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3. Die Aufstellung der SS-Brigaden

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Zeitgleich und in direktem Zusammenhang mit der Gründung des Kommandostabes Reichsführer-SS Anfang April 1941 fanden Vorbereitungen zur Aufstellung umfangreicher Truppenverbände der Waffen-SS statt, die unter dessen Befehl für einen Einsatz in der Sowjetunion vorgesehen waren. Ein erster Hinweis auf das Zusammenziehen der dafür vorgesehenen Einheiten stammt vom 26. März. Nachdem sich Himmler am Vortag mit Reinhard Heydrich und Kurt Daluege getroffen hatte, besprach er sich tags darauf mit Jüttner, seinem Organisationschef für die Waffen-SS. Daß dabei der Einsatz von SS-Verbänden bei der „politischen Befriedung“ in der Sowjetunion thematisiert worden sein muß, legt ein noch am gleichen Tag erlassener Verlegungsbefehl Jüttners nahe. Darin wurden die beiden in den besetzten Niederlanden stationierten SS-Infanterieregimenter 4 und 14 ins Generalgouvernement verlegt. Wenige Tage später verdichteten sich die Hinweise weiter. Auf Anordnung des Befehlshabers Ost der Waffen-SS wurde mit Wirkung vom 1. April das 2. SS-Kavallerieregiment als eigenständiger Verband ausgebaut. Die bis dahin bestehende Befehlskompetenz des Regiments 1 blieb faktisch jedoch weiterbestehen.42 Am 9. April schieden dann beide SS-Kavallerieregimenter aus der bisherigen Unterstellung unter den Befehlshaber Ost der Waffen-SS aus und wurden unter das Kommando des SS-Führungshauptamtes gestellt.43

Noch im April 1941 folgte die Gründung diverser Nachschub-, Verwaltungs- und Sanitätsdienste sowie die Aufstellung von zwei Nachrichtenkompanien und fünf leichten Infanteriekolonnen, die allesamt für die Truppen des Kommandostabes bestimmt waren.44 Aus vier SS-Infanterieregimentern wurden unmittelbar darauf zwei motorisierte Brigaden der Waffen-SS zusammengestellt. Die Regimenter 8 und 10 wurden am 24. April 1941 auf Befehl Himmlers zur motorisierten SS-Brigade 1 zusammengefaßt. Dazu wurde die Stelle des Befehlshabers Ost der Waffen-SS insgesamt aufgelöst und in den Stab der Brigade umgewandelt.45 Anfangs übernahm Karl-Maria Demelhuber das Kommando über den in Krakau stationierten SS-Verband; mit dem 25. Mai wurde Brigadeführer Richard Herrmann das Kommando über die Brigade übertragen.46 Auch er war ähnlich wie Demelhuber seit vielen Jahren überzeugter Nationalsozialist.

Geboren am 20. Dezember 1895 im Kreis Gießen, schloß Herrmann seine Schulbildung mit der mittleren Reife ab. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete er sich zum Heer, wo er bis zur Niederlage den Rang eines Oberleutnants erreichte. Ende 1918 schloß er sich einem im Osten operierenden Freikorps an, das anschließend in Teilen in die Reichswehr übernommen wurde. Nachdem Herrmann im Mai 1920 aus der Reichswehr ausgeschieden war, fand er Aufnahme in der Hessischen Landespolizei, wo er als Lehroffizier tätig war. Seine rechtsextremen Umtriebe zwangen ihn 1929 jedoch zum Ausscheiden aus dem Polizeidienst; Herrmann zog wenig später nach München und trat dort in die NSDAP und die SA ein, wo er bald zum Stabsführer der SA Gruppe Hochland und ab 1934 zum Führer der SA-Brigade 86 in Augsburg aufstieg. Als begeisterter Sportler wurde er außerdem Führer des deutschen Handballverbandes, weshalb über ihn noch Jahre später der Spitzname „Handball-Herrmann“ kursierte. Im Herbst 1936 bat er um Übernahme in die SS, die Herrmann auf persönliche Empfehlung Heydrichs auch gewährt wurde. Beide kannten sich seit Jahren aufgrund gemeinsamer sportlicher Aktivitäten, weshalb Herrmann Ende Januar 1937 zum Chef des Sportamtes im SS-Hauptamt und einen Monat später zum „Inspekteur für Leibesübungen“ in Himmlers Persönlichem Stab ernannt wurde. Mit Kriegsbeginn endete seine Karriere als SS-Sportfunktionär. Er wurde zum Kommandeur der 7. SS-Totenkopfstandarte ernannt. Im Juni 1940 folgte seine Ernennung zum Befehlshaber der Waffen-SS „Nord“ und wenige Monate später die zum Kommandeur der gleichnamigen Kampfgruppe, bevor Herrmann im Mai 1941 den Befehl über die SS-Brigade im Generalgouvernement übernahm.47

Neben der 1. Brigade entstand ebenfalls am 24. April aus den einen Monat zuvor noch in den besetzten Niederlanden stationierten Infanterieregimentern 4 und 14 die motorisierte SS-Brigade 2, die vorerst in Warschau Quartier bezog. Ähnlich wie bei dem anderen Verband entstand der Brigadestab durch die Auflösung der Dienststelle des Befehlshabers der Waffen-SS Nordwest in Den Haag. Befehligt wurde die 2. SS-Brigade anfangs von Brigadeführer Karl von Treuenfeld, der allerdings wegen Querelen mit Knoblauch noch vor dem eigentlichen Einsatz des Verbandes abgelöst wurde. Als Ersatz wurde der bisherige Kommandeur des 4. SS-Infanterieregiments, Oberführer Gottfried Klingemann, mit der Führung beauftragt.48 Klingemann war Jahrgang 1884 und damit 11 Jahre älter als Herrmann und sogar 22 Jahre älter als Fegelein. Er hatte 1903 in Berlin das Abitur bestanden und trat anschließend als Fahnenjunker in ein Infanterieregiment ein. Während des Krieges war Klingemann als Einheitsführer sowie in verschiedenen Stabsstellungen eingesetzt und erreichte den Rang eines Hauptmanns. Im März 1919 schied er aus der Reichswehr aus, worauf er bis 1933 als Prokurist, Direktor eines Stahlwerks, Kurdirektor von Norderney und Besitzer einer Handelsagentur recht abwechslungsreiche Tätigkeiten ausübte. Zwischen 1935 und 1937 wirkte Klingemann als Lehroffizier im Heer, schied aber aus Distanz zur Wehrmacht im April wieder aus dem Offiziersdienst aus. Bereits 1931 war er in die NSDAP eingetreten. Er behauptete, schon vor dem Ersten Weltkrieg der Überzeugung gewesen zu sein, daß „eine nationale Politik nur mit dem Volke, mit der Arbeiterschaft gemacht werden könne“; allerdings habe er nach eigenem Bekunden bis zu ersten Kontakten mit dem Nationalsozialismus nicht gewußt, wie das zu verwirklichen sei. Nach jahrelanger SA-Tätigkeit bewarb Klingemann sich 1937 bei der SS; drei Jahre später wurde er mit dem Kommando über die 13. SS-Totenkopfstandarte betraut. Noch im gleichen Jahr kam er über ein kurzes Kommando als Führer des Regiments „Nordland“ der Division „Wiking“ Anfang Dezember als Kommandeur zum SS-Infanterieregiment 4.49

Neben den beiden Brigaden wurde für den Einsatzstab Reichsführer-SS am 25. April 1941 zusätzlich noch das sogenannte Begleitbataillon Reichsführer-SS aufgestellt. Die in Oranienburg bei Berlin unter Sturmbannführer Schützeck gegründete Einheit bestand anfangs nur aus zwei vollmotorisierten Kompanien, die im Anschluß an eine kurze Ausbildung nach Ostpreußen verlegt wurden. Erst am 2. August 1941 wurde das Bataillon mit der Zuteilung einer dritten Kompanie ergänzt.50 Allein mit den beiden Reiterregimentern und den Infanteriebrigaden standen dem Kommandostab modern bewaffnete und hochmobile Großverbände der Waffen-SS in einer nominellen Stärke von etwa 18500 Mann zur Verfügung.51 Jedes der beiden Kavallerieregimenter umfaßte zu Kriegsbeginn fast 2000 SS-Reiter und bestand aus acht Schwadronen sowie einer zusätzlichen Stabsschwadron, die aus Kraderkundungs- und Nachrichtenzug sowie einer Versorgungsstaffel zusammengesetzt war. Die ersten vier Schwadronen, gegliedert in je drei Züge, waren beritten. Die 5. und 8. Schwadron war mit Geschützen ausgerüstet, die 6. Schwadron bestand aus Pionier-, Panzerjäger- und Kradschützenzügen, und die 7. Schwadron war als Radfahrabteilung aufgestellt worden.52 Die vollmotorisierten SS-Brigaden 1 und 2 gliederten sich jeweils in einen Brigadestab und zwei Regimenter. Jedes der etwa 3000 Mann umfassenden Infanterieregimenter setzte sich aus drei Bataillonen zusammen, die wiederum in drei Schützen- und eine Maschinengewehrkompanie unterteilt waren. Zusätzlich besaßen die Regimenter eine selbständige Panzerjägerkompanie, die mit Geschützen ausgerüstet war.53

Während der letzten Kriegsvorbereitungen waren die einzelnen SS-Verbände in ihren Stationierungsorten mit der Vervollständigung ihres Personalbestands sowie mit der Ausbildung und Ausrüstung der Mannschaften beschäftigt.54 Nebenher fanden einzelne Einsätze statt. So war das II. Bataillon des SS-Infanterieregiments 14 zwischen dem 27. Mai und dem 6. Juni im Distrikt Lublin zum Eintreiben von Erntevorräten ausgeschwärmt. Das brutale Vorgehen im Rahmen dieses Einsatzes unterstreicht anschaulich, daß der Verband durch seine in den besetzten Niederlanden ausgeübte Praxis keineswegs hinter den schon weit länger in Polen marodierenden Regimentern der 1. Brigade und der SS-Kavallerie zurückstand. Im Verlauf des Einsatzes plünderte das Bataillon im Kreis Pulawy die gesamten Erntevorräte und raubte das Vieh der Bauern. Als Endergebnis des Unternehmens gab die Einheit an, insgesamt 133,5 Tonnen Getreide, 300,5 Tonnen Kartoffeln, 5727 Rinder und 69 Schweine „eingetrieben“ zu haben. Im Vorfeld war offenbar sogar ein wesentlich höheres Ergebnis anvisiert worden, was aber letztlich nicht realisiert werden konnte, da die gesamte Gegend, wie die SS berichtete, „sehr stark mit Truppen aller Art belegt“ sei. Den ohnehin schon ausgeplünderten Bauern scheinen von der SS auch noch die letzten Vorräte weggenommen worden zu sein. Mehrere Polen wurden dabei „wegen Widerstand“ oder „bei Fluchtversuch“ erschossen. Darüber hinaus war der gesamte Einsatz offensichtlich auch gegen die jüdische Bevölkerung gerichtet. Ganz allgemein berichtete die Einheit, von „den Juden“ seien 68 251 Zloty „einbehalten“ worden. Zudem wurde ein Jude „auf der Flucht“ angeschossen und ein anderer von einem Bataillonsangehörigen mit dem Gewehrkolben erschlagen. Als Begründung für den Mord gab die SS im Nachhinein an, der Mann sei einer Aufforderung zur Herausgabe versteckter Kartoffeln nicht nachgekommen.55

Noch im Mai 1941 erzielten Himmler und Knoblauch mit der Wehrmacht bezüglich des Einsatzes der SS-Brigaden grundsätzliche Einigkeit. Schon in der ersten Junihälfte setzten dann die zuständigen Befehlshaber der rückwärtigen Heeresgebieten die in ihrem Bereich vorgesehenen Sicherungsdivisionen über die gleichzeitige Präsenz der Waffen-SS in Kenntnis.56 Das nachweislich erste Treffen zwischen Himmler und dem Chef des Kommandostabes fand am 28. Mai statt. An der Besprechung nahm außerdem Hans Jüttner teil. Die Anwesenheit des Stabschefs im SS-Führungshauptamt verrät, daß an diesem Tag auch über Fragen der weiteren Ausbildung und Ausrüstung der Brigaden entschieden wurde. 57 Am 16. Juni empfing Himmler Jüttner erneut. Diesmal war außerdem Standartenführer Fegelein anwesend. Bei der Besprechung ging es ebenfalls um den bevorstehenden Einsatz.58 Am folgenden Tag vollzog Himmler einen entscheidenden formalen Schritt, der bislang noch gar nicht realisiert worden war, obwohl zahlreiche Vorbereitungen seit Anfang April 1941 immer wieder in diese Richtung gewiesen hatten. Mit Wirkung vom 21. Juni unterstellte Himmler am 17. Juni die 1. und 2. SS-Brigade, beide Kavallerieregimenter, das Begleitbataillon Reichsführer-SS, die Freiwilligenstandarte Hamburg sowie einige technische Kompanien und die diversen Nachschub-, Verwaltungs- und Sanitätsdienste offiziell seinem Kommandostab.59 Der Einsatz der Truppen stand nun unmittelbar bevor.

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