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Оглавление1. Oktavius Pfleiderer
Im Jahre 1806 wohnte und arbeitete der zwanzigjährige Oktavius Pfleiderer als Wagner in der elterlichen Wohn- und Betriebsstätte in Nürtingen. Er war der einzige Sohn. Oktavius war ein stattlicher Schwabe. Er hatte ein Gardemaß von 64,57 Zoll (Anno 1806 = 185 cm).
Seine kräftigen Hammerschläge in der Wagnerwerksatt waren weithin hörbar. In Nürtingen war er als aufrechter, ehrlicher und hilfsbereiter Bürger bekannt. Neben seiner Arbeit hatte er ein Ohr für die Sorgen seiner Mitmenschen. In Not geratenen Mitbürger hat er eine Reparatur an einem Leiterwagen oder anderen Gerätschaften oftmals kostenlos durchgeführt. Er interessierte sich für alles, was in der Welt vorging. Oktavius war kein Selbstdarsteller, das überließ er den Herren auf den königlichen Ämtern.
Kopfzerbrechen machte ihm der seit Anfang des Jahres 1806 in Württemberg regierende König Friedrich I. Von den Mitgliedern vom Droschkenlenker und Fuhrmann Bund Neckar-Alb erfuhren die Nürtinger Bürger, dass der König neben seinen Amtsgeschäften ausschweifende Feste feierte. Das dazugehörende Festmahl wurde mehr und mehr pompöser. Für die musikalische Untermalung wurden die besten Streichorchester engagiert. Jongleure, Feuerschlucker und andere Artisten durften bei der Unterhaltung nicht fehlen. Die Feste des Königs verschlangen Unsummen an Geld.
Oktavius Zuhause war in jener Zeit ein typisches, solides Fachwerkhaus mit einer Wagnerwerkstatt. Das Anwesen befand sich in der Siedlung Kleintischardt. Nur ein paar Häuser, außerhalb der Stadtmauern von Nürtingen Richtung Neckarhausen. Zwischen Lerchenberg und Neckar. In der Wagnerei wurden Wagenrädern, Pferdefuhrwerke, Kutschen und landwirtschaftlichen Geräte hergestellt und repariert.
Die Familie Pfleiderer konnte mit ihrem Handwerksbetrieb ein gutes Einkommen erwirtschaften. Die Steuern an das neue Königreich waren noch in einem erträglichen Rahmen. Zusätzlich hatten sie eine kleine Landwirtschaft, bestehend aus einer Kuh, zwei Schweinen, mehrere Hühner und Stallhasen. Dazu gehörten ein Kartoffelacker sowie ein Obst- und Gemüsegarten. Eine überwiegende Selbstversorgung war gegeben. Mit dem Einkommen aus der Wagnerei und der Landwirtschaft war für die Familie Pfleiderer ein ausreichender Lebensstandard gesichert.
Die Wagnerei Pfleiderer hatte eine eigene Kutsche, ein Lastenfuhrwerk und zwei Zugpferde. Eines der Pferde diente Oktavius auch als Reitpferd. Wegen seiner Schnelligkeit, bereits als Fohlen, bekam der schwarze Wirbelwind den Namen Blitzle. Dieses Pferd war Oktavius besonders ans Herz gewachsen. Das spürte Blitzle. Nur Oktavius wurde von dem Vierhufer als Reiter akzeptiert. Die beiden verstanden sich blind.
Oktavius blieb trotz seines Gardemaßes vom dritten Koalitionskrieg verschont. Sein Beruf als Wagner war für die württembergische Rüstung einfach zu wichtig. Das Militär benötigte für die Kriegshandlungen und für den Nachschub viele Pferdefuhrwerke und Wagenräder.
Oktavius große Liebe war das Fräulein Luise Redlich. Die schöne 18-Jährige war eine zierliche Erscheinung mit langem kastanienbraunem Haar. Sie wohnte mit ihrer Familie nicht weit von der Familie Pfleiderer. Ebenfalls Richtung Neckarhausen auf der linken Neckarseite, direkt am Neckar, auf dem Wörth Areal. Luise war die Tochter von Fischer Redlich.
Neben der Arbeit im elterlichen Haushalt half sie ihrem Vater beim Fischen. Auf dem Nürtinger Wochenmarkt, dienstags und freitags, verkaufte Luise die frischgefangenen Fische auf dem Marktplatz vor dem Nürtinger Rathaus. Wegen ihres freundlichen und natürlichen Wesens verkaufte sie meistens alle Fische, die sie auf dem Marktstand hatte. Die Handkasse war am Ende der Markttage stets gut gefüllt.
Auch Luise war in den stattlichen Oktavius verliebt. Immer öfter flanierten der Wagner und die Fischerstocher entlang des Neckarufers. Ein Ufer mit einer vielfältigen Flora, dem Blätterrauschen in den Weiden, dem Gezwitscher der Vögel und dem sanften Plätschern des Neckars. Zur Krönung zogen schneeweiße Schwäne ihre Kreise auf der Wasseroberfläche des Flusses. All dies bildete eine grandiose Harmonie der Natur. Für die zwei Verliebten konnte es nicht besser sein. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Oktavius und Luise wunschlos glücklich.