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2. Landpartie nach Neuffen

Mit Erlaubnis der Eltern von Luise unternahmen Oktavius und seine Liebste an einem sonnigen Sonntag, dem 15. Juni 1806 eine Landpartie nach Neuffen, mit der Kutsche der Familie Pfleiderer. Bei diesem Sonntagsausflug führte die Wegstrecke von Nürtingen über Frickenhausen und Linsenhofen. Der Landweg Richtung schwäbische Alb war durchweg in einem ordentlichen Zustand. Die straffe Federung der Kutsche wurde nur wenig beansprucht. Luise genoss mit all ihren Sinnen den Sonntagsausflug. Keine Wolke am Himmel trübte den bis dahin schönen Sommertag.

In Neuffen angekommen machte das junge Glück im Gasthof "Zur Post" Rast. Nachdem Oktavius die Pferde versorgt hatte, wollten sich die zwei Verliebten eine Erfrischung und ein Essen gönnen. "Zur Post" war ein alter Gasthof. Beim Betreten des Gastraumes knarrten die Bodendielen.

Mit einem Herzlichen,

»Grüß Gott«,

wurden die Gäste von dem Wirt empfangen, der gerade hinter dem Schanktisch eine Flasche Wein entkorkte. In der Ecke stand ein Kachelofen, der bei kalter Witterung wohltuende Wärme spendete. Die Decken waren durch Pfeifen- und Zigarrenrauch gedunkelt. Auf jedem der vier Holztische im Gastraum stand eine Schnupftabakflasche aus Porzellan. Jeder männliche Gast durfte sich kostenlos eine Prise für seinen Riechkolben genehmigen. Alles zusammen eine urgemütliche Einkehr. Oktavius und Luise setzten sich an einen freien Tisch. Der Wirt ging zu den zwei unbekannten Einkehrern.

»Wo kommt ihr her?«

Oktavius:

»Von Nürtingen.«

Der Wirt:

»Gott sei Dank, nicht aus Stuttgart.

Was darf ich bringen?«

Die Stuttgarter waren wegen ihrer meist hochnäsigen Art nicht besonders beliebt. Erleichtert nahm der Wirt die Bestellung auf. Es dauerte nicht lange und das Essen stand auf dem Tisch. Nach dem gutbürgerlichen Mahl kam ein weiterer Mann in den Gasthof. Es war Eugen Ehrenfried, ein sehr guter, "alter" Freund von Oktavius. Sie kannten sich seit der Schulzeit und waren im gleichen Alter.

Im Lausbubenalter war einer ihrer Abenteuerspielplätze die Steinachmündung zum Neckar. Sie fühlten sich damals, wie Piraten an einem großen Fluss. An einem Fluss, der sie eines Tages mit einem Floß in die ferne weite Welt bringen würde.

Neben all den grenzenlosen Träumen von Abenteuer gab es an der Mündung viele Möglichkeiten die harte Schulbank zu vergessen. Zum Beispiel einen speziellen Wettbewerb. Galt es einen Stein, durch die Steinach flach geformt, mit einem kräftigen, horizontalen Wurf auf der Wasseroberfläche des Neckars so lange wie möglich tänzeln zu lassen. Wer die meisten Aufschläge auf dem Wasser hatte, war der Sieger.

Einmal hatten die beiden Buben ein hölzernes Wasserrad in die Steinach eingesetzt. Selbst konstruiert und zusammengebaut, in der Wagnerwerkstatt von Vater Pfleiderer. Voller Stolz sah man dem drehenden Wasserrad zu. Die Steinachmündung, ein Eldorado für Aktivitäten aller Arten. Gott Lob, Erwachsene waren nicht dabei, die in diese Freizeitgestaltung reingeredet hätten.

Natürlich wurden von den Lausbuben Oktavius und Eugen auch Streiche verübt. Einer davon war das "Glockenreinigen" an den Bürgerhäusern. Selten wurden die Buben Oktavius und Eugen von den Hausbewohnern erwischt. Wenn die Flucht nicht gelang, gab es einen heißen Hosenboden mit der Rute der Reinigung. Auf keinen Fall durften die Eltern die roten Striemen auf den Arschbacken sehen. Eine zweite Reinigung? Zwei, drei Tage und die Zeichen von der Rute waren so gut wie verschwunden. Auf zum nächsten Streich. Gerne erinnerten sich die inzwischen Zwanzigjährigen an ihre Kindheit zurück.

Eugen Ehrenfried war jetzt von Beruf Küfer. Er hatte eine Küferei mit Brennerei in Nürtingen. In dem Gastraum "Zur Post" sah Eugen sofort seinen "alten" Weggefährten. Sie hatten sich lange nicht mehr gesehen. Oktavius stand sofort auf. Mit Handschlag und einer Umarmung hatten sich die zwei Freunde begrüßt.

»Grüß dich Gott Eugen, lange nicht mehr gesehen, wie geht es dir?«

»Grüß Gott Oktavius, mir geht es soweit gut, und dir?«

»Mir geht es sehr gut.«

Eugen, mit Blick zu Luise:

»Das kann ich gut verstehen.«

Eugen höflich, aber etwas unsicher:

»Stör ich, oder darf man sich dazugesellen?«

Für Oktavius war eine Zustimmung keine Frage:

»Natürlich, setz dich nieder.«

Luise stimmte verhalten zu. Eigentlich wollte sie den Tag mit Oktavius alleine verbringen. Aber es ist ja ein Freund von Oktavius und sie wollte nicht unhöflich sein.

Oktavius voller Neugierde:

»Eugen erzähl, wie geht es deiner Frau, deine Kinder, was machst du in Neuffen?«

Bei einem Glas Neuffener Wein antwortete Eugen:

»Meine Frau und meine zwei Kinder sind wohlauf. Was ich in Neuffen mach? Ich konnte vor zwei Wochen hier eine Küferei übernehmen. Jetzt arbeite und wohne ich mit meiner Familie in Neuffen.«

Oktavius:

»Aber du hast oder hattest eine Küferei und Brennerei in Nürtingen?«

Eugen:

»Oktavius stell dir vor. In Nürtingen wurde mir auf Erlaß vom König Friedrich I. von Württemberg mitgeteilt, dass ich in Zukunft das Zweifache an Steuer bezahlen muss. Beiläufig habe ich erfahren, dass diese Steuererhöhung nach und nach für alle Handwerker in Nürtingen und in weiteren größeren Städten durchgesetzt wird. Diese Mehrsteuer kann ich einfach nicht aufbringen. Mit dieser Belastung kann ich meine Familie nicht mehr ernähren.«

Eugen weiter:

»Ich habe mich vor zwei Wochen dazu entschlossen mit meiner gesamten Habe nach Neuffen zu ziehen. In der Hoffnung, dass Neuffen von diesem königlichen Wahnsinnserlaß möglichst lange verschont bleibt.«

Oktavius und Luise konnte das nicht glauben.

Oktavius fragte:

»Warum weiß ich davon nichts, ich bin doch auch ein Handwerker von Nürtingen?«

Eugen:

»Oktavius, in dem Erlaß wurde auch verfügt, dass Handwerker denen die Steuererhöhung bereits mitgeteilt wurde, dies unter keinen Umständen weitererzählen durften. Wer sich nicht daran hält, kommt in den Blockturm von Nürtingen. Mit Sicherheit will die königliche Obrigkeit eine Landflucht verhindern. Ich rechne damit, dass bald ein weiterer Erlaß folgt, in dem verfügt wird, daß eine versuchte Flucht aus Württemberg ebenfalls mit Gefängnis bestraft wird.«

Die Sonntagsstimmung von Oktavius und Luise war dahin.

Die beiden mussten diese Hiobsbotschaften eiligst ihren Eltern mitteilen. Sie verabschiedeten sich von Eugen.

Auf der Rückfahrt nach Nürtingen gingen Oktavius mehrere Gedanken durch den Kopf. Seine Gedanken pendelten zwischen Herz und Verstand. Sein Herz voller Liebe zu Luise. Sein Verstand mit der Frage, was wird die Zukunft bringen?

Zu Hause angekommen brachte Oktavius seine herzallerliebste Luise nach Hause bis zur Haustür. Wegen der damaligen allgemeinen Moralregeln und der Nachbarschaft konnte er sich von Luise nicht mit einem Kuss verabschieden. Nur mit einem Diener, so wie es sich in jener Zeit geziemt.

Oktavius machte sich flugs auf den Weg zu seinem Elternhaus. Er berichtete seinem Vater und seiner Mutter die schlechten Nachrichten. Im Hause der Familien Pfleiderer und Redlich herrschte Fassungslosigkeit und Angst. Das Stimmungsbarometer der Familien war auf den Nullpunkt heruntergesunken.

Der Albschreck

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