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5. Willens- und Entscheidungsfreiheit

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Blickt man von der Polis wieder auf das Individuum und fragt, ob das Alte Testament mit einer Willens- und Entscheidungsfreiheit des Menschen rechnet, wie man sie aus der griechischen Tradition kennt, so kann man diese Frage in gewisser Hinsicht durchaus bejahen. Wenn Freiheit die Fähigkeit und die Möglichkeit bezeichnet, an Entscheidungen der Gemeinschaft aktiv teilzunehmen und sich in seinem individuellen Handeln von äußeren Einwirkungen frei entscheiden zu können, ist sie im Alten Testament – wenn auch in typischer Brechung – präsent. Dass die Belege nicht aus der Frühzeit der alttestamentlichen Literatur, sondern aus dem Umkreis der deuteronomistischen Verantwortungsethik und aus Texten der hellenistischen Zeit stammen, ist nicht überraschend.

So setzt etwa Jes 1,19f., ein nachjesajanischer Reflexionstext, voraus, dass der Mensch die freie Wahl zwischen Gut und Böse habe und sich der jeweiligen Konsequenzen bewusst sei. Es geht hier (wie auch in dem späten Vers Jes 30,15) um die Stellung zu Gott, genauer: um die Haltung zur Tora. Besonders plastisch kommt die Entscheidungsfreiheit des Menschen in der Lehrrede Dtn 30,15–20 zum Ausdruck, die mit einer klaren Entscheidungsalternative beginnt: »Siehe, ich habe dir heute das Leben und das Glück vorgelegt, den Tod und das Unglück« (V. 15). Der Mensch kann also wählen zwischen dem Weg des Lebens, der in der Einhaltung der Tora besteht, und dem Weg des Todes, der ins Unglück, in die Gottesferne führt. Auch die Ablehnung der Tora ist also ein Akt der freien Entscheidung, wenngleich sie, wie der Text betont, in die Unfreiheit mündet und den Menschen ins Unglück, am Ende sogar in den Tod zieht (vgl. Lev 26,15–35; 1Kön 9,6f.; 1Chr 28,9; Jer 8,9; 31,37; Ez 5,6).

|33|Ganz eigene Wege, die (relative) Entscheidungsfreiheit des Menschen zu definieren, geht die sogenannte jahwistische Schöpfungserzählung Gen 2,4b–3,24. Man könnte sie unter die Überschrift »Freiheit und Begrenzung« stellen und hätte damit das anthropologische Grundproblem angemessen beschrieben. In den altorientalischen Schöpfungsmythen, die im Hintergrund der biblischen Überlieferungen stehen (etwa die Epen von Atramchasis oder Gilgamesch), ist die Erschaffung des Menschen ganz von den Bedürfnissen der Götter her gedacht: Der Mensch wird geschaffen, um den Göttern die mühevolle Arbeit abzunehmen, so dass man von einem entfremdeten Menschsein und einer im Prinzip »negativen Anthropologie« (Otto 1994: 62; ausführlich Zgoll 2012: 40–57) sprechen kann. Der Mensch ist Spielball der Götter, keiner eigenen Entscheidung fähig, damit aber auch »entschuldigt«, weil er keine Verantwortung für seine gegenwärtige Situation tragen muss. Vielleicht liegt sogar ein wesentliches Motiv für die Abfassung und Ausgestaltung der großen mythischen Erzählungen darin, den Menschen auf diese Weise zu »entlasten«.

Blickt man in die zweite Schöpfungsgeschichte, vernimmt man andere Töne. Denn hier steht der Mensch in seiner Freiheit und Entscheidungsfähigkeit im Mittelpunkt des Geschehens. Auf der einen Seite ist Adam, der Mensch an sich, frei und fähig, sein Leben selbsttätig zu gestalten, den Garten also nicht für Gott oder die Götter, sondern für sich selbst zu bebauen (Gen 2,8.15) und sich sein Gegenüber frei zu wählen (Gen 2,18–24). Auf der anderen Seite lässt die Erzählung keinen Zweifel daran, dass die Wahlfreiheit nur eine relative ist, denn sie ist in doppelter Weise eingeschränkt: Sie ist begrenzt von der Endlichkeit und Kreatürlichkeit des Menschen, und sie ist begrenzt durch die ur-menschliche Konstitution, die Sünde (Gen 2,16f.; 3,1–19). Die Sünde selbst liegt in nichts anderem als in der Übertretung des göttlichen Verbots, vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen, man könnte auch sagen: Sie liegt in der Nicht-Beachtung des Gottseins Gottes und damit zugleich in der Missachtung der Begrenzung des Menschen durch Gott. Denn darin liegt die eigentliche Verfehlung des Menschen: dass er sein Menschsein nicht anerkennt und über sich hinausgreift, also die Grenzen seiner Freiheit überschreitet. Dem Menschen wird |34|also nicht nur ein begrenzter Lebensraum, sondern auch ein Entscheidungsspielraum zugewiesen, der seiner Endlichkeit und Kreatürlichkeit gemäß ist und der eigentümlichen Gebrochenheit des menschlichen Lebens entspricht (vgl. die sogenannten Fluchworte Gen 3,14–19).

Die Frage nach der Willens- und Entscheidungsfreiheit des Menschen ist, wie man nicht zuletzt an der Schöpfungserzählung sehen kann, eng verknüpft mit dem Problem, wie sich göttliche Vorherbestimmung bzw. Determination und menschliche Freiheit zueinander verhalten.

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