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2.1.3 Die zweite Rede des Sokrates an Phaidros[22]

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In dieser Rede entwickelt Sokrates im Bild eines von Rossen gezogenen Wagens mit dem Wagenlenker jene Vorstellung von Seele, wie sie in den folgenden Zeiten die Philosophie aber auch die Vorstellungen der Wüstenväter, beispielsweise die des Wüstenvaters Evagrios Pontikos (345 in Anatolien–399 in der Kellia), prägen sollte.

In diesem Bild ist die Seele ein Wagen, so Platon, den entweder die Vernunft souverän lenkt oder von dem sie gelenkt, mitgerissen, wird.[23]

Die Gesamtseele, das Selbst, ist unterteilt in «Seele» und «Intellekt» (Verstand oder Geist), die wiederum eine Dreiheit bilden aus Begehren – Gemüt/Gefühl (= Seelenanteile) – Vernunft (= Teil des «Intellekts»).

Laut Platon nun, wie er es Sokrates in der zweiten Rede an Phaidros darstellen lässt, gleicht die Gesamtseele des Menschen einem Wagen: Wagenlenker ist der Geist und lenkt zwei Pferde: Ein eher harmloseres Tier, das aber unter bestimmten Bedingungen durchaus seine Macken haben kann, das ist das Gemüt, die Welt der Gefühle und ein wildes, ungebärdiges Pferd, das leicht durchgeht und schwer zu zügeln ist, die Welt des Begehrens.

Pferde und Wagenlenker haben ihre legitimen Bedürfnisse die, bei Nicht­befriedigung, in ihr Gegenteil umschlagen können und zu überzogenen Leiden­schaften, wilden Begierden werden.

Die legitimen Bedürfnisse des Geistes sind Selbstachtung und Anerkennung, heute würde man vielleicht sagen, es ist das grundlegende Menschenrecht auf Anerkennung der eigenen, innewohnenden Würde. Wird dieses legitime Bedürf­nis nicht befriedigt, entsteht Wut, denn Stolz und Eitelkeit sind verletzt.

Legitime Bedürfnisse auf der Ebene des Begehrens sind das übliche Besitz­streben, Hunger, Durst, erotische und sexuelle Wünsche. Begehrt man aber auf Kosten anderer Menschen, so werden daraus Gier und, in unserer heu­ti­gen Ausdrucksweise: Sexuelle Ausbeutung und Süchte aller Art.

Zum Pferd des Begehrens und dem Geist des Wagenlenkers kommt gewisser­massen als drittes Element das zweite, handlichere Pferd der Gefühle. Werden legitime Bedürfnisse und Gefühle nicht beachtet, dann verdrängt sie der Mensch, schiebt sie ab, was zur Folge hat, dass sie sich irgendwo anders Bahn brechen und in verdrehter Form wieder ans Tageslicht drängen.

Wird der Geist anerkannt, kann er sich selbst achten, wird er von Klugheit auf seinem Weg geschützt, Einsicht oder Verstehen organisieren und verwalten die Ziele und zum Schluss ist der Geist weise genug, das, was alles Sein begründet, ohne Leidenschaften anzuschauen. Werden die geistigen Bedürfnisse nicht gestillt, verwandelt sich Weisheit in dummen Hochmut, Einsicht in Arroganz, verletzte Würde in verletzte Eitelkeit, Stolz in Wut.

Mut, sich nicht vor GegnerInnen zu fürchten, Geduld, Widrigkeiten auf der Reise auszuhalten sind jene Gefühle, die den Erkenntnisprozess unterstützen, und beide Pferde in der richtigen Spur halten. Frustriert wandeln sie sich zu Kummer und Wut, «Jähzorn» oder Depression, Überdruss und beide Pferde gehen mit dem Wagen durch, stürzen in den Abgrund.

Allah ist unsichtbar

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