Читать книгу Allah ist unsichtbar - Martina Dr. Schäfer - Страница 19

3.2.2 Die Hierarchienlehre des Dionysius Areopagites

Оглавление

Egal, ob nun das neuplatonische Modell[112] des Dionysius Areopagites, wie ich es in den voran gegangenen Abschnitten referierte, mehr oder minder christlich konnotiert ist[113], erhebt sich nun an diesem Punkt auf jeden Fall die Frage, wie überhaupt ein Erkennen oder gar eine Vereinigung mit diesem «Einen», dem Guten möglich sein könnte.

Aber auch, in welchen Formen sich denn nun das Gute, das Eine in einer viel­fältigen, ausgefaltenen Welt zeigen könne.[114]

Dionysius Areopagites entwirft zur Beantwortung dieser Frage einen grossen, McGINN spricht sogar vom «kosmologischen»[115] Entwurf der himmlischen und kirchlichen Hierarchien[116], in welche denkende Wesen wie Engel und Menschen hinein gestellt sind.

Diese Hierarchien sind nicht starr, sondern, wie alles bei Dionysius Areopagites, prozessual zu denken: Als Abstiegsbewegung («Botengang») der Engel und Aufstiegsbewegung der Menschen.

Wir sind heute gewohnt, unter Hierarchien eher Macht- und Abhängigkeitssys­teme zu verstehen, gegen die man, selbst wenn sie eventuell demokratisch oder fachlich legitimiert sind, auf jeden Fall revolutionär anzurennen hat. Dionysius Areopagites Hierarchiebegriff ist sicherlich ein ganz anderer.[117] Modern ausge­drückt könnte man bei ihm vielleicht von Kompetenzhierarchien sprechen. Eine Kompetenz, welche durch ihre jeweilige Nähe oder Distanz zum Einen sowie durch das Verhältnis zu den Anderen[118] gekennzeichnet ist. Also einerseits durch­aus selbst erworbene Kompetenz, andererseits aber auch einfach Gnade.[119]

Möglicherweise hilft auch das Bild der (Karriere-)Leiter, auf der es jedoch ein stetes Auf u n d Ab gibt und die Abwärtsbewegung nicht in zurücksetzender, degra­dierender oder bestrafender Weise zu verstehen ist, sondern sich auf die liebende und lehrende Herabneigung bereits fortgeschrittener Menschen oder eben der Engel bezieht.

Um weiter im Bild moderner Allegorien[120] zu bleiben, könnte man deshalb auch von einem Alumnisystem sprechen, in welchem Fortgeschrittene die Jungauf­steiger an die Hand nehmen, eine CEO-Ebene fördernd, lehrend, reinigend um den Mittelbau bemüht ist, der wiederum Verantwortung für die Entwicklung der Leute im operativen Bereich ausübt, für Schwache und weniger Motivierte, ja sogar Verantwortung für die Arbeitslosen ausserhalb des Betriebes über­nimmt.[121]

Einem Organigramm gleicht auch das völlige Fehlen moralischer und emotio­naler Aspekte bei Dionysius Areopagites, worauf McGINN[122] hinweist: Es gibt keine Idee der Askese, kein Training der Tugenden, kein dramatisches Marty­rium, Aufstieg und Abstieg vollziehen sich in beinahe sachlicher Weise, «ästhe­tisch» im Sinne der Definition der Ästhetik von KANT als «interesselosem Wohl­gefallen».[123] Dionysius Areopagites nennt es «neidlos».

Allah ist unsichtbar

Подняться наверх