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2.1.4 Griechenland

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Grundstruktur

Griechenland verfügt seit 1983 über einen öffentlichen Gesundheitsdienst, der zentralstaatlich gesteuert wird. In den letzten Jahren wurde verstärkt versucht, verschiedene Zuständigkeiten – insbesondere in der Primärversorgung – von der zentralstaatlichen Ebene auf die regionalen Gesundheitsbehörden zu verlagern. Bislang kommt dem Zentralstaat aber weiterhin die wesentliche Rolle im Gesundheitssystem zu.

Griechenland ist in Gesundheitssystem-Typologien schwer einzuordnen, weil parallel zum öffentlichen Gesundheitsdienst (ESY) ein Sozialversicherungssystem existiert, das unter anderem auch das Krankheitsrisiko abdeckt. Alle abhängig Beschäftigten, Rentner sowie (kurzzeitig) Arbeitslosen sind obligatorisch versichert. In den Jahren unmittelbar nach der Finanzkrise wuchs die Arbeitslosenquote in Griechenland drastisch an; 2013 betrug sie 28 Prozent. Viele Arbeitnehmer fanden sich in Langzeitarbeitslosigkeit wieder, was für sie bzw. ihre Angehörigen nicht selten auch mit einem Verlust des Krankenversicherungsschutzes einherging. 2016 beschloss die Regierung daher schließlich, auch unversicherten Personen – u.a. Selbstständigen, Langzeitarbeitslosen oder auch Geflüchteten – einen freien Zugang zum öffentlichen Gesundheitsdienst zu gewähren.

Ende 2010 gab es in Griechenland noch über 30 Krankenkassen. Als Folge der europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise, von der Griechenland besonders betroffen war, vereinbarte die sog. „Troika“ mit der griechischen Regierung mehrere Anpassungsmaßnahmen („Memorandums of Understanding“). Zu diesen Maßnahmen gehörte neben unmittelbar finanzwirksamen Elementen (s.u.) auch eine Organisationsreform des Krankenversicherungssystems: Die vier bis dato größten Krankenkassen wurden zwangsfusioniert. Aus diesem Grund gibt es seit 2011 nur noch einen Krankenversicherungsträger, den „Einheitlicher Träger für Gesundheitsleistungen des öffentlichen Gesundheitssystems in Griechenland“ (EOPYY). Dort sind mehr als 95 Prozent der griechischen Bevölkerung versichert. Darüber hinaus existieren noch einige kleine berufs- bzw. statusbezogene Krankenkassen z.B. für Angehörige der Armee. EOPYY steht unter der direkten Aufsicht des Gesundheitsministeriums und trägt als einziger Finanzierungs- bzw. Kostenträger („Purchaser“) die Verantwortung dafür, dass Gesundheitsdienstleistungen im nationalen Gesundheitsdienst in ausreichendem Umfang zur Verfügung gestellt werden.

Finanzierung

Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat auch in den Finanzierungsstrukturen des griechischen Gesundheitswesens Spuren hinterlassen. Im Jahr 2017 lag der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt bei 8,0 Prozent und damit weiterhin unter dem Durchschnitt aller EU-Staaten (9,8 Prozent). 2010 hatte der Anteil noch 9,5 Prozent betragen. Auch die Gesundheitsausgaben pro Kopf lagen mit 2.207 US-Dollar in der Schlussgruppe der in diesem Buch betrachteten Staaten. Im Zeitraum zwischen 2007 und 2017 ist diese Kennzahl sogar durchschnittlich um 3,4 Prozent pro Jahr gesunken; während sie im Schnitt aller EU-Staaten in diesem Zeitraum um jährlich rd. 3 Prozent zunahm. Allein im Zeitraum 2009 bis 2013 gingen die staatlichen Ausgaben für Gesundheit um über 25 Prozent zurück. Einen derartigen Rückgang hat es in keinem weiteren Mitgliedstaat der EU gegeben. Die oben beschriebene Entwicklung ist als direkte Folge der mit der Troika vereinbarten Konsolidierungsmaßnahmen zu sehen. In dem ersten mit der Troika vereinbarten „Memorandum of Understanding“ verpflichtete sich die griechische Regierung unter anderem dazu, den Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP um mindestens 0,5 Prozentpunkte zu senken. Dies sollte durch ein vielfältiges Maßnahmenpaket erreicht werden, das u.a. den Arzneimittelmarkt massiven Reformen unterzog: Durch die Wiedereinführung der 2006 abgeschafften Positivliste (vgl. Kap. 6) und die Pflicht zur Verschreibung von Wirkstoffen bzw. die Begrenzung der Generikapreise sollte ein Einsparvolumen von nahezu zwei Mrd. Euro realisiert werden. Zudem wurden die Gehälter des im Gesundheitswesen beschäftigten Personals deutlich gekürzt und in den Krankenhäusern ein auf Fallpauschalen basierendes Vergütungssystem etabliert.

Der Anteil öffentlicher Gesundheitsausgaben an den Gesamtaufwendungen für Gesundheit betrug in Griechenland 2017 rund 60 Prozent. Im Umkehrschluss wurden nahezu 40 Prozent der Gesundheitsausgaben aus privaten Quellen finanziert (36 Prozent durch die privaten Haushalte und 4 Prozent durch die private Krankenversicherung). In Europa gibt es mit Lettland nur noch ein Land, das einen höheren Anteil an privater Finanzierung der Gesamtausgaben aufweist. Private Mittel werden von den Griechen vor allem für die (Zuzahlungen zur) Arzneimittelversorgung sowie für Gesundheitsdienstleistungen ausgegeben, die nicht im gesetzlichen Leistungspaket des nationalen Gesundheitsdienstes enthalten sind. Darüber hinaus spiegelt der hohe Anteil privater Aufwendungen auch die Tradition von informellen Zahlungen im griechischen Gesundheitssystem wider: Diese ist Experten zufolge üblich und auf die Unterfinanzierung des öffentlichen Systems, aber auch auf fehlende Kontrollmechanismen zurückzuführen.

Der nationale Gesundheitsdienst Griechenlands finanziert sich aus zwei Quellen: unmittelbaren Staatszuschüssen und Sozialversicherungsbeiträgen. Während die Krankenkassen bis 2011 unterschiedliche Beitragssätze berechneten, gibt es seit der Gründung von EOPYY einen einheitlichen Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 7,10 Prozent des Einkommens. Dieser ist Teil des generellen Sozialversicherungsbeitrags. Er wird von der Sozialversicherung EFKA eingezogen und an EOPYY weitergeleitet. Die Beiträge für Sachleistungen bei Krankheit betragen 6,45 Prozent (2,15 Prozent Arbeitnehmer und 4,30 Prozent Arbeitgeber). Für Geldleistungen bei Krankheit werden weitere 0,65 Prozent fällig (0,40/0,25). Es gilt eine Beitragsbemessungsgrenze von 6.500 Euro pro Monat.

Im internationalen Vergleich fällt auf, dass Griechenland überproportional viel Geld für die Krankenhausversorgung ausgibt: Während hierauf im Jahr 2017 im Schnitt aller EU-Länder rund 26 Prozent aller Gesundheitsausgaben entfielen, lag der entsprechende Anteil in Griechenland bei 41 Prozent. Kein EU Mitgliedsstaat gab einen höheren Anteil der Gesamtausgaben für stationäre Versorgung aus.

Leistungen

Die Leistungen des griechischen Gesundheitswesens werden nach dem Sachleistungsprinzip gewährt. Mit der Gründung von EOPYY wurde auch der Leistungskatalog vereinheitlicht. Dieser umfasst Leistungen der Primärversorgung ebenso wie die Krankenhausversorgung. Ferner ist die Arzneimittelversorgung enthalten – allerdings mit Einschränkungen (s.u.), dasselbe gilt für die zahnärztliche Versorgung. Neben den Sachleistungen werden Geldleistungen wie bspw. Mutterschaftsgeld gewährt. Arbeitnehmer erhalten zudem Krankengeld. Die Leistungsdauer ist dabei abhängig von der Dauer der Beitragszahlung.

Die im Zuge des „Memorandums of Understanding“ eingeführten Zuzahlungsregeln für Krankenhausaufenthalte und Arztbesuche wurden 2015 wieder weitestgehend abgeschafft. Geblieben sind allerdings hohe Zuzahlungen für ärztlich verordnete Arzneimittel, Zahnprothesen und Heil- und Hilfsmittel. Für sie greift eine Selbstbeteiligung in Höhe von 25 Prozent der Kosten. Zuzahlungsermäßigungen bzw. vollständige Erlasse gibt es bei Arzneimitteln im Falle einiger chronischer Krankheiten und für Bürger mit geringem Einkommen; Rentner mit Mindestrente müssen generell nur 10 Prozent Zuzahlung leisten.

Organisation der Versorgung

Zentraler Akteur des griechischen Gesundheitssystems ist EOPYY als Versicherungs- bzw. Finanzierungsträger. EOPYY organisiert die Gesundheitsversorgung durch Verträge mit öffentlichen und privaten Leitungserbringern im ambulanten und stationären Sektor.

Generell zeichnet sich das griechische System – zumindest im städtischen Bereich – durch eine Vielzahl an Wahlmöglichkeiten aus: Die ambulante/ allgemeinmedizinische Versorgung wird durch Hausärzte, die einen Vertrag mit EOPYY haben, sowie von Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes oder auch von in den Ambulanzen der Krankenhäuser erbracht. Aktuell gibt es keinen „Gatekeeping“-Mechanismus – aber die Einführung eines solchen wurde zuletzt immer wieder diskutiert.

Der Zugang zur fachärztlichen Versorgung erfolgt über die Krankenhäuser oder auch über niedergelassene Spezialisten. Deren Verträge mit EOPYY enthalten allerdings ein Budget von 200 Konsultationen pro Monat. Ist dieses Budget ausgeschöpft, bleibt den Versicherten häufig nur die Option, Behandlungskosten privat zu tragen (s.o.). Seit 2011 haben Fachärzte, die an öffentlichen Krankenhäusern angestellt sind, die Möglichkeit, zusätzliche private Nachmittagssprechstunden anzubieten, wobei die hieraus resultierenden Einnahmen zwischen dem Arzt und dem Krankenhausträger geteilt werden. Dieses Angebot wird ebenfalls von vielen Griechen angenommen und trägt zu dem hohen Anteil an privat finanzierten Gesundheitsausgaben bei (s.o.).

Das griechische Gesundheitssystem ist sehr (fach-)arztzentriert: Griechenland kann mit 6,1 Ärzten pro 1.000 Einwohner (2017) auf die höchste Arzt-Patienten-Quote in der EU verweisen, gleichzeitig aber auch auf die schlechteste Pflegekraft-Patienten-Quote.

Die Krankenhausversorgung wird durch Krankenhäuser des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Krankenhäuser der Sozialversicherung sowie durch private Kliniken sichergestellt, die Verträge mit EOPYY abgeschlossen haben. Von den 283 (2014) Krankenhäusern waren 45 Prozent in privater Trägerschaft; rund 65 Prozent der Betten wurden von öffentlichen, 35 Prozent von privaten Träger bereitgestellt. Die Bettendichte in Griechenland lag mit 4,2 Betten je 1.000 Einwohner (2017) etwas unter dem Schnitt der EU Mitgliedsstaaten (5,0).

Zuständige Behörden im Internet

Ministerium für Gesundheit: www.moh.gov.gr

Nationale Krankenkasse: www.eopyy.gov.gr

Vertiefende Literatur

Economou, C. et al. 2017: Greece. Health system review. Health Systems in Transition. Copenhagen.

OECD/European Observatory on Health Systems and Policies 2019: Greece: Country Health Profile 2019, State of Health in the EU, OECD Publishing, Paris/ European Observatory on Health Systems and Policies, Brussels.

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