosten für die Fracht derselben von Braunschweig nach Berlin ab. Sonderbare Pietät. Doch nun kommt der eigentliche casus belli. Ferner läßt er den Geschäfts//führer Florencourt schreiben: ‚Außer den Büchern ist noch eine große Anzahl von Schriften, darunter auch eine Anzahl von Handschriften des verewigten Landdrost von Westphalen – zum Theil kriegsgeschichtlichen Inhalts – vorgefunden worden. Die letzteren sind aber durchgängig höchst lückenhaft und defect und dürften dieselben eigentlich literarisches Interesse nicht darbieten‘. So ohne mir ein gerichtliches Inventar zu schicken und ohne die Papiere taxiren zu lassen, glauben sie die mit einem coup de main sich zueignen zu können. Ich vermuthe stark, daß mein Bruder gleich in seinem patriotischen Eifer die Manuscripte dem Staat geschenkt hat um so mehr als meine Mutter mir schreibt sie habe ihnen schon über den Werth der Papiere geschrieben und angefragt was sie damit vorhätten. Das Schweigen ist sehr sonderbar. Er glaubt ich werde ihm: dem mächtigen ‚Cheeef‘ der Familie das Alles so ohne weiteres, wie meine andern unterthänigen Schwestern, überlassen. // Da schneidet er sich aber“18, verkündete die Ex-Baronesse großsprecherisch, und man wundert sich, weshalb sie den „General“ so ausführlich in ihre Familienangelegenheiten einweihte. Aber sie fühlte sich stark, weil der Mann an ihrer Seite sie aufforderte für ihr Recht zu kämpfen. Marx plädierte natürlich für Gleichberechtigung und daraus resultierende Gleichbehandlung der Frau, wenn es um das Erbe seiner Angetrauten ging und der Kontrahent ein preußischer Minister war. Jenny zeigte sich bei Engels auch gespannt, wie der Bruder sich zu ihren „leisen Anfragen“ verhalten würde: „Ich bin begierig auf die Antwort. Wir könnten jetzt sehr leicht bei dem jetzigen Zustand in Berlin Skandal machen. Aus Rücksicht für meine Mutter wollen wir aber noch vor Anfang etwas sachte auftreten.“19 Grundlage dieser vollmundigen Ankündigung war die große Empörung bei der Bevölkerung in Berlin über die Umstände eines Duells, bei dem der Generalpolizeidirektor Hinckeldey am 10. März 1856 ums Leben gekommen war.

Ferdinand von Westphalen regelte die Angelegenheit in seinem Sinne: 1859 gab er den ersten Band der „Geschichte der Feldzüge des Herzogs Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg“ heraus; bis 1863 folgten fünf weitere.

Man könnte anhand der freundlichen, vertraulichen Zeilen von einem positiven Engels-Bild Jennys ausgehen, aber dieses wird von anderer Seite bestritten. „Marx war, um es allgemein zu sagen, Engels ‚in pekuniärer‘ Hinsicht beträchtlich verpflichtet. Frau Marx war der Gedanke daran unerträglich. Nicht, dass sie Engels’´ Dienste für ihren Gatten nicht anerkannte, aber ihr missfiel sein Einfluß. Mehr als einmal sprach sie von ihm zu meiner Frau als von Marx´ ‚bösem Geist‘´ und wünschte ihren Gatten von jeder Abhängigkeit von diesem tüchtigen und ergebenen, aber kaum sympathischen Helfer befreien zu können“20, kolportierte Henry Mayers Hyndman. Ihre Abneigung sprach sich herum und stieß auf Kritik, beispielsweise bei Karl Kautsky, der schrieb: „Frau Jenny soll noch weitergegangen sein und Engels Marx’ bösen Geist genannt haben. Das wäre ja sehr bedenklich, würde jedoch eher ein ungünstiges Licht auf Frau Marx als auf Engels werfen. Doch darf man bezweifeln, dass sie sich in solcher Weise wirklich ausgedrückt hat. Sie und Frau Hyndman haben bei einem Kaffee- oder Teeklatsch ihre häuslichen Schmerzen ausgetauscht. Da mag eine kritische Bemerkung über Engels gefallen sein, die von der politisch sehr unbedeutenden Frau Hyndman weiß Gott wie aufgefasst und weiß Gott wie wiedererzählt und in der Hyndmanschen Phantasie weiter ausgestaltet wurde.“21 Dass Jenny der Einfluss von Engels ein Dorn im Auge war und die finanzielle Abhängigkeit unerträglich, ist nachvollziehbar.

Engels war ein geachtetes Börsenmitglied und führte das angemessene Leben eines Fabrikanten. Mit Leidenschaft nahm er an Fuchsjagden teil, hielt ein eigenes Jagdpferd und hatte neben seiner offiziellen Wohnung noch ein Ausweichquartier in einem Cottage. In diesem wohnte Mary zusammen mit ihrer Schwester Lizzie, nachdem, so Engels, die Philister von dem Verhältnis erfahren hatten. In Brüssel hatte er noch offen mit der jungen Frau zusammengelebt, in Manchester als Geschäftsmann getraute er sich dies nicht. Der Bruch mit der Konvention wäre zu skandalös gewesen; eine Geliebte auszuhalten war legitim, zeichnete vielleicht sogar einen Mann von Welt aus, aber ein offizielles Zusammenleben war tabu.

Jenny Marx lehnte Mary Burns ab, vermied bereits in Brüssel jeglichen Kontakt mit der Nachbarin. „Engels brachte die Geliebte, die sonst eher im Hintergrund blieb, einmal zu einer Festspielaufführung im deutschen Verein mit …, in dem die beiden Paare Marx und Engels durch einen großen Raum voneinander getrennt waren. Marx gab (ihm) zu verstehen, dass seine Frau die Bekanntschaft mit Engels’´ Begleiterin auf das strengste ablehne. In Fragen der Ehre und Reinheit der Sitten war die edle Frau intransigent´“22, erinnerte sich Stefan Born. Jennys Abneigung gegen Mary gefährdete sogar die Freundschaft von Engels und Marx. Während ihres Besuches in Trier im Februar 1846 war es in Brüssel vermutlich zu Streitigkeiten mit Engels gekommen. Jenny an Karl: „Bei Euch ist ja Mord und Todtschlag ausgebrochen! Lieb ist es mir, daß der radicale Bruch erst während meiner Abwesenheit geschah. Es wäre doch vieles davon auf die intriguante ehrgeizige Frau, die Macbethen, gekommen, und auch nicht ohne Grund. Denn lange genug hab´ ich freilich an den Verhältnissen herumgenörgelt und petite critique geübt. Besser aber ist es so.“23 Jenny, eine Lady Macbeth mit blutigen Händen? Ein aufschlussreicher Vergleich, der offenbart, dass sie sich in Auseinandersetzungen nicht damenhaft zurückhielt. Ihr Gatte wollte ihre Animositäten gegen Mary Burns ignorieren und sich aus den Querelen über das irische Arbeitermädchen heraushalten; er bemühte sich mit Erfolg nach dem „radikalen Bruch“ um eine Versöhnung.

Engels lehnte die Ehe als Relikt und Einschränkung seiner persönlichen Freiheit ab. Mit Mary war er fast 20 Jahre zusammen, aber sie musste akzeptieren, dass der extrovertierte Freund anderen Frauen hofierte und sich mit ihnen einließ. Aber er finanzierte sie und liebte sie auf seine Weise, wie seine Reaktion am 6. Januar 1863 zeigte. „Mary ist tot. Gestern Abend legte sie sich früh zu Bett, als Lizzy sich gegen 12 Uhr legen wollte, war sie schon gestorben. Ganz plötzlich, Herzleiden oder Schlagfluß. Ich erfuhr es erst heute morgen, am Montagabend war sie noch ganz wohl. Ich kann Dir nicht sagen, wie mir zumute ist. Das arme Mädchen hat mich mit ihrem ganzen Herzen geliebt.“24 Engels drückte bei Marx seine Trauer und Bestürzung nicht langatmig aus; vielleicht wagte er nicht, seine Gefühle zu offen zu artikulieren und sprach auch nur von ihrer Liebe zu ihm. Trauer war kein Thema in einem intellektuellen Briefwechsel. Engels’´ Worte signalisierten jedoch, dass er litt und sich nach seelischem Beistand sehnte. Freund Karl schrieb ihm denn auch umgehend: „Die Nachricht vom Tode der Mary hat mich ebenso sehr überrascht als bestürzt. Sie war sehr gutmütig, witzig und hing fest an Dir.“25 Die sachlich-frostigen Worte weckten bei Engels den Eindruck, dass sein Verlust und seine Trauer den Freund wenig berührten, und der Rest des Briefes verstärkte dieses Gefühl. „Mag der Teufel wissen, daß nichts als Pech jetzt sich in unsern Kreisen ereignet. Ich weiß auch absolut nicht mehr, wo mir der Kopf steht. … Dazu haben die Kinder keine Kleider und Schuhe, um auszugehn. Kurz, der Teufel ist los, wie ich es klar vorhersah… Es ist scheußlich egoistisch von mir, daß ich Dir in diesem Augenblick diese horreurs erzähle. … Ein Unheil zerstreut über das andre. … In ganz London ist kein einziger Mensch, gegen den ich mich auch nur frei aussprechen kann, und in meinem eignen Hause spiele ich den schweigsamen Stoiker, um den Ausbrüchen von der andern Seite das Gegengewicht zu halten. Arbeiten under such circumstances wird rein unmöglich. Hätte nicht statt der Mary meine Mutter, die ohnehin jetzt voller Gebresten und ihr Leben gehörig ausgelebt hat …?“2627, fügte Marx, ohne seinen Satz zu beenden, an.

Die Ursache für Marys Tod, Herzleiden oder Schlagfluss, wurde in der Familie Marx angezweifelt, denn Tochter Eleanor Marx schrieb später, Mary sei ein sehr hübsches, „witty and altogether charming girl gewesen, but in the later years drank to exzess“.

Friedrich Engels wartete fünf Tage ab, bevor er auf den Brief von Marx reagierte. Er schrieb: „Du wirst es in der Ordnung finden, daß diesmal mein eignes Pech und Deine frostige Auffassung desselben es mir positiv unmöglich machten, Dir früher zu antworten. Alle meine Freunde, einschließlich Philisterbekannte, haben mir bei dieser Gelegenheit, die mir wahrhaftig nahe genug gehen mußte, mehr Teilnahme und Freundschaft erwiesen, als ich erwarten konnte. Du fandest den Moment passend, die überlegenheit Deiner kühlen Denkungsart geltend zu machen. Soit!“28 Bittere Enttäuschung lag in diesen Worten. Der Vergleich zu Philisterbekannten machte Marx stutzig. Gezwungenermaßen übte er Selbstkritik und erkannte, dass sein bester Freund in seiner Trauer wahrgenommen werden wollte. Frau Marx, stur und abweisend, schickte keine Zeile der Anteilnahme an den Mann, dem sie so viel verdankte. In ihrem Brief an Frau Liebknecht wenige Tage später erwähnte sie den Todesfall nicht, und diese wusste wie alle im Freundeskreis von der Liaison.

Nach intensivem überlegen und quälendem Warten blieb dem Ehepaar Marx nichts anderes übrig, als dem „lieben Frederick“ Erschütterung und Reue zu gestehen und die Hintergründe der lieblosen Beileidsbekundung zu erklären. Marx zu Engels: „Ich hielt es für gut, einige Zeit verstreichen zu lassen, bevor ich Dir antwortete. Deine Lage einerseits, meine andrerseits machten es schwer, die Situation ‚kühl‘´ aufzufassen. Es war von mir sehr unrecht, daß ich Dir den Brief schrieb, und ich bereute ihn, sobald er abgeschickt war. Es geschah dies jedoch keineswegs aus Herzlosigkeit. Meine Frau und Kinder werden mir bezeugen, daß ich beim Eintreffen Deines Briefs (der frühmorgens kam) so sehr erschüttert war als bei dem Todesfall der mir Nächsten. Als ich Dir aber abends schrieb, geschah es unter dem Eindruck sehr desperater Umstände.“29 Es wäre nicht Marx, wenn er nicht sein Verhalten geschickt rechtfertigt hätte. Mit „unrecht“, „bereut“, „erschüttert“ umschrieb er seine Gefühllosigkeit und steigerte sich, nicht in Reuebezeugungen, sondern in Schuldzuweisungen. Wer war für die Taktlosigkeit verantwortlich? Natürlich die Frau, die dem armen Mann so zugesetzt hatte, dass er nur noch an die eigene Misere dachte. Engels nahm die Ausflüchte an – die Freundschaft überstand die Krise.

Lydia „Lizzie“ Burns gegenüber, die übergangslos der Schwester Stelle einnahm, zeigte sich Frau Marx mit der Zeit aufgeschlossener und akzeptierte diese „mesalliance“, Engels’ zweite „wilde“ Ehe. Es gibt Hinweise auf Sympathie zwischen Frau Marx und der irischen Arbeiterin, denn sie verbrachten mehrere Erholungsurlaube miteinander, und Jenny zeigte sich nach deren Tode im September 1878 durchaus betroffen.

Frau Marx war vermutlich ein Leben lang auf Friedrich Engels eifersüchtig, weil er ihrem Mann so viel bedeutete, und es war ihr unangenehm zu wissen, dass sie ohne seine materiellen Zuwendungen nicht existieren konnte. Jahrzehnte später sprach Enkel Edgar Longuet offen aus, dass die Familie seiner Mutter ohne Engels des Hungertodes gestorben wäre. Diese ewige Bettelei bereitete Jenny Marx zeitlebens Unbehagen, und sie war dankbar, wenn sich ihr Geldgeber ohne Hilferuf großzügig zeigte wie im April 1860 nach dem Tode seines Vaters. „Best Thanks für den Hundertpfünder. Großer Jubel im ganzen Haus“30, bedankte sich Marx. Trotz eines nicht geringen Erbes zog sich Engels nicht ins Privatleben zurück, sondern blieb noch ein Jahrzehnt im Unternehmen, ab 1869 in gehobener Position als Associé. 1870 setzte er sich mit einer Abfindung von 12.000 Pfund zur Ruhe und zog nach London in die Nähe der Familie Marx.

Der tägliche Umgang brachte es mit sich, dass Jenny Marx Engels gegenüber fast liebevoll wurde. So berichtete sie Adolph Sorge 1877: „Unserm Freunde Engels geht es wie immer gut. Er ist stets gesund, frisch, lustig und guter Dinge und sein Bier (namentlich wenn’s Wiener ist) mundet ihm köstlich.“31 Doch trotz aller Freundlichkeit und echter Dankbarkeit war Jenny Marx darauf bedacht, dass ihr Mann in seinem Metier, der Wissenschaft, dominierte und dieser Engels die „zweite Geige“ spielte. So kam es auch. Es gibt Marx-Engels-Werke, Engels-Statuen, Friedrich Engels-Straßen, ein Engels-Haus in Barmen, aber der „Marxismus-Engelismus“ ist verkürzt als „Marxismus“ in die Geschichte eingegangen. Engels hätte damit vermutlich kein Problem gehabt, denn die Basis ihrer lebenslangen Freundschaft war die vorbehaltlose Akzeptanz des anderen. „Marx (ist) uns allen durch sein Genie, seine fast übertriebene wissenschaftliche Gewissenhaftigkeit und seine fabelhafte Gelehrsamkeit so weit überlegen, dass, wenn sich einer aufs Kritisieren dieser Entdeckungen versteigen wollte, er sich zunächst nur die Finger verbrennen kann. Dazu gehört eine fortgeschrittenere Epoche“32, urteilte Engels und konnte nicht begreifen, wie man auf ein Genie neidisch sein könne. Seine Begründung: „Das ist eine Sache so eigner Art, dass wir, die wir es nicht haben, von vornherein wissen, es ist für uns unerreichbar; so etwas aber beneiden zu können, dazu muß man doch sehr kleinlich sein.“33 Marx rühmte Engels als „ein wahres Universallexikon, arbeitsfähig zu jeder Stunde des Tages und der Nacht, voll oder nüchtern, quick im Schreiben und begriffen wie der Teufel.“34

Nach dem Tode von Karl Marx im März 1883 übernahm Engels die treue Helene Demuth als Haushälterin. Nach deren Ableben 1890 zog Louise Freyberger, geschiedene Kautsky, in sein Haus, mit der er noch einige fröhliche Jahre verbrachte. Am 5. August 1895 starb Friedrich Engels an Kehlkopfkrebs. Laut seinem Testament aus dem Jahre 1893 erhielt die SPD 1.000 Pfund, das Partei-Archiv seine Hausbibliothek und seine Manuskripte, Bebel und Singer seine Urheberrechte. Die Nichte von Lizzie und Mary Burns, Ellen, genannt „Pumps“, erbte 2.230 Pfund und je 5.000 Pfund gingen an Eleanor Marx und Laura Lafargue, die den Kindern ihrer verstorbenen Schwester Jenny Longuet je ein Drittel abgeben mussten. Louise Freyberger erhielt 5.000 Pfund und das Mobiliar.35

1 Schack, Jenny Marx, S.25

2 Naumann, „Der Klassenkampf ist vorbei“ im Tagesspiegel v. 9.12.2012

3 Naumann, „Der Klassenkampf ist vorbei“ im Tagesspiegel v. 9.12.2012

4 Blumenberg, Karl Marx mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, S.42

5 Hunt, Friedrich Engels, S.82

6 Raddatz, Karl Marx, S.218

7 Raddatz, Karl Marx, S.118

8 Fenske, Geschichte der politischen Ideen, S.441/442

9 MEW Bd. 33 Friedrich Engels an Elisabeth Engels am 21.19.1871

10 MEGA III,2 Engels an Jenny Marx am 25.7.1849

11 MEGA III,2 Engels an Jenny Marx am 25.7.1849

12 Banning, S.33

13 Banning, S.32/33

14 MEGA III,2 Engels an Karl Marx am 28.12.1848

15 MEGA III,3 Marx an Engels am 23.8.1849

16 MEW Bd.28 Jenny Marx an Engels am 7.1.1852

17 MEW Bd.28 Jenny Marx an Engels am 7.1.1852

18 MEGA III,7 Jenny Marx an Engels am 28.3.1856

19 MEGA III,7 Jenny Marx an Engels am 28.3.1856

20 Raddatz, Karl Marx, S.238

21 Raddatz, Karl Marx, S.458

22 Friedenthal, Karl Marx, S.298

23 MEGA III,1 Jenny Marx an Karl Marx am 24.3.1846

24 MEW Bd. 30 Engels an Marx am 7.1.1863

25 MEW Bd. 30 Marx an Engels am 8.1.1863

26 MEW Bd. 30 Marx an Engels am 8.1.1863

27 MEW Bd. 30 Marx an Engels am 8.1.1863

28 MEW Bd. 30 Engels an Marx am 13.1.1863

29 MEW Bd. 30 Marx an Engels am 24.1.1863

30 MEW Bd. 30 Marx an Engels am 12.4.1860

31 MEW Bd. 34 Jenny Marx an Sorge am 20./21.1.1877

32 Hirsch, Friedrich Engels mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, S.90/91

33 Hirsch, Friedrich Engels mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, S.91

34 Hirsch, Friedrich Engels mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, S.134

35 Hunt, Friedrich Engels, S.465

Jenny Marx

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