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3. Botschaften werden real

Trotz der miserablen Stimmungslagen gingen Oktavius und sein Vater am nächsten Montagmorgen, den 16. Juni 1806 in ihre Wagnerei. Frisch aber nicht froh, machten sie sich ans Werk. Die Arbeit musste ja weitergehen. Kurz nach Arbeitsbeginn wurde die Werkstatttür der Wagnerei, ohne anzuklopfen, brachial aufgestoßen. Herein kam Oberamtsrat Strengler vom Oberamt Nürtingen.

Der aus Sachsen stammende Oberamtsrat war wegen seines harten Durchgreifens in und außerhalb Sachsens bekannt. Dies war auch für König Friedrich I. eine wichtige Eigenschaft für die Besetzung einer Oberamtsratstelle. Nach und nach wurden alle Oberämter durch Auswärtige, also Nichtschwaben, besetzt. Die meisten stammten aus Sachsen mit den gleichen Qualitätsmerkmalen wie der Oberamtsrat Strengler.

Diese Oberamtsräte erhielten von dem württembergischen König eine enorme Machtfülle. Das königliche Garde-Regiment war angewiesen, den ersten Amtsgehilfen im Königreich Württemberg in jeglicher Hinsicht zu unterstützen. Mit der Hilfe des Militärs konnten alle Oberamtsräte im Land des Königs Wille durchsetzen. Wenn es sein musste auch mit harter Gewalt. Letztendlich waren diese Räte die zweite Gewalt nach König Friedrich I. Der Monarch hatte auch einen Hintergedanken bei der Besetzung der Oberämter. Es ist fast auszuschließen, dass diese Königsgehilfen wegen der fehlenden Heimatverbundenheit zu Württemberg, jemals menschliche Gefühle für das Schwabenvolk bekommen könnten.

Selbst der "erste Mann" in Nürtingen, Stadtschultheiß Mauschler, musste sich dem Oberamtsrat unterordnen. Trotz seiner Stellung als Stadtschultheiß fügte sich Mauschler lautlos in die Hierarchie ein. Sein Amt, mit den verbundenen Pensionsansprüchen, wollte er um keine Umstände verlieren. Der aus Stuttgart kommende Stadtschultheiß Mauschler vermied einen engeren Kontakt zu seinen Bürgern in Nürtingen. Seine Welt war das Rathaus, die Amtsgehilfen sowie der Stadtrat. Dabei vergaß der Stadtschultheiß nicht, seine eigenen Interessen zu verfolgen.

Bei dem Amtsbesuch in der Wagnerei Pfleiderer hatte Oberamtsrat Strengler vier Soldaten vom württembergischen Königlichen Garde-Regiment mit dabei. Soldaten mit Gewehren und aufgepflanzten Bajonetten. Nach dem Gespräch mit Eugen in Neuffen, hatte Oktavius mit dem "Besuch" einer königlichen Abordnung gerechnet. Aber gleich mit vier Soldaten, bewaffnet mit Kriegswerkzeug! Oktavius wie sein Vater waren, trotz der Vorahnung, geschockt.

Der hochnäsige Oberamtsrat Strengler rollte ein königliches Schriftstück aus. Mit scharfen und bestimmenden Worten las er laut vor:

»Auf königlichem Erlaß müssen Handwerker ab sofort das Zweifache an Steuer wie bisher abgeben. Bei verspäteter Zahlung werden Strafen von zusätzlichen Gebühren fällig. Bei Nichtbezahlung wird der Schuldner im Blockturm zu Nürtingen auf unbestimmte Zeit inhaftiert.«

Wie von Eugen befürchtet, wurde den Handwerkern Pfleiderer ein weiterer königlicher Erlass vorgelesen:

»Auf königlichen Erlaß wird bei versuchter Landesflucht die gleiche Strafe verhängt wie bei der Nichtbezahlung von Steuerschulden.«

Genüsslich und mit einem verächtlichen Lächeln rollte Oberamtsrat Strengler die zwei Schriftstücke wieder zusammen und bemerkte:

»Ich hoffe, ihr habt des Königs Wille verstanden.«

Oktavius und sein Vater haben verstanden. Das königliche Quintett von Friedrich I. verließ ohne Gruß die Werkstatt.

Für Vater Pfleiderer und Oktavius brach die bis dahin heile Welt von Nürtingen und Württemberg zusammen. Weitere Handwerker wurden an diesem wie auch in den darauffolgenden Tagen von den fünfen aufgesucht. Die Steuer der ortsansässigen Handwerker war wöchentlich, am Montag fällig. Die Zahllast wurde durch den Stadtbüttel Bückle in Begleitung von Soldaten eingezogen. Die Steuer konnten von den Pfleiderers, in den ersten zwei Wochen noch aufgebracht werde. Das Ersparte musste herhalten. Oktavius wie sein Vater wussten, dass dies auf längere Zeit nicht mehr zu bezahlen war.

Hinzu kamen willkürliche Kontrollen in allen Handwerksbetrieben in Nürtingen, um Geld- oder Wertverstecke ausfindig zu machen. Bei einer dieser Kontrollen wurde die Wohn- und Betriebsstätte der Pfleiderers komplett auf den Kopf gestellt.

Vater, Mutter und Sohn Pfleiderer benötigten einen ganzen Tag, um alles wieder in Ordnung zu bringen. In dieser Zeit konnten natürlich keine Wagenräder und keine Pferdefuhrwerke hergestellt werden.

Die Kontrollen und der damit verbundene Zeitverlust häuften sich. Der Teufelskreis wurde immer enger und enger. Die Wut, der Hass von Oktavius gegen die Obrigkeit steigerte sich stetig. Nur Luise war jetzt der einzige Lichtblick im Leben von Oktavius.

Der Albschreck

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