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2.3.4 Schweden
ОглавлениеGrundstruktur
Schwedens Gesundheitswesen ist durch einen öffentlichen Gesundheitsdienst gekennzeichnet, der der gesamten Bevölkerung zur Verfügung steht und auf kommunaler Ebene organisiert sowie – überwiegend – auch über diese Ebene finanziert wird. Während sich der Zentralstaat weitgehend auf die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen und Zielvorgaben beschränkt, liegt die Verantwortung für die Sicherstellung und Finanzierung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung bei den 21 Landkreisen und den Gemeinden. Allerdings ist auch in Schweden der bereits mehrfach erwähnte Prozess des Bedeutungszuwachses der Zentralebene zu beobachten. So veröffentlicht die schwedische Zentralregierung beispielsweise Kennzahlen, die Aufschluss über die Qualität der Kliniken geben. Neben dem kommunalen Gesundheitsdienst verfügt Schweden auch über ein, als Volksversicherung konzipiertes, obligatorisches Sozialversicherungssystem, das Teile des Gesundheitswesens mitfinanziert.
Der Markt der privaten Krankenversicherung wächst in Schweden angesichts einer Wartelistenproblematik im Bereich elektiver Behandlungen dynamisch. Aktuell verfügen rund 10 der Bevölkerung im Alter zwischen 16–64 Jahren über eine Zusatzversicherung, die im Regelfall einen schnelleren Zugang zu fachärztlichen und elektiven Eingriffen gewährleistet. Die diesbezüglichen Versicherungsprämien werden häufig von den Arbeitgebern finanziert.
Finanzierung
In Schweden lagen im Jahr 2017 sowohl der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP als auch die Gesundheitsausgaben je Kopf über dem Durchschnitt aller EU- bzw. OECD-Staaten. Mit einem Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt in Höhe von 11,0 Prozent gab Schweden im Jahr 2017 etwas weniger seiner Wirtschaftskraft für Gesundheit aus als Deutschland. Von den vier skandinavischen Ländern ist dies mit Abstand der höchste Anteil. Auch bei der Kennzahl „Gesundheitsausgaben pro Kopf“ gibt Schweden mit kaufkraftbereinigten 5.264 US-Dollar deutlich mehr aus als der Durchschnitt aller EU-Staaten, aber dennoch deutlich weniger als Norwegen. Dafür war das durchschnittliche jährliche Wachstum dieser Kennzahl in den vergangenen 10 Jahren mit einem Plus von 5,6 Prozent p.a. sogar noch etwas höher als in dem westlichen Nachbarstaat.
Das schwedische Gesundheitswesen wird dominant aus Steuermitteln sowie aus Beiträgen der Sozialversicherung finanziert. Im internationalen Vergleich ist der Anteil der öffentlichen Finanzierung an der Finanzierung der Gesundheitsausgaben mit fast 84 Prozent überdurchschnittlich hoch und kommt fast an den norwegischen Spitzenwert heran. Hauptfinanzierungsquelle des schwedischen Gesundheitssystems sind allgemeine Steuern der Landkreise und Gemeinden, die jeweils eigene Steuerhoheit besitzen (rd. 70 Prozent). Neben ihren eigenen Steuereinnahmen können die Kommunen zudem – ebenfalls steuerfinanzierte – Zuweisungen des Zentralstaats zur Finanzierung der Gesundheitsdienste erhalten (rd. 17 Prozent). Diese Zuweisungen dienen zum Teil dem Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Kommunen, zum Teil sollen sie aber auch spezifische gesundheitspolitische Aufgaben unterstützen. Rund 90 Prozent aller Ausgaben der Landkreise und rund 30 Prozent aller Ausgaben der Gemeinden werden für die Finanzierung von Gesundheitsleistungen verwendet.
Die privat finanzierten Gesundheitsausgaben gehen mit rund 15 Prozent nahezu ausschließlich auf Zahlungen der privaten Haushalte – insbesondere für fach- und zahnmedizinische Versorgung sowie Arzneimittel – zurück.
Die Zuschüsse für zahnmedizinische Behandlungen sowie für verschreibungspflichtige Arzneimittel werden hingegen – ähnlich wie in Finnland – von der beitragsfinanzierten Sozialversicherung getragen, die auch das Krankengeld und finanzielle Leistungen bei Mutterschaft bereitstellt. Der Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 4,35 Prozent des Bruttoeinkommens wird allein vom Arbeitgeber entrichtet. Für die Elternschaftsversicherung, die auch Leistungen bei Mutterschaft finanziert, fällt ein weiterer, ebenfalls allein vom Arbeitgeber zu tragender Beitragssatz an.
Die Höhe der Zuzahlungen bei ambulanter oder stationärer Behandlung wird von den Kommunen festgelegt. Bei Krankenhausbehandlung zahlt der Patient maximal umgerechnet rund 9,50 Euro pro Tag; diese Selbstbeteiligung kann bei finanzieller Bedürftigkeit reduziert werden. Für die Konsultation eines Hausarztes sind je nach Kommune umgerechnet bis zu 28 Euro Praxisgebühr zu entrichten. Für eine fachärztliche Behandlung und für die ambulante Notfallbehandlung im Krankenhaus beläuft sich die Selbstbeteiligung auf einen Betrag zwischen 19 und 38 Euro. Im letzteren Fall sind Jugendliche und Kinder unter 20 Jahren von der Gebühr befreit. Die gesamte Selbstbeteiligung für ambulante oder stationäre Behandlung ist im Jahreszeitraum auf einen vom Zentralstaat festgelegten Höchstbetrag von umgerechnet 109 Euro beschränkt (die Zuzahlungen bei Arzneimitteln bleiben dabei unberücksichtigt).
Bei Arzneimitteln trägt der Patient zunächst sämtliche Kosten bis zur Höhe von umgerechnet rund 100 Euro im Jahr. Die darüber hinausgehenden Kosten werden – abhängig von weiteren Kostengrenzen – zu mindestens 50 Prozent erstattet. Die maximale Höhe der Selbstbeteiligung bei Arzneimitteln beträgt 218 Euro pro Jahr. Die zahnmedizinische Versorgung (Behandlung und Zahnersatz) ist nur bis zum Alter von 20 Jahren kostenlos. Für die zahnärztliche Grundversorgung zahlt die nationale Sozialversicherung den Leistungserbringern einen von der Regierung bestimmten Festbetrag; der Patient muss die verbleibenden Kosten bis zu einer Höhe von umgerechnet 850 Euro im Jahr selbst tragen. Für Rentner existieren Sonderregelungen.
Leistungen
Es gibt keine offizielle Auflistung der vom staatlichen Gesundheitswesen Schwedens zur Verfügung gestellten Leistungen. Der Leistungskatalog ist jedoch vergleichsweise umfänglich – und ist allen Einwohnern zugänglich. Zu den von den Kommunen – von den angeführten Zuzahlungen abgesehen – kostenlos bereitgestellten Sachleistungen im ambulanten und stationären Sektor kommen die Leistungen der nationalen Sozialversicherung hinzu, die die Kosten verschreibungspflichtiger Arzneimittel und die Kosten von Zahnbehandlungen und Zahnersatz zu großen Teilen übernimmt sowie Krankengeld und Elternschaftsleistungen gewährt.
Organisation der Versorgung
Für die ambulante ärztliche Versorgung sind die Landkreise verantwortlich. Sie kommen dieser Verantwortung nach, indem sie Ärzte in Gesundheitszentren beschäftigen und mit niedergelassenen Ärzten Verträge zur Leistungserbringung abschließen. In der hausärztlichen Versorgung dominiert die Anstellung in den 1.100 überwiegend öffentlichen Gesundheitszentren. In diesen Gesundheitszentren arbeiten in der Regel mindestens vier Allgemeinärzte sowie Vertreter und Vertreterinnen anderer Gesundheitsberufe. Rund 27 Prozent aller Hausarztkontakte in Schweden erfolgen in privaten Praxen, der Rest in den öffentlichen Zentren. Den Hausärzten kommt nur in manchen Landkreisen die Rolle des Gatekeepers zu. In den meisten Landkreisen gibt es für die Patienten keine Verpflichtung, vor dem Besuch des Spezialisten zunächst den Hausarzt zu konsultieren, sie haben freie Arztwahl und direkten Zugang zu Facharzt. Die ambulante fachärztliche Versorgung findet durch niedergelassene Spezialisten oder – in rund 70 Prozent aller Fälle – in den Polikliniken der Krankenhäuser statt.
Die oben beschriebene Wahlfreiheit ist allerdings zunächst auf die Anbieter im entsprechenden Landkreis beschränkt. Kann der Landkreis eine Behandlung nicht innerhalb eines Zeitraums von 90 Tagen organisieren, hat der Patient jedoch Anspruch darauf, dass der Landkreis für eine Behandlung in einer anderen Region sorgt. Der Patient hat allerdings gegenüber diesem zweiten Landkreis keinen Anspruch auf Behandlung, sodass ihm, wenn auch dort Wartelisten existieren, durch diese Regelung kaum geholfen wird. Die Verbesserung bei den Behandlungsgarantien bzw. Wartelisten steht so auch im Fokus der jüngsten gesundheitspolitischen Reformen in Schweden.
Die schwedischen Krankenhäuser befinden sich überwiegend in öffentlicher Trägerschaft der Landkreise und in geringerem Umfang in privatwirtschaftlicher Trägerschaft. In der Krankenhauspolitik wurden die Landkreise jüngst in sechs Gesundheitsregionen zusammengefasst – mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zwischen den stationären Einrichtungen in den einzelnen Regionen zu verbessern. Patienten haben die freie Wahl unter regional-öffentlichen Kliniken und zugelassenen privaten Einrichtungen.
Im internationalen Vergleich gibt es in Schweden mit 4,1 Ärzten je 1.000 Einwohner etwas mehr Ärzte als im EU-Schnitt. (3,6; beide Zahlen 2017). Ferner fällt neben den anderen skandinavischen Staaten auch Schweden durch eine sehr gute und weit überdurchschnittliche Ausstattung mit Pflegekräften auf. Andererseits gibt es in Schweden mit 2,2 Betten je 1.000 Einwohner deutlich weniger Krankenhausbetten als im Durchschnitt der EU- und OECD-Staaten. Auch in Bezug auf diesen Indikator zeigen sich in Schweden also sehr ähnliche Tendenzen wie in den anderen drei skandinavischen Wohlfahrtsstaaten.
Zuständige Behörden im Internet
Ministerium für Gesundheit und soziale Angelegenheiten: www.sweden.gov.se
Nationale Behörde für Gesundheit und Sozialwesen: www.socialstyrelsen.se
Vertiefende Literatur
Anell, A. et al. 2012: Sweden. Health system review. Health Systems in Transition, Copenhagen.
Glenngard, A.H. 2017: The Swedish Health Care System, in: Mossialos, E. et al. (Eds.): International Profiles of Health Care Systems. Commonwealth Fund. Washington, 153–160.
OECD/European Observatory on Health Systems and Policies 2019: Sweden: Country Health Profile 2019, State of Health in the EU, OECD Publishing, Paris/ European Observatory on Health Systems and Policies, Brussels.