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Thronbesteigung

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Am 8. April 217 fand die Herrschaft von Kaiser Caracalla ein ebenso abruptes wie gewaltsames Ende. Die letzten Jahre seiner Regierungszeit hatte jener 29-jährige Herrscher (der Sohn des Gründers der severischen Dynastie, Septimius Severus) im Osten verbracht und Krieg gegen die Parther geführt; er war auf dem Weg von Edessa nach Carrhae, als er von einem seiner eigenen Männer angegriffen wurde. Der Dolchstoß, der ihm versetzt wurde, war nicht unmittelbar tödlich, doch seine Garde ergriff die Gelegenheit und tötete den Kaiser. Sowohl Dio als auch Herodian berichten, dass der Mord von Macrinus geplant wurde, einem der Prätorianerpräfekten (Befehlshaber der kaiserlichen Garde) Caracallas. Auf jeden Fall war Macrinus sicherlich derjenige, der am meisten vom vorzeitigen Tod des Kaisers profitierte: Die Soldaten riefen ihn zu Caracallas Nachfolger aus. Dem Senat blieb nichts anderes übrig, als die Entscheidung des Heeres zu akzeptieren, ungeachtet der Tatsache, dass Macrinus nur den Rang eines Ritters bekleidete und daher im Prinzip kein qualifizierter Kandidat für die Kaiserwürde war.

Allerdings sollte Rom seinen neuen Kaiser nie zu Gesicht bekommen. Zunächst standen im Osten dringende Aufgaben an, besonders der Krieg mit den Parthern. Nicht gewillt, Caracallas Feldzug fortzusetzen, erkaufte Macrinus einen Waffenstillstand mit dem Feind, ein Vorgehen, das bei den Soldaten keinen guten Eindruck hinterließ. Zudem beschloss er, den Heeressold zu verringern sowie die Privilegien zurückzuhalten, die neue Rekruten von Caracalla erhalten hatten, und verweigerte ihnen Auszeichnungen und die Befreiung von militärischen Pflichten. Dies schwächte seine Beliebtheit bei den Soldaten noch mehr. So kam es, wie Herodian bemerkt, „so musste es denn dahin kommen, dass Macrinus … zugleich mit der Herrschaft auch sein Leben verlor, als das Schicksal den Soldaten zur Verwirklichung ihres Wunsches einen geringfügigen und minderwertigen Anlass bot.“1

Nach dem Tod Caracallas schienen die Tage der Severerdynastie gezählt. Der Kaiser hatte keine rechtmäßigen Nachkommen und seinen Bruder und Mitregenten Geta hatte er einige Jahre zuvor ermordet. Caracallas Mutter Julia Domna hatte sich das Leben genommen – vielleicht auf Betreiben von Macrinus, der in ihr womöglich eine Bedrohung gesehen hatte. Ihre ältere Schwester Julia Maesa, die bei ihr gelebt hatte, war in ihre Heimatstadt Emesa zurückgekehrt. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass sie vom neuen Kaiser gezwungen wurde, dorthin zu gehen, wie Herodian behauptet. Immerhin war Maesa eine ebenso wohlhabende und wie einflussreiche Frau. Nun sollten sie und ihre Familie in den Mittelpunkt eines Aufstandes der Armee gegen den unbeliebten Macrinus werden.

Julia Maesa hatte zwei Enkel von zwei Töchtern, den 14-jährigen Varius Avitus und den 9-jährigen Alexianus, die beide im Dienste des lokalen Sonnengottes Elagabal standen. Der ältere Junge (der spätere Elagabal) diente als Hohepriester des Gottes Elagabal. In dieser Funktion zog er die Aufmerksamkeit von Soldaten der Legio III Gallica auf sich, einer unweit von Emesa stationierten großen Garnison. Herodian beschreibt es so:

Wenn dieser [Elagabal] nun die Opfer versah, nach Art der Barbaren um den Altar herumtanzte und dabei von Flöten, Syringen und mancherlei anderen Musikinstrumenten begleitet wurde, sahen ihm dabei sowohl die anderen Leute mit großem Interesse zu als auch besonders die Soldaten, die ja wussten, dass er einem kaiserlichen Geschlecht zugehörte; und die Blüte seiner Jugend zog aller Augen auf sich.2

Laut Herodian erzählte Julia Maesa den Soldaten, dass Caracalla mit ihren beiden Töchtern geschlafen hätte und Elagabal in Wahrheit Caracallas unehelicher Sohn sei. Es verbreitete sich das Gerücht, die alte Dame sei bereit, ihren enormen Reichtum unter den Soldaten zu verteilen, wenn sie ihre Familie zurück an die Macht brächten. Maesa und ihre Familie wurden zur Nacht ins Lager eingeladen, wo man Elagabal unverzüglich als Kaiser anerkannte und in kaiserliches Purpur kleidete.

Cassius Dio liefert eine deutlich abweichende Darstellung der Ereignisse: Er erwähnt Elagabals Priestertum mit keinem Wort und nennt einen gewissen Gannys als Haupträdelsführer. Diese Person, die in keiner anderen Quelle angeführt wird, spielt in Dios Schilderung von Elagabals Aufstieg zur Macht eine bedeutende Rolle. Nach Dios Darstellung war Gannys ein Jugendlicher, der „noch nicht ganz ins Mannesalter getreten war“.3 Von Julia Maesa aufgezogen, war er der Liebhaber von Elagabals Mutter Julia Soaemias. Da Soaemias’ Ehemann nicht mehr lebte, trat Gannys als Beschützer und Pflegevater des Jungen auf. Er kleidete Elagabal angeblich in Gewänder, die Caracalla als Kind getragen hatte, gab vor, sein junger Schützling sei der Sohn des ermordeten Kaisers, und schmuggelte ihn nachts in das Heereslager, ohne Maesa oder Soaemias davon zu erzählen. Am Morgen des 16. Mai 218 überredete er die Soldaten zum Aufstand.

Es ist nur schwer vorstellbar, dass Julia Maesa, die so viel davon zu profitieren hatte, wenn ihr Enkel Kaiser würde, völlig unbeteiligt an der Planung der Verschwörung gewesen wäre. Andererseits scheint es ebenso unwahrscheinlich, dass sie ganz allein handelte, wie Herodian nahezulegen scheint. Dio erwähnt, Gannys sei von ein paar Freigelassenen (ehemaligen Sklaven) und Soldaten unterstützt worden, jedoch auch von einigen (namentlich nicht genannten) Rittern und Senatoren aus Emesa. Dies zeigt, dass die Initiative für den Aufstand nicht nur von Maesa und ihrer Familie ausging, sondern auch von Teilen der herrschenden Elite der syrischen Stadt. Trotz Dios gegenteiliger Versicherung mag man sich fragen, ob überhaupt römische Senatoren oder Ritter in den Plan eingeweiht waren. Obwohl es unmöglich ist festzustellen, wie viele Verschwörer von dem Staatsstreich wussten, kann man sich durchaus vorstellen, dass mächtige Persönlichkeiten aus Rom beteiligt waren.

Ein weiteres Detail ist ebenfalls interessant: Wie unterschiedlich Dios und Herodians Darstellungen auch sein mögen, so erwähnen doch beide, dass Elagabal Caracallas unehelicher Sohn gewesen sei. Wenngleich dies mit ziemlicher Sicherheit nicht stimmt, wäre diese Geschichte von zentraler Bedeutung für Elagabals Legitimation, was aus dem von ihm angenommenen kaiserlichen Namen ersichtlich wird: Marcus Aurelius Antoninus war auch der offizielle Name seines ‚Vaters‘ Caracalla. Der Kaiser machte seine erfundene Abstammung sogar deutlich, indem er sich als ‚Sohn des göttlichen Antoninus, Enkel des göttlichen Severus‘ ausgab.4 Die impliziten Ideale der kaiserlichen Nachfolge sah man so: Der neue Antoninus war kein Usurpator, sondern konnte den Thron auf Grund seiner Blutsverwandtschaft beanspruchen. Gleichzeitig verhieß der Name eine Fortsetzung von Caracallas Militärpolitik, was einen sehr großen Reiz auf das Heer ausgeübt haben muss.

Kaiser Macrinus hielt sich in Antiochia auf, als er vom Aufstand in Emesa erfuhr. Gemäß Herodian nahm er die Bedrohung nicht allzu ernst und entsandte seinen Präfekt, um die Angelegenheit zu erledigen, doch Dio merkt an, Julianus sei bereits in der Nähe von Emesa gewesen und habe auf eigene Initiative gehandelt. Der Präfekt tötete eine Tochter und einen Schwiegersohn des Marcianus, des Ehemanns von Elagabals Tante Julia Mamaea. Die Passage erwähnt Marcianus’ eigenen Tod nicht, doch wurde er irgendwann während des Machtkampfs wahrscheinlich ebenfalls getötet, denn danach taucht er in keiner Quelle mehr auf.

Julianus begann daraufhin das Lager einzukesseln, in dem Elagabal, seine Familie und die aufständische Legion versammelt waren. Doch die umzingelten Rebellen machten den angreifenden Soldaten verlockende Versprechen: dass sie die Posten und Habe ihrer Offiziere erhalten würden, wenn sie diese töteten, dass Elagabal den Deserteuren Besitztümer und Bürgerrechte zurückgeben würde, die Verbannten begnadigen würde und (wie Herodian betont) diejenigen reich beschenken würde, die sich auf seine Seite schlügen. Die Folge: Die Soldaten rebellierten und töteten ihre Offiziere.

Laut Herodian wurde Julianus auf der Stelle enthauptet und sein Kopf an Macrinus in Antiochia geschickt. Der Kaiser entschloss sich dann, selbst das Schwert zu ergreifen. Dio liefert eine ausführlichere Version der Ereignisse. Nach seinem Bericht konnte Julianus zunächst flüchten; als Macrinus erfuhr, dass sein Präfekt geschlagen worden war, eilte er zur bei Apamea stationierten Legio II Parthica. Dort gewährte er seinem zehnjährigen Sohn Diadumenianus, der bis dahin nur den Ehrennamen Caesar führte, den Titel Augustus und machte ihn zu seinem offiziellen Mitregenten. Dies kann man als letzten Versuch einer dynastischen Legitimation ansehen, besonders weil Diadumenianus den Namen Antoninus hatte. Allerdings betrachtete Dio diese Maßnahme als nichts weiter als einen Vorwand, die Truppen und Einwohner Apameas mit Geschenken und Versprechen zu überhäufen. Ganz gleich, was Macrinus’ Gründe waren, es gelang ihm nicht, die Gunst der Legio II Parthica zu gewinnen. Ein Soldat überreichte ihm einen Sack, der, wie sich herausstellte den abgeschlagenen Kopf seines Präfekten Julianus enthielt, der nach seiner anfänglichen Flucht gefangen genommen worden war.

Der Kaiser, der nun erkannte, dass er bei dieser Legion auf verlorenem Posten war, kehrte nach Antiochia zurück und versuchte dort ein Heer aufzustellen. Angesichts der Entfernung, die er zu bewältigen hatte, ist es unwahrscheinlich, dass er die syrische Hauptstadt vor dem 27. Mai erreichte. Da die Entscheidungsschlacht am 8. Juni stattfand, blieben Macrinus weniger als zwei Wochen, um seine Streitkräfte zu sammeln. Die nächstgelegene Legion, die Legio IV Scythica, war bei Zeugma stationiert, knapp 200 Kilometer von Antiochia entfernt; die Legio XVI Flavia war sogar noch weiter entfernt, bei Samosata. Dio überliefert, Elagabal habe ebenfalls Boten zu diesen Legionen entsandt, um sie für seine Sache zu gewinnen, sodass sich nicht mit Sicherheit feststellen lässt, ob sie vollständig an Macrinus’ Seite kämpften. Doch die Boten, die der Usurpator zu Basilianus, dem Präfekten Ägyptens und seit dem Tod des Julianus auch Prätorianerpräfekt, schickte sowie zu Marius Secundus, dem Statthalter von Syria Phoenice, wurden von diesen jeweils hingerichtet.

Unterdessen stießen immer weitere Truppen zu den Streitkräften Elagabals. Die gesamte Legio II Parthica lief zum jugendlichen Prätendenten über. Wie Hans-Georg Pflaum angemerkt hat, war der Befehlshaber dieser Legion wahrscheinlich P. Valerius Comazon, der eine bedeutende Rolle in Elagabals Regierungszeit spielen sollte.5 Mit Unterstützung einer zweiten Legion erhöhten sich Elagabals Chancen für die Erringung des Throns deutlich. Laut Dio marschierten die aufständischen Truppen rasch auf Antiochia, zweifellos, um Macrinus so wenig Zeit wie möglich zur Vorbereitung zu lassen. Am 8. Juni, kaum drei Wochen, nachdem Elagabal zum Kaiser ausgerufen worden war, kam es bei einem kleinen Dorf unweit von Antiochia zur Entscheidungsschlacht. Angeblich führte Gannys Elagabals Truppen, trotz seiner Jugend und der Tatsache, dass er keinerlei militärische Erfahrung hatte. Macrinus schien zunächst die Oberhand zu gewinnen, doch das Blatt wendete sich als, als Maesa und Soaemias begannen, die fliehenden Männer anzufeuern und Elagabal selbst zu Pferde und mit gezogenem Schwert voranstürmte. Dies jagte Macrinus Angst ein, er floh vom Schlachtfeld und überließ dem jungen Priester den Sieg.

Obwohl Elagabals uncharakteristisch heldenhafte Rolle in der Schlacht Raum für Zweifel lässt, erscheint Dios Darstellung wahrscheinlicher als die Herodians, der festhält, Macrinus habe in dem Konflikt die Initiative ergriffen und sei gegen Emesa marschiert, um seinen Rivalen zu besiegen, Elagabal sei an der Grenze von Syria Phoenice und Syria Coele auf den Kaiser getroffen, und es habe eine Schlacht gefolgt; doch als Macrinus viele seiner Soldaten zum Feind habe überlaufen sehen, sei er vom Schlachtfeld geflohen. Da Macrinus keine loyalen Truppen zur Verfügung standen, ist es schwer vorstellbar, dass er beschloss, den Prätendenten so rasch herauszufordern, auch wenn er diese Bedrohung so schnell wie möglich beseitigen wollte.

Ganz gleich, welcher Bericht der Wahrheit näher kommt, so stimmen sowohl Dio als auch Herodian überein, dass Macrinus ein schlimmes Ende nahm. Der besiegte Kaiser wurde festgenommen und getötet, als er versuchte, inkognito nach Rom zu reisen. Seinen Sohn Diadumenianus, der nur für wenige Wochen Augustus gewesen war, ereilte ein ähnliches Schicksal.

Elagabal zog als neuer Herrscher in Antiochia ein und versprach den Soldaten 2000 Sesterzen pro Mann, wenn sie auf eine Plünderung der Stadt verzichteten. Nach Dio sandte der siegreiche Junge eine Botschaft an den Senat und das römische Volk, in der er sich ‚Kaiser und Caesar, Sohn des Antoninus, Enkel von Severus, Pius, Felix, Augustus, Prokonsul und Inhaber der tribunizischen Gewalt‘ nannte, noch bevor ihm diese Titel offiziell gewährt worden waren.6 Erneut sah sich der Senat mit einem De-facto-Kaiser konfrontiert, den er wohl oder übel anerkennen musste. Der dies imperii, der Tag von Elagabals Thronbesteigung, war wohl der 14. Juli, an dem der Junge zum Mitglied zweier bedeutender römischer Priesterkollegien wurde, der Arvalbrüder und der sodales Antoniniani.7 Nur wenige Wochen zuvor hatte der Senat ihm und seiner Familie auf Betreiben von Macrinus den Krieg erklärt. Nun hatte das Blatt sich gewendet und Macrinus wurde zum Staatsfeind deklariert. Elagabal übernahm für den Rest des Jahres das Konsulat seines Vorgängers und erlaubte dem anderen Konsul, Oclatinius Adventus, sein Amt zu behalten.

Doch selbst mit der offiziellen Anerkennung durch den Senat war die Stellung des neuen Kaisers alles andere als sicher. Cassius Dio beschreibt, wie nun, da Macrinus aus dem Weg geräumt war, mehrere Anwärter nach der Kaiserwürde griffen. Ironischerweise zählte zu ihnen auch Verus, der Befehlshaber der Legio III Gallica, jener Legion, die Elagabal als erste zum Kaiser ausgerufen hatte. Strenge Maßnahmen wurden gegen die Prätendenten ergriffen: Verus wurde hingerichtet und die Legion zeitweilig aufgelöst.8 Den Befehlshaber der Legio IV Scythica, Gellius Maximus, ereilte das gleiche Schicksal, als auch er den Aufstand probte. Laut Dio versuchten viele weitere Männer, die Macht an sich zu reißen, darunter ein Wollarbeiter und ein Privatmann. Wahrscheinlich verraten diese Geschichten weniger über die tatsächlichen Ereignisse als vielmehr darüber, dass Dios der Ansicht war, wenn Elagabal Kaiser werden konnte, dann sei jeder dazu in der Lage. Dennoch legen die vielen kaiserlichen Münzen mit Reverslegenden wie FIDES EXERCITVS oder CONCORDIA MILIT(VM) nahe, dass die Loyalität und Einheit des Heeres von den Angehörigen der kürzlich wieder eingesetzten Herrscherfamilie und ihren Anhängern sicherlich nicht für selbstverständlich erachtet wurde.9

Der neue severische Herrscher und seine Familie verbrachten etwa ein Jahr im Osten, um ihre Macht zu festigen, zuerst in Antiochia und später in Nikomedia, wo man sie zur Überwinterung zwang. Laut Herodian kleidete sich Elagabal umgehend in prächtige Gewänder und machte sich daran, seinen Kult auszuüben. Seiner Großmutter und seinen Beratern überließ er es, sein Tagesgeschäft zu erledigen. Dio hält fest, dass Gannys als Vertrauter des Kaisers wahrscheinlich häufig bei Regierungsangelegenheiten eingesetzt wurde. Allerdings verlor er die kaiserliche Gunst angeblich schon bald:

Zwar führte Gannys sonst ein ziemlich verschwenderisches Leben und ließ sich auch gern bestechen, doch fügte er niemandem irgendein Leid zu, ja tat einer Menge von Menschen vielerlei Gutes. Was aber das Wichtigste ist, er bemühte sich eifrig um den Herrscher und zeigte sich Maesa und Soaemias gegenüber durchaus ergeben, der Ersteren, weil sie ihn erzogen hatte, der Letzteren, weil er gewissermaßen ihr Gatte war. Indessen räumte ihn der Kaiser keineswegs deshalb aus dem Wege, da er mit ihm doch einen Heiratsvertrag hatte schließen und ihn zum Caesar ernennen wollen, es geschah vielmehr aus dem Grunde, dass Gannys ihn zu zwingen versuchte, anständig und vernünftig zu leben. Und er selbst war es, der eigenhändig als erster Gannys den tödlichen Streich versetzte, da kein Soldat mit dem Mord den Anfang zu machen wagte.10

Die Geschichte klingt zu sehr wie ein literarischer Topos, der Elagabal schlecht aussehen lassen soll, als dass sie glaubhaft wäre – insbesondere wenn man den Kommentar zu Gannys’ Lebensstil bedenkt. Wenn wir Dio Glauben schenken, gab sich Gannys keine Mühe, selbst den hohen Anforderungen gemäß zu leben, die er an seinen Zögling stellte. Man kann über andere Erklärungen für den Tod des Mannes lediglich spekulieren, doch vielleicht ließ seine begünstigte Stellung beim Kaiser andere, wie Maesa und Comazon, zu der Ansicht kommen, er gewänne zu viel Einfluss und müsse beseitigt werden. Doch selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, kann man nur vermuten, wer für seinen Tod verantwortlich war.

Gannys war keineswegs die einzige Person, die umkam. Im ersten Jahr von Elagabals Herrschaft wurden viele Männer hingerichtet, die Macrinus unterstützt hatten oder die man aus anderen Gründen für unzuverlässig hielt. Die Liste umfasst Fabius Agrippinus, den Statthalter von Syria Coele, Pica Caerianus, den Statthalter von Arabia, Aelius Triccianus, den Statthalter von Pannonia Inferior und M. Munatius Sulla Cerialis, den ehemaligen Statthalter von Cappadocia. Der Prokonsul von Zypern, L. Claudius Attalus, wurde angeblich getötet, weil er einst Elagabals Verbündeten Comazon als Strafe für irgendein nicht näher erläutertes Vergehen auf die Galeeren geschickt hatte. Julius Basilianus, Präfekt Ägyptens und Macrinus’ Prätorianerpräfekt, der nach der Niederlage seines Herren geflohen war, wurde gefangen genommen und hingerichtet. Auch Macrinus’ anderer Prätorianerpräfekt, Julianus Nestor, wurde getötet. Statthalter der westlichen Reichsgebiete blieben anscheinend verschont, vielleicht, weil sie nicht am Bürgerkrieg beteiligt gewesen waren.

Gemäß Dio war Elagabals einzige lobenswerte Handlung als Kaiser, dass er davon Abstand nahm, die Ritter und Senatoren zu bestrafen, die ihn oder seinen ‚Vater‘ Caracalla beleidigt hatten, bevor er an die Macht gekommen war. Doch mehrere Senatoren verloren ihr Leben aus anderen Gründen. Seius Carus und Paetus Valerianus Galata wurden umgebracht, weil man ihnen vorwarf, sie hätten einen Aufstand geplant, um den Kaiser zu stürzen. Silius Messalla und Pomponius Bassus verurteilte der Senat auf Betreiben Elagabals zum Tode, offiziell, weil sie die kaiserliche Politik kritisierten. Nach Dio war der wahre Grund ein anderer: Messalla hatte dem Senat viele kompromittierende (aber leider nicht näher erläuterte) Fakten mitgeteilt, und Bassus hatte eine Frau, die der Kaiser heiraten wollte. Tatsächlich waren diese Männer bereits vor ihrer Verurteilung hingerichtet worden, was den Richterspruch des Senats zu einer reinen Formalität herabwürdigte.

Andere wurden für die Unterstützung belohnt, die sie Elagabal und seiner Familie während des Aufstands gegen Macrinus gewährt hatten. Comazon, der wahrscheinlich die Legio II Parthica kommandiert hatte, wurde Prätorianerpräfekt und teilte im Jahre 220 das Konsulat mit dem Kaiser. Zusätzlich wurde er dreimal Stadtpräfekt von Rom. Die Legio II Parthica wurde ebenfalls belohnt, sie bekam den Titel pia felix fidelis aeterna, ‚auf ewig pflichtbewusst, glücklich und treu‘.11 Claudius Aelius Pollio, ein Zenturio aus einer nicht angegebenen Legion, erhielt den Rang eines Ex-Konsuls und wurde zum Statthalter von Germania Superior ernannt, weil er Diadumenianus gefangen genommen und Bithynia für den neuen Kaiser erobert hatte. Ein gewisser ‚…atus‘, dessen vollständiger Name nicht überliefert ist, durfte sich comes und amicus fidissimus des Kaisers nennen, ‚Gefährte‘ und ‚treuester Freund‘. Es ist nicht bekannt, welche Dienste er Elagabal geleistet hatte, doch könnte er während des Aufstands Befehlshaber der Legio XVI Flavia Firma gewesen sein. Offensichtlich gelang es ihm, dem neuen Kaiser seine Loyalität zu beweisen, denn er wurde Präfekt der Getreideverteilung, pontifex minor (ein Priesteramt) und schließlich Prätorianerpräfekt. Vielleicht wurde er dafür belohnt, dass er sich den Aufständen der Kommandanten Verus und Gellius Maximus nicht angeschlossen hatte.12

Nachdem sie sich im Winter 218–19 in Nikomedia aufgehalten hatten, brachen Elagabal und seine Familie nach Rom auf. Zuvor traf der Kaiser angeblich eine bemerkenswerte Entscheidung. Herodian beschreibt, wie Julia Maesa ihren Enkel drängte, beim Einzug in Rom römische Kleidung zu tragen, doch Elagabal hegte andere Absichten:

[Doch] er wollte den Senat und das Volk von Rom an den Anblick seines Aufzugs gewöhnen und zugleich aus der Ferne einen Versuch machen, wie sie wohl auf den Anblick seines Aufzugs reagieren würden, und so ließ er ein sehr großes Bild seiner gesamten Person malen, wie er öffentlich bei der Ausübung seiner Riten in Erscheinung trat, und auf dem Bild neben sich das Symbol des emesenischen Gottes, bei dessen Opfer er gemalt war; dieses sandte er nach Rom und ließ es im Senat an einem zentralen Punkt in großer Höhe anbringen über dem Haupt der Siegesgöttin Victoria. Dort brachten alle Mitglieder beim Betreten des Senats eine Weihrauch- und Weinspende dar. Er verordnete ferner, dass alle Amtspersonen der Römer und die, die von Staats wegen Opfer verrichten, vor den anderen Göttern, die sie beim Opfer anrufen, den neuen Gott Elagabal anzurufen hätten.13

Wenngleich diese Geschichte weder von Cassius Dio noch irgendeinem anderen antiken Autor erwähnt wird, berührt sie doch eine interessante Frage: In welchem Maße beeinträchtigte das Priestertum Elagabals bereits in dieser frühen Phase seiner Herrschaft das Kaisertum Elagabals?

Hans Baldus verweist auf eine eigenartige Antoninian-Münze, die 219 in Rom geprägt worden sein muss. Sie zeigt Elagabal beim Opfer an einem Altar vor einem Wagen, der den schwarzen Stein von Emesa befördert, also die irdische Repräsentation des Gottes Elagabal. Da das von Herodian erwähnte Porträt angeblich sowohl den opfernden Kaiser als auch seinen Gott darstellte, ist Baldus der Ansicht, das Bild auf der Münze basiere auf dem Gemälde.14 Falls das Gemälde tatsächlich existierte, könnte Baldus durchaus Recht haben. Zumindest deutet die Münze darauf hin, dass Elagabal nicht davor zurückschreckte, den heiligen Stein der römischen Öffentlichkeit zu zeigen, sobald er in der Hauptstadt eintraf. Der besondere Antoninian präsentiert den Stein sogar als CONSERVATOR AVG(VSTI), als ‚göttlichen Beschützer des Kaisers‘ – eine Rolle, die man für gewöhnlich Jupiter zuschrieb. Einige der Münzen Elagabals zeigen in der Tat Jupiter als conservator Augusti, obwohl sich keine davon mit Gewissheit später als 219 datieren lässt. Es scheint daher, als tauchten während der ersten Jahre seiner Herrschaft sowohl Jupiter als auch Elagabal als Beschützer des Kaisers auf. Die emesenische Gottheit spielte eine verhaltene Rolle auf jenen Münzen, die in Rom 218–219 geprägt wurden, wurde jedoch stärker auf Münzen aus den kaiserlichen Münzstätten im Osten betont.15

Man gewinnt den Eindruck, dass die Römer zwar mit Elagabal bekannt gemacht werden sollten, jedoch nicht ohne eine gewisse Vorsicht. Das Porträt könnte als Test für Reaktion von Senat und Einwohnern Roms vorausgeschickt worden sein. Herodians Behauptung, der Kaiser habe die Anrufung Elagabals vor allen anderen Göttern befohlen (was praktisch bedeutete, dass er künftig als oberste römische Gottheit angesehen werden wollte) basiert mit ziemlicher Sicherheit auf Tatsachen, doch der Befehl wurde wahrscheinlich nicht in Nikomedia erteilt. Der Historiker, dessen Chronologie häufig ungenau ist, könnte durchaus davon ausgegangen sein; dagegen spricht jedoch die Tatsache, dass der Sonnengott auf römischen Münzen in den ersten Regierungsjahren Elagabals keine herausragende Stellung einnimmt. Die epigraphischen wie auch die numismatischen Belege legen nahe, dass Elagabal erst Ende 220 Jupiter als obersten Gott ersetzte (wie noch nachzuweisen sein wird).

Von Nikomedia aus zogen Elagabal und seine Familie durch Thrakien, Moesia und die beiden pannonischen Provinzen und erreichten Rom schließlich im Sommer 219. Das genaue Ankunftsdatum ist unbekannt, aber Eutropius merkt an, der Kaiser habe zwei Jahre und acht Monate in Rom geherrscht, wobei die kaiserliche Ankunft auf den Juli fallen würde.16 Angesichts des langsamen Vorankommens des Kaisers und seiner Ergebenheit gegenüber dem Gott Elagabal ist es wahrscheinlich, dass der schwarze Stein mit ihm mitreiste und gemeinsam mit seinem Hohepriester in die Stadt einzog. Der oben erwähnte Antoninian aus dem Jahre 219, der sowohl den Kaiser als auch seinen Gott zeigt, ließe sich zur Erhärtung dieser Hypothese heranziehen.

Vermutlich kurz nach seiner Ankunft in der Hauptstadt heiratete Elagabal Julia Cornelia Paula, die Herodian als „Frau aus der vornehmsten Familie Roms“17 beschreibt. Es scheint, als seien Anstrengungen unternommen worden, den Kaiser in die römische Oberschicht zu ‚integrieren‘. Auf Münzen wurde dem einfachen Volk eine stetige Getreideversorgung (ANNONA AVGVSTI) versprochen und der Elite bürgerliche Freiheiten und Rechtssicherheit (LIBERTAS) zugesichert.18 Um Elagabals Ankunft zu feiern und seine Beliebtheit zu steigern, organisierte man unzählige aufwendige Spektakel und zahlte dem Volk Geldspenden aus. Zum ersten Mal seit vielen Jahren bekam Rom wieder einen Kaiser zu Gesicht.

Elagabal

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