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4. Politische und religiöse Freiheit

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Dass sich die Exoduserzählung Ex 1–14 in ihrer vorliegenden Gestalt auch als eine politische Befreiungsgeschichte lesen lässt, belegt die jüngere Auslegungsgeschichte (vgl. Crüsemann 2001). Zu denken ist hier nicht nur an die lateinamerikanische Befreiungstheologie und ihre Rezeption in Mitteleuropa, sondern auch an die sozialgeschichtliche Wende in der Bibelwissenschaft in den 1970er Jahren, die Jahwe primär als einen Gott der politischen und sozialen Befreiung verstanden wissen wollte und in der Exodusüberlieferung ihren Schlüsseltext fand. Ja, der Exodus wurde in seiner Bedeutung nicht selten mit dem Bekenntnis zur Auferstehung Jesu im Neuen Testament verglichen und damit zu einem Leitmotiv des Alten Testaments erhoben. Eine nüchterne Betrachtung der Texte zeigt |30|indes, wie vielschichtig die Rede vom Exodus ist. Ohne Zweifel hat die Überlieferung – zumal die Erzählung Ex 1–14 – auch eine politische Dimension. So ist es eine ansprechende These, dass sich die Erzählung vom Exodus und seiner Leitfigur Mose kritisch und »subversiv« auf aktuelle politische Konstellationen beziehe. Mose etwa könnte bewusst als Gegenbild zum neuassyrischen Großkönig des 7. Jahrhunderts gezeichnet sein; auch die persische Reichsideologie des 5. und 4. Jahrhunderts mag ihre Spuren hinterlassen haben (vgl. Otto 2006: 35–64). In jedem Fall präsentiert die Exodusgeschichte eine, wenn man so will, theokratische Alternative zu bestehenden Herrschaftsformen, die natürlich auch herrschaftskritisch verstanden sein möchte. Die »Idee« von Freiheit als Befreiung von Fremdherrschaft ist in der Exoduserzählung also durchaus angelegt. Damit ist das griechische Verständnis von Freiheit als politischer Autonomie zwar noch nicht erreicht, aber doch in gewisser Weise vorbereitet.

Politische Freiheit als Unabhängigkeit von fremder Herrschaft wird erst in der Geschichtsschreibung der jüdisch-hellenistischen Zeit – namentlich in den ersten beiden Makkabäerbüchern – zu einem eigenen Thema ausgestaltet. Nach der Darstellung dieser beiden Geschichtsbücher kam es im 2. Jahrhundert v.Chr. infolge massiver Hellenisierungsbestrebungen der seleukidischen Herrscher (vor allem durch Antiochos IV.) in Judäa zu einer national-religiösen Revolte gegen die Fremdherrschaft (seit 166 v.Chr.). Sie wurde angeführt von der Familie der Makkabäer (bzw. später Hasmonäer), der es in teils zermürbenden militärischen Auseinandersetzungen gelang, nicht nur die Wiedereinweihung des Tempels (»Chanukkah«, 164 v.Chr.) zu erreichen, sondern im Laufe der Zeit Schritt für Schritt ein eigenständiges und autonomes Königtum in Judäa (faktisch seit 129 v.Chr.) zu errichten (vgl. 1Makk 14,26; 15,7). Auch wenn sich die Freiheitskämpfe der Makkabäer nach der Darstellung der beiden Bücher primär gegen die hellenistische Politik der Seleukiden, aber auch der liberalen, hellenistisch gesinnten Juden in den eigenen Reihen richteten, so ist nicht zu übersehen, dass sich das Freiheitsverständnis ganz dem griechischen Denken verdankt (vgl. Kaiser 2003: 195–198). Dies lässt sich etwa an 1Makk 2,7–13, einer Klage darüber, dass Jerusalem von einer »Freien« zu einer »Sklavin« |31|geworden ist, ablesen, aber auch an der feierlichen Abschiedsrede des Priesters Mattatias an seine Söhne in 1Makk 2,49–68. Der Kampf um das Gesetz wird hier als ein heroischer Befreiungskampf stilisiert, der unsterblichen Ruhm zeitigen wird. Judas, der Anführer der Makkabäer, erscheint in der Erzählung beinahe wie ein antiker Freiheitsheld. Im 2. Makkabäerbuch schließlich wird erstmals die Sammlung und Heimführung der Diaspora mit dem griechischen Verb ἐλευθερόω (»befreien«) bezeichnet und als göttliche Befreiungstat verstanden: »Befreie die unter den Völkern Versklavten« (2Makk 1,27). Politische Autonomie und religiöse Freiheit bilden in den Makkabäerkämpfen also eine untrennbare Einheit, was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass die hasmonäischen Könige zeitweise zugleich das Hohepriesteramt in Jerusalem ausübten.

Als eine ideengeschichtlich gesehen milde Vorstufe der hier skizzierten politisch-religiösen Freiheit kann man das Konzept der persischen Reichsautorisation betrachten (vgl. Frei/Koch 1996). Darunter versteht man eine bestimmte religionspolitische Rechtspraxis im Perserreich, nach der lokales und partikulares Recht der abhängigen Völker (vor allem im religiösen Bereich) als persisches Reichsrecht anerkannt und autorisiert werden konnte. Auch die Formierung des Pentateuch, der Tora, wird gern von diesem Modell her interpretiert: Danach habe der Priester und Schriftgelehrte Esra gemäß einem Edikt des Königs Artaxerxes (Esr 7,12–26) um 400 v.Chr. in der kleinen Provinz Jehud die Tora eingeführt und mit persischer Sanktionsgewalt belegt. Damit hätte die persische Provinz Jehud im 4. Jahrhundert einen teilautonomen Status in Gestalt einer Bürger-Tempel-Gemeinde erreicht (vgl. zur Diskussion Karrer 2001). Indes lässt sich diese These, so ansprechend sie auf den ersten Blick erscheint, nicht halten: Weder ist die Tora auf direkte persische Einflussnahme hin entstanden, noch lässt sich das Edikt Esr 7 als historisches Zeugnis der Perserzeit auswerten (vgl. umfassend Grätz 2004). Vielmehr ist dieser Text als ein – wohl schon aus hellenistischer Zeit stammendes – theologisches Konzept zu verstehen, hinter dem sich letztlich eine Aufteilung von politischer und religiöser Herrschaft verbirgt: Die Perser als Oberherren garantieren – von Gott selbst dazu eingesetzt (Esr 1,1–4) – den Bestand der religiösen Gemeinschaft in Jehud, die sich um die |32|Tora versammelt und insoweit religiöse Autonomie besitzt. Dieses Konzept hat, wie man leicht erkennen kann, nur wenig mit dem griechischen Begriff der Freiheit zu tun, der sich gerade auf die Polis, die politische Gemeinde, bezog und sich nicht auf die rein religiösen Belange beschränkte.

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