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4. Das Fass läuft über

Am Samstag, dem 5. Juli 1806 spätnachmittags nach getaner Arbeit, besuchte Oktavius seine Luise. Die Eltern von Luise wussten natürlich längst von der innigen Beziehung ihrer Tochter zu Oktavius Pfleiderer. Sie waren damit einverstanden. Die Familie Pfleiderer hatte ein hohes Ansehen in der Nürtinger Bürgerschaft. Sie waren für ihre Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Hilfsbereitschaft bekannt. Oktavius konnte nun seine Neckarperle mit Handkuss begrüßen. Dies war ab jetzt erlaubt.

Doch dieser Besuch wurde von einer der Steuerkontrolle im Auftrag von König Friedrich I. überschattet. Durch den Lärm aufgeschreckt eilten Oktavius und Luise in den Fischerschuppen von Luises Vater. Fischer Redlich stand da wie versteinert. Fassungslos mit vollem Entsetzen musste er mit ansehen, wie vier Soldaten im Beisein des Oberamtsrat Strengler den Schuppen durchwühlten. Einiges an Fischereigerätschaften ging dabei zu Bruch.

Oktavius versuchte mit Worten, die anderen Soldaten von der Zerstörung der Fischereigerätschaften abzuhalten. Doch die Herren in Uniform machten unbeirrt weiter. Einer der Soldaten sah die wunderschöne Luise. Dieser Soldat, mit schmutzigen Gedanken, näherte sich Luise, um ihr Avancen zu machen. Oktavius und Vater Redlich bemerkte dies zunächst nicht. Als der liebeshungrige Soldat versuchte, Luise in den Arm zu nehmen, schrie Luise ängstlich:

»Oktavius«.

Oktavius drehte sich blitzschnell um. Er begriff sofort, in welcher Situation sich Luise befand. Ohne zu zögern, ging er schnurstracks auf den Soldaten zu und "entriss" Luise aus dessen Gewalt. Luise rannte in die Arme ihres Vaters.

Der stattliche Oktavius stand mit geballten Fäusten vor dem Soldaten. Die beiden schauten sich gegenseitig in die Augen. Der Soldat war über das Eingreifen von Oktavius sehr erzürnt:

»Was erlaubt er sich, ich bin Soldat vom Königlichen Garde-Regiment!«

Oktavius:

»Das ist mir scheißegal. Hast du Schweinehund noch nie was von Soldatenehre gehört?«

Der Gardist entgegnete Oktavius mit einem dreckigen Grinsen:

»Das Handwerkergesindel hat nichts zu sagen und deren Töchter müssen den Königlichen Soldaten zu Verfügung stehen«.

Dies hatte das Fass von Oktavius zum Überlaufen gebracht. Voller Wut hätte er am liebsten dem königlichen Gardisten sofort einen Fausthieb zu verpasst. Aber er musste diese Provokation standhalten. Seine Fäuste hätten jetzt eine rohe Kartoffel auf Erbsengröße zerdrücken können.

Der Soldat erkannte, dass der stattliche Oktavius kurz vor der Explosion stand. Der königliche Gardist hatte jetzt Schiss. Er musste reagieren. Der Soldat schulterte sein Gewehr mit Bajonett ab. Was hat er vor? Wollte er Oktavius an Ort und Stelle sofort ...?

Jetzt musste Oktavius mit allem rechnen. Bevor der Soldat das Gewehr in seine Hände aufnehmen konnte, nahm Oktavius ein zufällig in einem Kahn liegendes Ruderblatt. Er schlug es dem Soldaten aus voller Wut, mit all seiner Kraft auf den Kopf. Trotz Helm taumelte der Soldat zu Boden. Er blieb regungslos liegen. Oktavius stand wie versteinert vor dem leblosen Soldatenkörper. Die drei anderen Soldaten kümmerten sich um den Niedergeschlagenen. Sie mussten feststellen, dass durch die Wucht des Schlages mit dem Ruderblatt dem Soldaten das Dasein genommen wurde. Der Soldat war tot.

Fischer Redlich erkannte sofort die Situation. Er forderte Oktavius lautlos mit heftigen Armbewegungen zur Flucht auf. Unter denen inzwischen vielen Erlassen von König Friedrich I. war ein Erlass mit folgendem Inhalt. Wenn ein Bürger einen königlichen Soldaten zu Tode bringt, wird dieser Bürger mit dem Tod durch den Strick am Galgen bestraft. Egal aus welchem Anlass die Tat geschehen sei. Auch Oktavius wusste von diesem Erlass. Wieselflink verschwand der Wagner durch eine schmale Hintertür und flüchtete zu seinem Elternhaus.

Oberamtsrat Strengler sagte nur kurz zu Fischer Redlich:

»Für das, was der Wagner Oktavius Pfleiderer soeben getan hat, gibt es nur eine Strafe. Der Tod am Galgen.«

Völlig unerklärlich war, dass von den drei verbliebenen Soldaten keiner versucht hat, den Flüchtenden zu fangen. Konnten sie das, was soeben geschehen ist, nicht fassen? Waren sie mit dem unehrenhaften Handeln ihres toten Soldatenkameraden nicht einverstanden? Oder waren sie mit ihrem Herzen dem württembergischen Volke mehr verbunden als dem König? Man weiß es nicht.

Hätte der Oberamtsrat Strengler die Flucht verhindern können? Nein, bei seinem wohlgenährten Amtsranzen, unmöglich.

Der Albschreck

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