Читать книгу Flamme von Jamaika - Martina Andre - Страница 9

Kapitel 1

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Januar 1831 // London // Eine schicksalhafte Entscheidung


Wie sich das anhört!», flötete Maggie entzückt und wedelte mit der Einladungskarte aus weißem Büttenpapier wie mit einem Fächer vor Lenas Nase herum. Währenddessen wickelte die eigens ins Haus bestellte Frisierdame aus der Parfümerie Bel Air Lenas hellblondes Haar aus den über Nacht getragenen Papilloten, um es anschließend zu einem kunstvollen Arrangement aufstecken zu können.

«Die Countess of Lieven gibt sich die Ehre», las Maggie vor, «die Debütantin Helena Sophie Huvstedt und ihren werten Herrn Vater Konsul Johann Friedrich Alexander Huvstedt in die Almack’s Assembly Rooms zum ersten Ball der diesjährigen Saison einzuladen», setzte Maggie fort, wobei ihre braunen Mausaugen vor Begeisterung funkelten. «Es wird noch besser!», rief sie aufgeregt. «Die Countess hat unter den in goldenen Lettern gedruckten Einladungstext handschriftlich etwas hinzugefügt: Liebste Helena, ich schätze mich außerordentlich glücklich, Ihnen zu diesem Anlass den ehrenwerten Sir Edward William Montgomery Blake als Ihren abendlichen Tanzpartner vorstellen zu dürfen

Lena erwiderte nichts, sondern schaute konzentriert in den Spiegel. Zufrieden registrierte sie, dass sich ihre nackten, makellosen Schultern farblich kaum von den ausladenden Ballonärmeln des Ballkleides unterschieden, die seitlich an das tief sitzende Dekolleté angesetzt waren. Die Schneiderin hatte ihr den richtigen Rat gegeben und den Ausschnitt ein klein wenig sündiger gestaltet als vom Vater abgesegnet. Wie zwei dralle, rosige Äpfelchen lugten ihre Brüste nun neugierig unter dem Spitzensaum hervor, gerade so, als ob sie den Betrachter dazu animieren wollten, ihren Reifegrad zu prüfen. Mit der engen Taille und dem voluminösen, knöchellangen Rock, der übersät war mit zarten, rosafarbenen Schleifen, sah Lena aus wie ein frisch verpacktes Sahnebonbon.

«Dieser Edward Blake scheint eine wahrhaft gute Partie zu sein», plapperte Maggie munter weiter. «Ich habe gehört, er soll blendend aussehen. Groß, dunkelhaarig und blauäugig. Warum er mit beinahe dreißig Jahren wohl noch keine passende Ehefrau gefunden hat?» Maggie rieb sich das Kinn, während Lena in ihrem cremefarbenen Seidenkleid genervt mit den Augen rollte.

«Du hältst dich entschieden zu oft bei den Küchenmägden auf, meine Liebe», tadelte sie ihre Anstandsdame, die mit ihren fünfundzwanzig Jahren nur vier Jahre älter war als sie selbst. «Und das ruiniert auf Dauer nicht nur deine Figur, sondern auch dein Urteilsvermögen», fügte sie warnend hinzu, obwohl Maggie von einer allzu üppigen Figur so weit entfernt war wie Hamburg von Amerika.

Manchmal verglich Lena ihre Gouvernante, deren vollständiger Name Margareth Elisabeth Blumenroth lautete, eher mit einer umherschwirrenden Fledermaus. Vor allem, wenn sie wie jetzt mit ihren schwarzen, aufgesteckten Locken, dem anthrazitfarbenen Häubchen und einem gleichfarbigen Seidentaftkleid wie ein unruhiger Geist aufgeregt um sie herumwuselte.

Maggie tat nicht selten so, als ob sie jeden Freier höchstpersönlich davon abschrecken müsste, auch nur einen Blick auf ihre Schutzbefohlene zu werfen. Besonders dann, wenn ihr sonst so strenger Mund den potenziellen Bewerber mit einem säuerlichen Lächeln bedachte und sie dabei einen halb abgebrochenen Schneidezahn zur Schau stellte, der zu allem Übel erheblich dunkler war als seine durchaus ansehnlichen Nachbarn.

Der armen Maggie fehlt es wirklich an jeglicher Anmut, dachte Lena und seufzte. Andererseits eignete sie sich aufgrund ihres Auftretens geradezu hervorragend als Hüterin weiblicher Unschuld. Denn ihre Sinne waren geschärft wie die eines Luchses. Ihr entging nicht die kleinste Kleinigkeit. Wenn sie eine sich nähernde, männliche Person prüfend unter die Lupe nahm, beobachtete sie sie unauffällig, aber doch so intensiv, als ob sie eine Naturforscherin wäre, die ein seltenes Insekt aus jedem nur möglichen Winkel betrachtete. Umso missgelaunter war sie, wenn ihre Qualitäten bei gesellschaftlichen Ereignissen wie der Einladung zum Ball nicht gefragt waren.

«Dein letzter Auftritt ohne mich in der Loge des Covent Garden Theatre muss bei der Countess ja einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben», bemerkte Maggie spitz. «Warum sonst glaubst du, dass sie ausgerechnet dich als Tanzpartnerin für diesen schwerreichen Zuckerbaron ausgesucht hat.»

Maggies Blick glitt zu einem gigantischen, mit Blattgold verzierten Weidenkorb, den Huxley am Vormittag von einem Boten entgegengenommen und auf einem Podest neben dem Frisiertisch aufgestellt hatte.

«Und wenn ich erst all dieses Obst sehe!», fuhr Maggie mit einem theatralischen Augenaufschlag fort. «Ob er die Früchte extra aus seiner Heimat Jamaika mitgebracht hat, um den hiesigen Damen zu imponieren?»

Der Butler hatte den Korb wie eine kostbare Opfergabe auf einem Altar arrangiert. Anstelle von Heiligenfiguren drängte sich jedoch eine bunte Gesellschaft von exotischen Früchten darin, die es in dieser Form selbst in den vornehmsten Läden am Piccadilly Circus nicht gab, schon gar nicht zu dieser Jahreszeit: Ananas, Guaven, Papayas, Mangos, Brotfrüchte, Bananen, Orangen, Trauben, Pfirsiche und einiges mehr. Für manches wusste selbst Maggie keinen Namen, obwohl sie eine ausgesuchte Gouvernantenschule besucht hatte, in der auch exotische Speisen auf dem Lehrplan gestanden hatten.

Jamaika!, dachte Lena verzückt. Was für ein verlockender Gedanke, einmal dort hinreisen zu dürfen! Allein der Klang dieses Namens berauschte sie.

Unter ihrer schüchternen Fassade steckte wahrlich eine Entdeckernatur. Und obwohl sie sich ihrem Vater gegenüber stets brav und verschlossen gab, sehnte sie sich in Wahrheit nach dem ganz großen Abenteuer. Erneut studierte sie das Geschenk. Die Früchte waren säuberlich geschält und als Ganzes karamellisiert worden, damit sie in Konsistenz, Geschmack und Farbe möglichst lange haltbar blieben. Verpackt in buntes Seidenpapier, das sich wie ein kostbares Kleid um jede einzelne Köstlichkeit schmiegte, handelte es sich um eine unvergleichliche Versuchung, gegen die ein Paradiesapfel aus Baxters Süßwarenladen an der James Street eher bescheiden ausfiel.

Maggies Überlegung traf zu, dachte Lena bei sich. Es war wirklich merkwürdig, dass die Countess of Lieven, die als Patronin dem Komitee für die Auswahl der Debütantinnen vorsaß, ausgerechnet sie auserwählt hatte, beim ersten Tanzvergnügen der Saison teilnehmen zu dürfen. Und dass sie Lena, ohne zu zögern, einem der begehrtesten Junggesellen ganz Londons als Tanzpartnerin zuerkannt hatte, war ein weiteres Wunder.

Seit geraumer Zeit organisierte die Countess alle Bälle des sogenannten ‹Ton› – der Londoner Oberschicht, der nicht nur Adlige, sondern auch Politiker, reiche Geschäftsleute und Künstler angehörten. Die exklusiven Gäste mussten allesamt über gewisse Verbindungen verfügen, damit ihnen der Zutritt zu diesem Olymp der Eitelkeiten überhaupt erst gewährt wurde.

Obwohl niemand etwas dergleichen erwähnt hatte, war Lena ziemlich sicher, dass ihr Vater hinter der Entscheidung der Countess steckte, sie einzuladen.

Als Vorsitzender eines großen deutschen Handelskonsortiums pflegte Konsul Johann Friedrich Alexander Huvstedt Verbindungen in die höchsten politischen Kreise Englands. Und obgleich er normalerweise kein Freund der Tanzvergnügen war, hatte er seine einzige Tochter in letzter Zeit verdächtig häufig gefragt, ob sie nicht langsam das richtige Alter habe, einen passenden Gemahl für sich zu wählen. Es war anzunehmen, dass ihr Vater, der sich regelmäßig zu einer Partie Whist mit dem russischen Botschafter in London im vornehmen Athenaeum Club traf, nun die Verbindung zu dessen Ehefrau genutzt hatte. Jeder in London wusste, dass ausschließlich die Countess of Lieven die Macht besaß, eine junge Frau wie Lena für den anstehenden Debütantinnen-Ball in die Liste betuchter Heiratskandidatinnen aufnehmen zu lassen.

Erneut griff Lena nach der Karte, die in dem mehr als großzügigen Obst-Arrangement gesteckt hatte und nun vor ihr auf dem Tischchen lag. Verehrte Helena, stand dort schön geschwungen in blauer Tinte geschrieben, ich kann es kaum erwarten, Ihnen endlich persönlich vorgestellt zu werden! Mit hochachtungsvollem Gruß an Sie und Ihren werten Herrn Vater – Ihr ergebenster Diener: Sir Edward William Montgomery Blake, Sohn von Lord William Blake, dem 7. Baronet of Clearwater Castle.

«Ja, der Korb ist wirklich eine Pracht», bestätigte Lena und legte die Karte zurück in das großzügige Geschenk.

Beim Blick in den Spiegel verzog sie ihr Gesicht zu einer wenig vornehmen Grimasse. Die Frisierdame hatte ihr Haar über den Ohren zu einem harmonischen Reigen aus Korkenzieherlocken und winzigen, weißen Seidenrosen zusammengesteckt, wobei sie gekonnt hier und da ein paar zierliche Löckchen herauszupfte.

«Da muss noch ein Hauch mehr Puder ins Gesicht und ein wenig mehr Cochenille auf die Lippen», befahl sie der Frau. «Sir Edward muss ja nicht gleich wissen, wie aufgeregt ich bin, wenn ich ihm vorgestellt werde», erklärte sie an Maggie gerichtet.

Die Frisierdame machte sich sofort daran, Lenas Wunsch nachzukommen, und nahm dann einen hellbraunen Wachsstift zur Hand, um Lenas grüne Augen zu betonen. Maggie behauptete stets, sie hätten die Farbe des Indischen Ozeans. Und sie musste es schließlich wissen, war Maggie doch als Tochter einer deutsch-jüdischen Kaufmannsfamilie im fernen Indien geboren worden und erst nach dem Tod ihrer Eltern über Zürich nach Hamburg gelangt. Dort hatte sie nach dem Besuch einer Schweizer Gouvernantenschule eine Anstellung als Anstandsdame und Lehrerin für Englisch, Französisch und Klavier im Hause der Huvstedts angenommen. Seither begleitete sie Lena und ihren Vater jedes Jahr in der Wintersaison für einige Monate nach London.

In rascher Abfolge fuhr die Frisierdame mit einem langstieligen Rosshaarbürstchen mal in einen kleinen, braunen Tuschkasten und dann wieder über Lenas lange, dunkelblonde Wimpern. Sie wiederholte die Prozedur so lange, bis die Augen wie von dunklen Fächern umrahmt wurden.

«Glaubst du, dass ich ihm gefalle?» Lena betrachtete das Ergebnis der Schönheitsbemühungen wohlwollend im Spiegel.

«Wem?», fragte Maggie geistesabwesend. Sie war zu einem der großen Fenster getreten und beobachtete – die Hände hinter dem Rücken verschränkt – das geschäftige Treiben auf der James Street. Huxley betrat, nachdem er zaghaft angeklopft hatte, das Zimmer und entzündete an den Wänden und auf den Kommoden Kerzen, die sofort ein schmeichelndes Licht verströmten.

«Na, Sir Edward!», rief Lena. «Oder denkst du etwa, ich rede von meinem Vater?»

«Sicher wirst du beiden gefallen», bestätigte Maggie mit einem anerkennenden Lächeln. «Jeder Mann wird vor dir niederknien, sobald er dich sieht. Wenn du immer so herausgeputzt umhergehen würdest, müsste dein Vater mir kündigen und stattdessen eine Leibgarde engagieren.» Sie lächelte dünn. Dann bekannte sie mit einem gewissen Bedauern in der Stimme: «Schade, dass es schneit, sonst könntest du mit einem offenen Zweispänner in den Club fahren, und jeder würde denken, dass du eine Prinzessin bist.»

«Bis zur King Street ist es ja nicht weit», bemerkte Lena, während die Frisierdame ihre Utensilien einpackte und sich zum Gehen anschickte. Lena stand auf, und strich ihr Kleid glatt. Dann bedankte sie sich bei der Frau und entlohnte sie fürstlich. Nachdem Huxley die Dame hinausbegleitet hatte, gesellte Lena sich zu Maggie ans Fenster. Mit sehnsüchtigen Blicken verfolgte sie die tanzenden Schneeflocken, wie sie auf die Menschen herniedersegelten und alles wie mit Puderzucker bestäubt aussehen ließen.

Schließlich räusperte sich Maggie. «Eine innere Stimme sagt mir, dass ich dich auf keinen Fall alleine all diesen lüsternen Junggesellen überlassen darf. Aber dein Vater wird hoffentlich dafür sorgen, dass dir weder dieser Sir Edward Blake noch sonst jemand unsittlich nahe kommt.»

Lena stutzte, als sie sah, wie Maggies Augen einen traurigen Ausdruck annahmen. Plötzlich erkannte sie das Problem.

«Denkst du etwa, ich würde dich aus meinen Diensten entlassen, wenn ich erst einen Heiratskandidaten gefunden habe?»

«Natürlich würdest du das», entgegnete Maggie tonlos. «Wofür bräuchtest du dann noch eine Anstandsdame?»

«Ach Maggie», rief Lena, machte einen Satz auf sie zu und umarmte sie stürmisch.

Die junge Frau mit dem strengen Auftreten war ihr längst so sehr ans Herz gewachsen, dass ihr der Gedanke, auf ihre humorvolle Gesellschaft verzichten zu müssen, einen heftigen Stich versetzte.

«Wie kannst du nur glauben, dass ich jemals wieder ohne dich auskommen könnte?», fragte Lena aufgebracht. «Wenn du willst, kannst du dein ganzes Leben in meinem Haushalt verbringen. Wenn nicht als Anstandsdame, so doch als Gesellschafterin. Also mach dir keine Sorgen!» Lena entließ Maggie aus ihrer Umklammerung und schaute ihr prüfend in die Augen. «Oder willst du mich nicht mehr als Freundin, wenn ich erst einmal vermählt bin?»

«Mein ganzes Leben? Mit dir? Was für ein schrecklicher Gedanke», unkte Maggie und versuchte sich an einem koboldhaften Lächeln.

«Natürlich nehme ich das Angebot gerne an», sagte sie heiser und strich Lena in einer liebevollen Geste über die Wange. «Ganz gleich zu wem und wohin es dich verschlägt. Ich kann dich ja schließlich nicht einfach deinem Schicksal überlassen.»

Lena wurde plötzlich ernst. «Glaubst du, an den merkwürdigen Gerüchten, die man sich über Sir Blake erzählt, ist etwas Wahres dran?» Unterschwellig verspürte sie eine gewisse Unruhe, und es wäre ihr lieber gewesen, wenn sie Maggie hätte mitnehmen dürfen.

«Ich frage mich andauernd», bemerkte Lena mit einem Stirnrunzeln, «was wohl die Beweggründe von Edward Blake sein mögen, einen solch weiten Weg übers Meer auf sich zu nehmen, um ausgerechnet in London seine zukünftige Frau zu finden?»

«Hieß es nicht beim letzten Debütantinnen-Tee», ergänzte Maggie, «dass Edward Blake dank seines Vaters, einem weithin bekannten Baronet, über ein äußerst stattliches Vermögen verfüge? Neben einer riesigen Plantage in Jamaika soll er der zukünftige Erbe etlicher anderer Ländereien in Übersee sein.»

«Ja, ich erinnere mich. Allein in Redfield Hall auf Jamaika sollen es Hunderte Arbeiter sein, die dort ihr tägliches Werk verrichten, ja, wenn nicht Tausende!», sagte Lena mit verklärtem Blick.

«Wer weiß.» Maggie legte den Kopf schief. «Vielleicht sehen die Frauen in Jamaika ja alle aus wie Vogelscheuchen? Oder er sucht sich lieber ein ehrliches, schönes Mädchen in Europa, das es nicht auf sein Geld abgesehen hat.»

Lena machte sich selten Gedanken über Geld und Besitz. Aber das musste sie ja auch nicht. Schließlich war ihre Familie alles andere als arm. Johann Huvstedt war ein recht vermögender Hamburger Kaufmann, der mit seiner einzigen Tochter die halbe Zeit des Jahres in London lebte, um von hier aus seine Geschäfte mit Tabak, Tee, Baumwolle und Zucker aus Übersee zu koordinieren.

Doch Lena wusste, dass Reichtum für ihren Vater auch Verpflichtung bedeutete: Verpflichtung gegenüber seinem Unternehmen und den darin beschäftigten Personen. Aber auch gegenüber der Gesellschaft. Schon vor dem frühen Tod von Lenas Mutter ging er jeden Sonntag zur Kirche und organisierte Wohltätigkeitsveranstaltungen, die aus den Elendsvierteln Hamburgs und Londons bewohnbare Orte machen sollten. Regelmäßig spendete er hohe Summen, sodass die Straßen von Hamburg auch in den Armenvierteln gepflastert werden konnten, und er förderte die Erbauung von Abwasserkanälen, damit das Trinkwasser aus der Themse endlich wieder genießbar wurde. Darüber hinaus unterstützte er in beiden Städten im Winter die kostenlose Verteilung von Brennholz und Brot an Bedürftige.

Mehrfach hatte sich Lena die Frage gestellt, warum ihr Vater überhaupt eine Verbindung mit einem Mann wie Edward Blake für empfehlenswert hielt. Denn im Gegensatz zu den karibischen Pflanzern wie den Blakes legte er stets Wert darauf, keine Sklaven zu beschäftigen, sondern seine Arbeiter angemessen zu entlohnen. Handelten Plantagenbesitzer wie die Blakes nicht mit Gütern, an denen angeblich Sklavenblut klebte? Das behaupteten jedenfalls die Demonstranten diverser kirchlicher Abolitionisten-Organisationen, die sich gegen die Sklaverei stellten und in London manchmal zu nicht genehmigten Versammlungen aufriefen.

Aber dann verwarf Lena ihre Zweifel wieder. Rosanna Rhys-Patrick, eine Freundin aus Internatszeiten, die ebenfalls an dem bevorstehenden Ball teilnehmen würde und deren Vater auch im Zucker- und Kaffeegeschäft reich geworden war, hatte die Gegner der Sklaverei Lügner genannt. Wenn die Neger nicht auf den Plantagen arbeiten könnten, müssten sie ihr Dasein in irgendeiner afrikanischen Wildnis fristen, wo es ihnen weitaus schlechter erging als in der Obhut ihrer weißen Herren. Und überhaupt hatte noch nie jemand etwas so Grauenhaftes wie Blut an Kaffee oder Teesäcken zu Gesicht bekommen. Rosanna vertrat die weit verbreitete Meinung, dass die Gerüchte eine Erfindung von irgendwelchen verrückt gewordenen Fanatikern waren, die sich aus Neid und Streitlust gegen die von Gott gegebene Ordnung auflehnten.

«Ich an deiner Stelle …» Maggies Stimme riss Lena aus ihren Gedanken. «… würde selbst herausfinden wollen, ob mit dem Mann etwas nicht stimmt. Lass dein Herz sprechen, es wird dir den richtigen Rat geben.»

Flamme von Jamaika

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